Der Dortmunder AfD-MdB soll „Parteifreunde“ bedroht haben

Die Luft für Matthias Helferich wird dünner: Landesschiedsgericht entzieht Mitgliedsrechte

Das Dortmunder Noch-AfD-Mitglied Matthias Helferich sitzt im Bundestag und im Dortmunder Stadtrat. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Von Rainer Roeser

Freunde werden Martin Vincentz und Matthias Helferich in diesem Leben gewiss nicht mehr. Parteifreunde sind sie – gezwungenermaßen. Und ginge es nach dem Landesschiedsgericht der AfD wären sie offenbar nicht einmal das. Jenes Landesschiedsgericht – beziehungsweise zwei seiner Richter:innen – hat der Forderung des nordrhein-westfälischen AfD-Vorstands stattgegeben, Helferich die Mitgliedsrechte zu entziehen. Es ist quasi die Vorstufe zum Parteiausschluss.

Entzug der Mitgliedsrechte quasi als Vorstufe zum Parteiausschluss

Über die Entscheidung berichtete der „Stern“, dem das neunseitige Dokument vorliegt. Gleich fünf Vergehen wider Programmatik und Satzung der AfD werfen die Parteirichter dem Dortmunder Bundestagsabgeordneten vor.

Da ist jener Instagram-Eintrag, in dem Helferich das Bild eines Rückspiegelanhängers mit der Aussage „Raus mit die Viecher“ veröffentlichte und mit den Zusätzen „Super“ und „#remigration“ versah. Die Schiedsrichter dazu: „Die Verknüpfung des Slogans ,Raus mit die Viecher‘ mit dem Begriff ,Remigration‘ zeigt eine Einstellung einer extrem die Menschenwürde verletzenden Abqualifizierung von Migranten, die augenscheinlich mit Viechern gleichgesetzt werden.“

Vorwurf zwei: Helferich habe sich im sozialen Netzwerk X hinter zwei AfD-Kollegen gestellt. Diese wiederum hätten öffentlich zum Ausdruck gebracht, „dass Personen türkischer und jesidischer Herkunft nicht Deutsche werden könnten“, wie der „Stern“ aus der Schiedsgerichtsentscheidung zitiert. Damit hätten sie, so das Gericht, gegen Grundgesetz und gegen Grundsatzprogramm der AfD verstoßen. Helferich habe sich die Auffassung der beiden zu eigen gemacht, obwohl er als Mitglied des Landesvorstands gewusst habe, dass ein Ausschlussverfahren gegen die beiden Parteimitglieder beantragt sei.

Schiedsrichter sehen „tatsächliche oder indirekte/subtile Bedrohungen von Parteimitgliedern“

Während diese beiden Vorwürfe bereits bekannt waren, sind drei weitere offenbar neu. Dabei geht es um das, was laut „Stern“ die beiden unterzeichnenden Schiedsrichter als „tatsächliche oder indirekte/subtile Bedrohungen von Parteimitgliedern“ bezeichnen. Helferich schaffe „Bedrohungsszenarien“, habe wiederholt und gezielt „Fehltritte oder vermeintliche Fehltritte anderer Parteimitglieder“ platziert, „um Druck auszuüben“.

Zum einen geht es um den Duisburger Kreissprecher Andreas Laasch. Seit Mitte Juni sitzt er auch dem mächtigen AfD-Bezirksverband Düsseldorf vor, Vincentz‘ Heimat-Bezirksverband. Über Laasch berichtete der „Spiegel“ 2019, sein Name sei in den 90er Jahren in einem Dokument der neonazistischen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) aufgetaucht. Laasch bestritt energisch, Kontakte zur FAP unterhalten zu haben – konnte aber nicht verhindern, dass der Vorwurf in den internen Machtkämpfen der AfD immer wieder laut wird.

Helferich reagiert auf die neusten Veröffentlichungen. Screenshot: X-Profil von Matthias Helferich

Auch Helferich jonglierte damit. Als Laasch zum Bezirkschef gewählt worden war, „beglückwünschte“ er ihn und fügte auf der Plattform X hinzu: Vincentz und der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla hätten „mit ihm einen guten Netzwerker – mit besten Kontakten zur alten Rechten“. Laut „Stern“ befanden die Parteirichter, Helferich habe „sich berühmt, insoweit Kenntnisse aus der Vergangenheit des Zeugen Laasch zu besitzen“.

