Die Kommunalwahl, obwohl erst in vier Monaten, droht zu einer Hängepartie zu werden. Denn durch die Corona-Krise wird die Aufstellung der Kandidat*innen behindert – und der Wahlkampf massiv beeinträchtigt. Denn die klassischen Aktivitäten – Infostände, Straßenwahlkampf und Diskussionsveranstaltungen – sind stark eingeschränkt. Mehrere Parteien, darunter auch die Fraktion Linke und Piraten, fordern daher eine Verschiebung der Wahl. Die SPD ringt mit der CDU-FDP-Landesregierung darum, ob und wie die Wahl stattfinden kann. Währenddessen rüsten sich die Parteien für den digitalen Wahlkampf. Die SPD ist dabei schon auf „Betriebstemperatur“.
Die Wahlkampf-Maxime der SPD: „Besser werden. Dortmund bleiben.“
Im Zeitalter von Digitalität und Corona haben die Sozialdemokrati*innen ihre Auftakt-Pressekonferenz zum Wahlkampf in einer Videoschaltung vorgestellt. „Es wird der bisher digitalste Wahlkampf, den Dortmund bisher erlebt hat“, kündigt OB-Kandidat Thomas Westphal an. Die Maxime der SPD: „Besser werden. Dortmund bleiben.“ Unter diesem Motto steht der Wahlkampf. ___STEADY_PAYWALL___
„Das ist unsere Grundphilosophie. Die Stadt muss sich weiterentwickeln als eine funktionierende und attraktive Großstadt. Aber Dortmund bleibt bei seiner Seele und wird nicht Düsseldorf“, so Westphal. Das Interessante: Die Partei stellt den Slogan und die Themen in den Mittelpunkt, nicht ihren Spitzenkandidaten.
Die SPD sieht – wenig überraschend – Dortmund auf einem guten Weg. „Aber es gibt neue Herausforderungen und wir packen sie an. Dortmund braucht einen leistungsfähigeren und kostengünstigeren öffentlichen Personennahverkehr. Wir müssen deutlich mehr Wohnungen bauen als bisher, damit wohnen bezahlbar bleibt“, heißt es im Wahlprogramm.
Investitionen in Bildung, Wohnungen und Arbeitsplätze als Kernziele
„In die Bildung unserer Kinder muss weiter investiert werden und höchste Priorität hat auch zukünftig die Schaffung von Arbeitsplätzen in unserer Stadt“, beschreiben die Sozialdemokrat*innen die Herausforderungen unter dem Kernsatz „Besser werden!“, macht Parteichefin Nadja Lüders deutlich.
Gleichrangig daneben steht die Botschaft „Dortmund bleiben!“ Dazu heißt es: „Harte Arbeit hat unsere Stadt groß gemacht und dafür gesorgt, dass wir den Strukturwandel schaffen. Sie hat die Menschen in Dortmund geprägt. Ehrlich und bodenständig gehen wir Probleme an, ohne lange drumrum zu reden. Dafür lieben wir unsere Stadt und so machen wir Politik. In der aktuellen Corona-Krise zeigt sich: Bei uns wird Solidarität gelebt. Diese guten Eigenschaften werden wir in die Zukunft tragen.“
Damit versucht die SPD, Kopf und Herz anzusprechen und auch ihre Basis zu motivieren und zu aktivieren. Denn die Kommunalwahl am 13. September ist die Nagelprobe für die Dortmunder SPD: Bei der Europawahl im vergangenen Jahr war die Partei in der „Herzkammer der Sozialdemokratie“ erstmals hinter die Grünen zurückgefallen. Die Genoss*innen relativierten diesen Tiefschlag noch am Wahlabend und betonten, dass dies bei einer Kommunalwahl ganz anders aussehen würde. Diesen Beweis muss die Partei nun am 13. September antreten.
Fraktionschef Schilff: „Dortmund entscheidet sich positiv von anderen Städten“
In die Wahl geht die Partei mit großem Selbstbewusstsein, weil Dortmund im Ruhrgebiet vergleichsweise gut da steht, viele zukunftsweisende Projekte und Vorhaben erfolgreich auf den Weg gebracht hat und – zumindest bis zur Corona-Krise – auch finanziell voll handlungsfähig war.
„Wenn wir nicht Corona hätten, würde etwas mehr Glanz auf unsere Stadt und auf unsere Politik fallen“, betont Fraktionschef Norbert Schilff, der mit 37 Mitgliedern die größte SPD-Fraktion im Land anführt.
„Das haben wir gut genutzt. Dortmund entscheidet sich positiv von anderen Städten, auch wenn es dort im Strukturwandel auch voran gegangen ist“, so Schilff. Mit der Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und dem verstärkten Wohnungsbau nannte er nur zwei Merkmale. Der Spagat zwischen Ökonomie und Ökologie sei gelungen. „Wir haben uns nicht beirren lassen, sind aber auch nicht mit Betonmischern, sondern behutsam vorgegangen“, so Schilff.
Dortmund hänge finanziell – anders als viele Ruhrgebiets-Kommunen – nicht am Fliegenfänger. „Warum haben wir das in Dortmund gut geschafft? Weil wir unser Tafelsilber nicht verkauft, sondern aufpoliert haben und es sogar noch erweitern wollen. Die kommunalen Unternehmen sind uns sehr wichtig. Und sie sagen auch Danke dafür – die Beteiligungen am städtischen Haushalt können sich sehen lassen. Sie sind finanziell sehr solide“, betont der SPD-Fraktionschef mit Blick auf die Stadttöchter, die teils auch umstrittene Beteiligungen haben, unter anderem im Energiebereich.
