Der tödliche Polizeieinsatz in einer Jugendhilfeeinrichtung, bei der ein 16-jähriger Geflüchteter aus dem Senegal erschossen wurde, beschäftigt natürlich auch die Bezirksvertretung der Innenstadt-Nord. Gleich drei Resolutionsentwürfe landeten auf dem Tisch, die – nur Minuten vor der Sitzung – zu einem gemeinsamen Schreiben zusammengeführt wurden. Diese fand, gegen die Stimme der AfD und die Enthaltung des CDU-Vertreters eine breite Mehrheit.
Unabhängige Untersuchungen für mehr Vertrauen in die Polizei
„Die BV Nord ist erschüttert und entsetzt über die tödlichen Schüsse auf Mouhamed Lamine Dramé, in einer Einrichtung in der Dortmunder Nordstadt. Ihre Gedanken sind bei den Hinterbliebenen – und bei jenen, die sich in ähnlich traumatisierten Situationen befinden wie der Getötete.
Dieser Vorfall muss umfassend aufgeklärt werden. Dies schließt nicht nur die strafrechtliche Relevanz der Handlungen ein, sondern auch die Polizeilichen Taktiken, und Verhalten in solchen Situationen. Ebenso die Betreuung von Menschen in psychischen Ausnahmesituationen“, heißt es in dem mehrseitigen Schreiben.
Darin appelliert die BV Innenstadt-Nord an den Rat der Stadt Dortmund, die Landesregierung NRW aufzufordern, eine unabhängige Untersuchung der tödlichen Schüsse einzuleiten.
„Unabhängige Untersuchungen sind in vielen Bereichen ein probates Mittel, Sachverhalte so aufzuklären, dass den Ergebnissen umfassend vertraut wird. Die Praxis, dass benachbarte Polizeibehörden für die Untersuchung von Vorfällen zuständig sind, muss hingegen in Frage gestellt werden, da diese nicht geeignet ist, das durch den verstörenden Vorfall beschädigte Vertrauen in die Polizei wiederherzustellen“, heißt es in der Resolution.
Bessere Betreuung von Menschen in psychischen Ausnahmesituationen
Weiter heißt es: „Es ist davon auszugehen, dass rassistische Einstellungen in der Bevölkerung auch bei der Polizei vorkommen. Wir fordern daher den Rat der Stadt Dortmund auf, von der Landesregierung, eine wissenschaftliche Untersuchung zu rassistischen Einstellungen und strukturellem Rassismus bei der Polizei einzufordern und entsprechend den Ergebnissen geeignete Maßnahmen zu ergreifen.“
Gerade die Nordstadt sei „potenziell von schwierigen Interaktionen zwischen Bevölkerung und Polizei betroffen“ – daher gebe es „ein besonderes Interesse an angemessenem und geeignetem Auftreten letzterer“, so die Bezirksvertretung.
Die letzten Tage von Mouhamed Dramé zeigten zudem Defizite in der Betreuung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Hier sehen wir einen Handlungsbedarf auf kommunaler Ebene und fordern den Rat auf, die Betreuung zu untersuchen und entsprechende Konsequenzen für die Qualität der Betreuung zu ziehen.“ Zudem beschloss die Bezirksvertretung einen Forderungskatalog (Am Ende des Artikels).
Die Politik sieht die Polizei in der Pflicht, wieder Vertrauen aufzubauen
„Wir sind für diesen Stadtteil zuständig und wir müssten das größte Interesse haben, dass die Interaktionen mit der Polizei möglichst glimpflich und gedeihlich verlaufen und wir nicht befürchten müssen, dass noch mal so Schlimmes passiert“, begründete Cornelia Wimmer (Die Linke/ Die Partei).
„Was uns alle umtreibt ist, dass wir dringend eine unabhängige Aufklärung brauchen, wo die Polizei auch dringend ihre Einsatztaktik so transparent machen und sagen, was das passiert ist“, betont Thomas Oppermann (SPD).