Helferich habe „diese oder andere vermeintliche Kenntnisse“ auch für eine an Laasch gerichtete Drohung auf X genutzt. Dort schrieb er dem Urteil zufolge: „Ich würde es an Eurer Stelle morgen nicht übertreiben. Du kennst Dein Umfeld und Deine Vergangenheit am besten.“

Mögliches Ziel: Parteimitglieder oder deren Beschäftigte unter Druck setzen

Der zweite Fall einer potenziellen Bedrohung betrifft eine „Parteifreundin“ Helferichs, die einst wichtige Funktionen in der Partei inne hatte. Helferich soll sich laut Urteil im Januar 2024 in einer Whatsapp-Gruppe gerühmt haben, „Kenntnisse über eine vermeintliche Tätigkeit des Parteimitgliedes (…) in der Vergangenheit zu besitzen, indem er behauptet, ihre Tätigkeit als Nutte verteidigt zu haben und indem er äußert: ,Eure neuerliche Hygiene, die dir ganz besonders steht als ehemalige Prostituierte …‘“.

Matthias Helferich thematisiert das Schiedsgerichtsverfahren immer wieder.
Matthias Helferich thematisiert das Schiedsgerichtsverfahren immer wieder. Screenshot: X-Profil von Matthias Helferich

„Zumindest“ sei „von einer strafbaren Formalbeleidigung auszugehen“, befanden die Parteirichter. Und es stehe „auch die Drohung im Raum, dass der Antragsgegner dieses vermeintliche Wissen aus der Vergangenheit der (…) zu ihrem Nachteil an geeigneter Stelle nutzen will“.

Schließlich geht es in dem Urteil um Henning Zoz. Dem politisch eher obskuren Unternehmer aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein, der bei Parteitagen der AfD auch schon mit Darth-Vader-Maske auftrat, hielt Helferich auf X vor, er habe „beste Kontakte zu Putins Nachtwölfen und den ostukrainischen Teilrepubliken“. Laut AfD-Schiedsgericht formulierte Helferich so, um Zoz‘ „Ruf zu schädigen“.

Er lasse „bewusst außer Acht, dass das Parteimitglied Zoz als Unternehmer mit geschäftlichen Beziehungen in den ukrainischen Ostgebieten tätig ist und sich dort auf sensiblem Terrain bewegen muss“. Helferich verfolge das Ziel, „Parteimitglieder oder deren Mitarbeiter mit sachfremden Geschehnissen oder Tätigkeiten aus ihrer Vergangenheit unter Druck setzen zu wollen“.

Auch nach dem AfD-Bundesparteitag kracht es auf Landesebene gewaltig

Schiedsgerichtsverfahren wie dieses bieten einen – eher seltenen – Einblick in das Innenleben der AfD. Insbesondere nach ihrem Essener Parteitag will sie sich zwar „professioneller“ geben. Doch in einigen Landesverbänden – und vor allem in NRW – kracht es gehörig. Landeschef Vincentz und Helferich sind dort die Protagonisten. Es ist der Streit zwischen einem, der seine weitere parteipolitische Karriere auf dem Image eines angeblich „Gemäßigten“ aufbauen will, und einem, der auf rechtsradikalen Klartext setzt und dabei auf Björn Höcke und die „Junge Alternative“ bauen kann.

Björn Höcke zu Gast in Dortmund – Matthias Helferich und auch der Kreisverband pflegen enge Kontakte.. Foto: Karsten Wickern

Über viele Jahre ist dieser Streit, der auf beiden Seiten intrigante Züge trägt, gewachsen. Einige Stationen sind auch öffentlich nachvollziehbar. Da war 2020 ein Parteitagsantrag „Für die Schaffung einer neuen Landesverbandskultur!“, den Helferich entwarf und den Vincentz (naiv) mitunterzeichnete. Am Ende dürfte der heutige NRW-Vorsitzende sehr froh gewesen sein, dass beim damaligen Parteitag keine Zeit für die Beratung des Textes blieb.