Die SPD hat ihr Wahlprogramm im Gespräch mit vielen Gruppen erarbeitet
Bei der Erstellung des Wahlprogramms ist die SPD neue Wege gegangen. „Wir haben die Menschen gefragt, was Ihnen wichtig ist“, berichtet Bürgermeisterin Birgit Jörder. Sie führt erneut die Ratsliste der SPD an.
Unterschiedlichste Verbände, Firmen, Einrichtungen und Gruppen hatte die Partei in den vergangenen Monaten besucht und gesprochen. ADFC, Paritätischer, Gast-Haus, Die Allgemeinen Studierendenausschüsse von TU und FH, DGB, Mieterbund, Feuerwehr, Künstlerhaus und viele andere standen auf dem Besuchs- und Gesprächsprogramm.
„Wir haben uns bemüht, die Vielfalt in unserer Stadt aufgesucht und gefragt, was ihnen wichtig ist. Dann haben wir die Themen gewichtet. Wohnen stand dabei in dieser Stadt an erster Stelle“, berichtet Jörder. 20.000 neue Wohnungen sind das erklärte Ziel der SPD. Doch nicht nur wohnen, sondern auch die soziale Durchmischung sei wichtig, stellte die in der Nordstadt wohnende Bürgermeisterin heraus. Zudem sollten die Menschen die Chance haben, sich wohnungstechnisch größer oder kleiner setzen zu können, ohne ihr Quartier verlassen zu müssen, ergänzte Westphal.
Der OB-Kandidat hatte mehrere Themenfelder bereits in den vergangenen Monaten präsentiert – u.a. zu Verkehr und Wohnen. Er wies die Kritik zurück, dass seine Konkurrentin Daniela Schneckenburger bisher als einzige konkrete Forderungen aufgestellt habe. „Meine Positionen zum Verkehrsbereich kennen sie seit November. Ich habe den Ausbau von sechs Stadtbahnlinien und der H-Bahn vorgeschlagen“, erinnerte Westphal. „Das sind keine Forderungen, sondern Umsetzungsideen. Fordern kann die Opposition, wir wollen gestalten“, sorgte er für einen Seitenhieb.
Corona-Beschränkungen stellen Parteien vor große organisatorische Probleme
Die Partei arbeitet fieberhaft am Wahlkampf. Denn eine Verschiebung ist für die Dortmunder Vorsitzende Nadja Lüders – sie ist zugleich Generalsekretärin der NRW-SPD – keine Option. Denn vier oder sechs Wochen mehr sei keine Lösung. Der Landesgesetzgeber müsste zudem die Amtszeit der Räte und (Ober-)Bürgermeister verlängern.
„Dazu gibt es Gespräche auf höchster Ebene. Viel wichtiger ist, ob wir die Verfahren zur Aufstellung abgewickelt bekommen. Das ist ein viel entscheidenderer Punkt. Durch die Verschiebung bis Ende Oktober wäre nichts gewonnen. Wir wissen ja nicht, wie sich Corona im Herbst entwickelt.“
Das Problem: Mehrere Parteien müssen ihre Listen noch aufstellen oder neu bestätigen – so auch die SPD. Sie hatte bereits die Aufstellung abgeschlossen. Anschließend hatte ein Urteil des NRW-Verfassungsgerichtshofs dazu geführt, dass landesweit Grenzen von Wahlbezirken neu gezogen werden mussten. Die Parteien, die frühzeitig ihre Hausaufgaben erledigt hatten, müssen nun nochmal ran und die Listen entweder neu aufstellen oder zumindest erneut bestätigen.
OB-Kandidat Westphal: „Es wird der größte Online-Wahlkampf aller Zeiten“
Lüders hat aber nicht nur die Vertreterversammlungen im Blick, sondern vor allem auch den Gleichheitsgrundsatz für alle Bewerber*innen. Denn Wahlvereinigungen und Einzelbewerber*innen müssen, um zur Wahl zugelassen zu werden, Unterstützungsunterschriften sammeln. Doch das war und ist in Zeiten von Kontaktverboten und Einschränkungen schwierig.
Selbst das Abhalten einer Vertreterversammlung stellt eine Herausforderung dar: „Wir brauchen auch räumlich Abstand bei Versammlungen, brauchen eine geheime Wahl, Wahlzettel müssen ausgegeben, eingesammelt und ausgezählt werden – alles mit Abstand“, benennt sie praktische Probleme in Zeiten von Kontaktbeschränkungen.
„Vieles ist noch offen. Es gibt noch viel Klärungsbedarf. Die Regierung schiebt gerne die Verantwortung auf die Kommunen und hier auf die Parteien ab. Langsam wird die Zeit eng, dass sie mal reden“, kritisiert Lüders die CDU-FDP-Landesregierung.
Für den Wahlkampf selbst in Coronazeiten sieht sich die Partei gut gerüstet und aufgestellt. „Wir sind digital gut unterwegs. Gleichwohl müssen Begegnungen stattfinden. Wir wissen ja noch nicht, was in Bund und Land geöffnet oder erlaubt sein wird. Aber schon jetzt nutzen wir die Möglichkeiten, wo Genossinnen vor Ort mit Abstand mit den Menschen in Kontakt stehen“, so Lüders. „Sie übernehmen Einkäufe, organisieren Balkonkonzerte und tauschen sich über Netzwerke und Telefonketten aus und geben über Probleme vor Ort Rückmeldungen an die Fraktion.“
Vorerst werden die Diskussionsrunden online stattfinden – die Premiere dafür gab es jüngst bei der IHK (Nordstadtblogger berichtete). „Es wird sicher der größte Online-Wahlkampf aller Zeiten bisher. Ich mache INSTA-Talks mit verschiednen Leuten und 320.000 Menschen in Dortmund haben einen Facebook-Account“, betont Westphal.
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