Dies sei wichtig für ein vertrauensvolles Verhältnis. Durch den Einsatz sei viel Vertrauen verloren gegangen, doch das brauche es für ein vernünftiges Zusammenleben. „Da ist die Polizei in der Bringpflicht. Es braucht mehr als ,Meet a Cop’ in der Münsterstraße, auch wenn das eine schöne Aktion ist. Wir brauchen Aufklärung und eine unabhängige Studie“, so Oppermann.
Sonja Lemke (Die Linke/ Die Partei) fand es „sucherwichtig, dass wir eine gemeinsame Resolution haben“.
Für sie war ein wichtiger Punkt, der auch auf den Demos nach dem Tod des 16-Jährigen eine Rolle spielten, dass viele Betroffene von Rassismus davon berichteten, dass sie schon vorher negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben. „Wir brauchen eine konstruktive Arbeit, um bei der Polizei ein Vertrauensverhältnis zu schaffen“, so Lemke.
Folgenden Forderungskatalog hat die BV beschlossen:
Die BV Innenstadt-Nord fordert den Rat der Stadt Dortmund dazu auf, folgende Punkte bei der Landesregierung einzufordern:
- Eine transparente Ermittlung durch ein unabhängiges Expert*innengremium über die polizeilichen Ermittlungen hinaus
- Eine Evaluation der an diesem Tag eingesetzten Polizeitaktiken
- Eine Weiterentwicklung nachhaltiger Fortbildungskonzepte der Polizei im Bereich Antirassismus und Diversität
- Die Sensibilisierung von Polizei und Ordnungsbehörden für die Situation psychisch belasteter Menschen und speziell geflüchteter Menschen
- Beauftragung einer Studie über Rassismus in den Polizeibehörden in NRW
- Unabhängige Untersuchungs- und niederschwellige Beschwerdestellen zu Polizeigewalt einzurichten
Die BV Innenstadt-Nord fordert die Polizei Dortmund dazu auf:
- Aktiv vertrauensbildende Maßnahmen in der Innenstadt-Nord durchzuführen
- Die Zusammenarbeit mit den Vereinen und Initiativen in der Innenstadt-Nord zu intensivieren
Die BV Innenstadt-Nord fordert die Verwaltung dazu auf:
- Eine Evaluierung und Weiterentwicklung der bestehenden Versorgungsstrukturen von Menschen insbesondere Jugendlichen in psychischen Belastungssituationen durchzuführen
- Den Zugang zu niederschwelliger adäquater psychosozialer Versorgung für betroffene Menschen zu schaffen
Reaktionen
Einsatzgeschehen am 8. August in der Holsteiner Straße – die Polizei hat interne Maßnahmen eingeleitet (PM POL-DO)
Der Dortmunder Polizeipräsident hat bereits in Abhängigkeit zum Ermittlungsstand des Strafverfahrens unverzüglich alle notwendigen dienstrechtlichen Maßnahmen getroffen. Gegen alle Beamtinnen und Beamten gegen die im Strafverfahren ermittelt wird, wurden Disziplinarverfahren eingeleitet. Diese wurden wie üblich für die Dauer des Strafverfahrens ausgesetzt.
Gleichzeitig wurden folgende vorläufige Maßnahmen getroffen: Ein Beamter wurde vorläufig vom Dienst suspendiert. Vier weitere Polizeivollzugsbeamte/-innen sind in andere Tätigkeitsbereiche des Polizeipräsidiums Dortmund umgesetzt worden.
„Die Polizei Dortmund legt Wert auf die Feststellung, dass diese vorläufigen Maßnahmen nicht einer Vorverurteilung gleichkommen dürfen. Bis zum Ausgang des Strafverfahrens gilt auch bei Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die Unschuldsvermutung, genauso wie bei allen anderen Bürgerinnen und Bürgern,“ so Polizeipräsident Gregor Lange.