Allein die Worte auf der Einladung können abschrecken. Der SPD Unterbezirk lädt zum Unterbezirksparteitag. Eingeladen sind 180 Delegierte der Ortsvereine. Sie kommen Samstagsmorgen um 9 Uhr in das Berufsförderungswerk Dortmund in Hacheney. Bei Wahlen ist die Demokratie genau, niemand will Fehler machen und eine Nachwahl riskieren. Daher kommen solche Wortungetüme zustande – die die Delegierten aber schon kennen. Die meisten sind schon lange dabei, sind in den Ortsvereinen der Partei organisiert. Auf der kleinsten Ebene der Partei.
Es gibt Dank dafür, Verantwortung im Ehrenamt zu übernehmen
Jens Peick, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Unterbezirks Dortmund, greift das in seiner Begrüßung auf. Er sieht die SPD in Dortmund nicht als Staatspartei, fern der Menschen. Sondern sagt: „Wir sind da, wo die Menschen sind.“
Er freut sich, Vertreter der Gewerkschaften zu begrüßen. Freut sich, dass fast 200 Delegierte da sind. Die sich jeden Tag engagieren. Auf vielen kleinen Ebenen dafür sorgen, dass die Demokratie funktioniert. Daher gilt sein besonderer Gruß den Mandatsträger:innenn, die sonst nie erwähnt werden.
Den Bildungsbeauftragten der Ortsvereine, den Kassierer:innen, den Vorständen, die alle bereit sind, Verantwortung im Ehrenamt zu übernehmen. Darüber findet Jens Peick die Brücke zum Parteitag. Der aus seiner Sicht wichtig ist, weil die Kandidat:innen festgelegt werden für die Kommunalwahl im nächsten Jahr. Kandidat:innen, die bereit sind Verantwortung für Dortmund im Ehrenamt zu übernehmen.
Über das Ampel-Aus, gebrochene Versprechen und Richtungswahlen
Der Bundestagsabgeordnete spricht dann über den Umgang mit Verantwortung. Aus seiner Sicht ist die Ampel am Haushalt gescheitert. Und Christian Lindner sei seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Sondern hat auf dem Rücken der Menschen dieses Landes seine Vorteil gesucht. Mit dem Ergebnis, dass wir keinen Haushalt haben. Viele Projekte nicht umgesetzt werden können. Für seine Einschätzung, dass Bundeskanzler Olaf Scholz den Finanzminister daraufhin zu Recht entlassen hat, gibt es viel Beifall.
Aus Sicht von Jens Peick ist die anstehende Bundestagswahl eine Richtungswahl. Die über sehr unterschiedliche Vorstellungen entscheidet, wie unser Staat sein soll. Und lenkt den Blick auf die Kommunalwahl im nächsten Jahr. Mit einem Lob auf seine geleistete Arbeit, mit seiner Politik für die Menschen dieser Stadt, holt er dann Oberbürgermeister Thomas Westphal ans Mikrofon.
OB: „Streitet euch darüber. Aber wahrt die demokratischen Regeln“
Thomas Westphal stellt sich zur Wiederwahl für das Amt des Oberbürgermeisters und nimmt den Ball auf. Er beginnt seine Rede mit der Frage: „Was ist Verantwortung“? Er zeigt sich menschlich, als er sagt, dass er sich bereit erklärt hat, Verantwortung zu übernehmen. Das man aber schnell merkt, dass es etwas anderes ist, wenn man dann tatsächlich in der ersten Reihe steht. Wenn man dann selbst die Entscheidungen treffen muss. Und diese dann auch aushalten muss.
Thomas Westphal nimmt die Delegierten mit, als er bekennt, dass ihn das geprägt hat. Und verweist beispielhaft auf den schwierigen Umgang mit der steten Provokation der Rechten im Rat. Über den richtigen Umgang damit gibt es unterschiedliche Vorstellungen.
Er gibt einen Rückblick auf die Ereignisse vom 7.Oktober des letzten Jahres. Eine Jugendgruppe aus Dortmund war in Israel, alles drehte sich erst mal darum, die jungen Menschen gesund zurückzuholen. Bei ihm hat es die Frage ausgelöst: Was macht das hier mit den Menschen, was macht es mit der Stadtgesellschaft?
Nach einem von ihm initiierten Treffen mit der muslimischen und der jüdischen Gesellschaft gab es eine gemeinsame Erklärung. Mit dem Gedanken an die Jugend in der Stadt: „Macht euch ein Bild der Lage. Streitet euch darüber. Aber wahrt die demokratischen Regeln.“
Kritik an einer „Rufmord-Kampagne“ gegen Westphal
Die Einhaltung der demokratischen Regeln wünscht er sich auch im Umgang untereinander und mit ihm. In seiner Wahrnehmung wird der öffentliche Ton verächtlicher. Er fühlt Grenzen überschritten, wenn es um persönliche Diskreditierung geht. Thomas Westphal zeigt sich angefasst. Und sieht einen drohenden Schaden für sein Amt.
Er sagt: „Wenn man versucht die Menschen, die bereit sind Verantwortung zu übernehmen, vor sich hertreibt, wird auch die Institution geschliffen“, sagt er mit Blick auf das Amt des Oberbürgermeisters. Ein Freund von ihm, ein CDU-Mitglied, habe einen Leserbrief geschrieben und darin von Rufmord gesprochen. Mit seinem Namen und seiner Funktion unterschrieben.
Sehr nachdenklich berichtet Thomas Westphal, dass man seinem Freund dafür vielfach Mut attestiert hat. Und sagt: „Wenn man für das Äußern seiner Meinung mutig sein muss, ist die Demokratie erledigt“.
Westphal geht als OB und Schilff als Spitzenkandidat ins Rennen
Offensichtlich trifft Thomas Westphal den Nerv der Delegierten. Er bekommt Applaus. Und mit 91 Prozent der Stimmen erneut das Mandat, als Kandidat der SPD für das Amt des Oberbürgermeisters in den Wahlkampf zu ziehen. (156 abgegebene Stimmen, 142 ja, 13 nein, eine Enthaltung).
Norbert Schilff, der für das Amt des Bürgermeisters kandidiert, bekommt von 157 abgegebenen Stimmen 155 Ja-Stimmen – bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung. Ein überzeugendes Ergebnis.
Etwas komplizierter wird es bei der Wahl zum Ruhrparlament. Es gibt nur eine Listenwahl. Der Landesparteirat der SPD in NRW hat dafür einen Schlüssel festgelegt.
Die Listenplätze werden wie folgt gewählt: Platz 1 Norbert Schilff, Platz 2 Christa Becker-Lettow, Platz 3 Michaela Kraft, Platz 4 Berk Eraslan und Platz 5 Janis Beenen.
Gegen 11:45 Uhr ist der Unterbezirksparteitag beendet, es gibt eine kurze Pause und Erbsensuppe. Es folgt ja noch die Vertreterversammlung, bei der unter anderem über die SPD-Reserveliste entschieden wird. Die Delegierten stört es nicht. Es liegt Wahlkampf in der Luft, trotz der schlechten Umfragewerte für die SPD.
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