Da war 2022 ein Landesparteitag in Siegen, der Helferichs (vorläufiges) Ende im Landesvorstand besiegelte – ausgerechnet als Schiedsrichter wurde er von den Delegierten dann aber doch gewählt. Da war schließlich Anfang des Jahres der Landesparteitag in Marl, bei dem Helferich das schwächste Glied in der Kette von Vincentz Personalpräferenzen erkannte, selbst antrat und gegen den Willen des Landeschefs in den Vorstand gewählt wurde.

Helferich durfte nicht am Bundesparteitag teilnehmen und auch nicht kandidieren

Bundesparteitage boten mal dem einen, mal dem anderen Vorteile. Dass ihm kurz vor dem Essener Parteitag Ende Juni die Mitgliedsrechte entzogen worden waren, er selbst daher nicht teilnehmen und womöglich für den AfD-Bundesvorstand kandidieren konnte, war für Helferich eine herbe Schlappe.

Dass dort mit Kay Gottschalk ein weiterer seiner Intimfeinde aus NRW als Bundesvize in den Vorstand einzog, war seine zweite Niederlage. Dass andererseits bei der Wahl der Beisitzer der Vincentz-Vertraute Markus Wagner dem Vorsitzenden der „Jungen Alternative“, Hannes Gnauck, unterlag, war ein Punkt für ihn.

Zunächst muss nun das Landesschiedsgericht über Helferichs Parteiausschluss befinden. Geht es für den Dortmunder negativ aus, wäre in der Berufung das Bundesschiedsgericht am Zuge, wo seine Chancen deutlich größer sind. Verliert er aber auch dort, könnten öffentliche Gerichte ins Spiel kommen. So oder so: Der Dauerstreit in der NRW-AfD dürfte noch mehrere Fortsetzungen erleben.


UPDATE: Stellungnahme der Dortmunder AfD

Nordstadtblogger hatte im Vorfeld der Berichterstattung AfD-Kreisverband und AfD-Ratsfraktion angefragt und um Stellungnahme zum Entzug der Mitgliedsrechte gebeten. Hier die gemeinsame Stellungnahme von Peter Bohnhof für den AfD-Kreisverband und von Heiner Garbe, für die AfD-Ratsfraktion.

Frage 1: Darf Herr Helferich derzeit bzw. künftig in Dortmund im AfD-Kreisverband seine Mitgliedsrechte ausüben?

Antwort 1: Matthias Helferich kann seine Mitgliedsrechte derzeit auch im Kreisverband Dortmund nicht ausüben, da der entsprechende Beschluss des Landesvorstandes durch das Landesschiedsgericht bestätigt wurde. Dies gilt, solange der Beschluss Bestand hat. Der weitere Verfahrensablauf bleibt abzuwarten.

Frage 2: Wie gehen Sie mit Ihrem Fraktions- beziehungsweise Parteimitglied um, wenn der Parteiausschluss bestätigt werden sollte?

Antwort 2: Es bleibt auch abzuwarten, wie das Schiedsgericht in der Frage des  Parteiausschlusses final entscheidet. „Was wäre, wenn“ ist zum derzeitigen Zeitpunkt keine seriöse Betrachtung des für die Partei wichtigen Themas. Herr Helferich ist Ratsmitglied und Mitglied der Ratsfraktion. Und das vollkommen unabhängig von seinem Mitgliedsstatus.

Ergänzende Stellungnahme von Heiner Garbe als einfaches Mitglied des AfD-Kreisverbandes Dortmund:

„Am 5. Juni 2024 gab es ein Treffen des AfD-Kreisverbandes Dortmund zu dem Thema ,Parteiausschluss gegen Matthias Helferich bei gleichzeitigem Entzug der Mitgliedsrechte‘. Unterzeichnet wurde dort mit überwältigender Mehrheit ein Schreiben des Kreisverbandes an den NRW-Landesvorstand, in dem u.a. die hohen Verdienste von Matthias Helferich für die Partei insgesamt gewürdigt und die Solidarität mit ihm zum Ausdruck gebracht wurde.“

(Die Stellungnahme erreichte die Redaktion am Sonntagabend)


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