Vor 40 Jahren als einzigartiges Projekt in Europa in Betrieb genommen

Die H-Bahn in Dortmund verbindet als erstes vollautomatisches Verkehrsmittel zwei Uniflächen

Die H-Bahn 1995. Am 2. Mai 1984 wurde sie als einzigartiges Projekt bundesweit und in ganz Europa in Betrieb genommen. Foto: H-Bahn 21

Von Horst Delkus

Sie war – und ist – ein umweltfreundliches, innovatives Verkehrsmittel, die Nabelschnur zwischen Teilen der Universität und dem Technologiezentrum, ein Forschungs- und Technologieentwicklungsprojekt, ein Hoffnungsträger und Aushängeschild des modernen Dortmunds und vieles mehr: Die H-Bahn. 1,8 Millionen Fahrgäste im letzten Jahr, rund 44 Millionen seit der offiziellen Eröffnung, schwebten ohne direkte Emissionen, vollautomatisch, nur von einer Person im Leitstand überwacht und mit einer Ausnahme unfallfrei über den Campus. Heute vor 40 Jahren, am 2. Mai 1984, wurde die H-Bahn offiziell für den Verkehr freigegeben. Ein Rückblick. Und ein Ausblick in die Zukunft.

Vor der H-Bahn pendelten täglich rund 5.000 Pkw durch das dörfliche Barop

Bauarbeiten am Campus Nord Anfang der 80er. Foto: H-Bahn21

Als die Dortmunder Universität Ende der 1960er/ Anfang der 1970er entstand, gab es zwei Standorte: Im Süden ein Provisorium, das sogenannte Aufbau- und Verfügungszentrum, der heutige Campus Süd, und eine sogenannte Hauptbaufläche im Norden, der heutige Campus Nord.

Lehrkräfte und Studierende aber auch Hochschulbedienstete pendelten zwischen den beiden Teilen durch das noch dörfliche Barop. Zumeist mit dem Auto, gelegentlich mit dem Fahrrad. Bei einer Verkehrszählung wurden täglich 5.000 Pkw gezählt, die den Baroper Dorfkern belasteten. ___STEADY_PAYWALL___

Es musste was passieren. Auch sollten die beiden Uni-Standorte miteinander verbunden werden, um zentrale Einrichtungen wie das Rechenzentrum, die Mensa und die Bibliothek gemeinsam nutzen zu können. Eine direkte Verbindung gab dem Land Nordrhein-Westfalen darüber hinaus die Gelegenheit, ursprünglich geplante, teure Neubauten ersparen.

Alltagstauglichkeit: Konzept der H-Bahn muss erst überprüft und erprobt werden

Damals hatte vor allem ein Mann eine Idee, für die er mit der ihm eigentümlichen Beharrlichkeit und Klugheit warb und schließlich umsetzte:

Grundsteinlegung für die H-Bahn mit v.l. Reimut Jochimsen, NRW-Wirtschaftsminister, N. N., Günther Samtlebe, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, Reinhard Jünemann, H-Bahn-Geschäftsführer und Paul Velsinger, Rektor der Uni Dortmund. Foto: H-Bahn 21

Dr. Reinhard Jünemann, ein junger Maschinenbau-Professor mit dem Schwerpunkt Transport und Warenverteilung. Und guten Kontakten zur Industrie.

Der spätere Gründer des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik wusste von einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt für eine vollautomatische Großkabinenbahn der Firma Siemens in Erlangen, gemeinsam mit der Waggonfabrik Uerdingen auf ihrem Werksgelände in Düsseldorf.

In Erlangen hatte der Stadtrat mit einer Mehrheit von nur drei Stimmen den Bau einer Referenzstrecke abgelehnt. Diese war notwendig, um das neue Verkehrsmittel zu optimieren und als alltagstauglich zu demonstrieren.

In Dortmund entsteht eine Referenzstrecke zur Erprobung

Bauarbeiten am Campus Nord Anfang der 80er. Foto: H-Bahn21

In Dortmund auf dem Universitätsgelände aber hatte nicht der Rat der Stadt sondern das Land Nordrhein-Westfalen die letztendliche Entscheidung zu treffen.

Jünemann verstand es, viele Menschen für seine Idee zu gewinnen, die Entscheidungsträger zu überzeugen, eine solche Referenzstrecke in Dortmund auf dem Campus zu bauen und dafür entsprechende Förderzusagen zu erhalten.

Seitdem gilt er als „Vater der H-Bahn“, gründete die gemeinnützige H-Bahn-Gesellschaft und wurde deren erster Geschäftsführer.

Schon bei der Grundsteinlegung wurde weiter gedacht

Nach der Eröffnungsfahrt: Erleichterung, dass alles geklappt hat. Von rechts: Uni-Rektor Paul Velsinger, der „Vater der H-Bahn“ Reinhard Jünemann und Bundesforschungsminister Riesenhuber. Foto: H-Bahn 21

Am 3. September 1981 erfolgte die Grundsteinlegung durch den damaligen NRW-Wirtschafts- und vorherigen Wissenschaftsminister Reimut Jochimsen.

Bereits bei der Grundsteinlegung sprach Jünemann von einem weiteren Ausbau der H-Bahn, die in Zukunft auch Verbindungen zu anderen Dortmunder Stadtteilen schaffen könne.

Das Projekt, mit der die 1.100 Meter lange Verbindung zwischen den beiden Uniteilen in nur zwei Minuten zu bewältigen war, sollte 17 Millionen DM kosten (es wurden 24 Millionen), finanziert vom Bund und vom Land NRW durch das Aktionsprogramm Ruhr, ohne einen Pfennig der Stadt Dortmund.

Die verpflichtete sich lediglich, ebenso wie die beiden Herstellerfirmen, sich an den laufenden Betriebskosten zu beteiligen. Der Stahl für die Stützen und Träger der H-Bahn kam, das wird den damaligen Dortmunder Oberbürgermeister und ehemaligen Hoesch-Angestellten erfreut haben, aus Dortmund, von Hoesch.

Andrang der Gäste führt zu kleiner Panne bei der Eröffnung am 2. Mai 1984

Seit Inbetriebnahme hat die H-Bahn mehr als fünf Millionen Kilometer zurückgelegt und dabei fast 40 Millionen Fahrgäste emissionsfrei befördert.
Seit Inbetriebnahme hat die H-Bahn mehr als fünf Millionen Kilometer zurückgelegt und dabei fast 40 Millionen Fahrgäste emissionsfrei befördert. Foto: Alexander Völkel für nordstadblogger.de

Nach vielen bürokratischen Hürden, die zu überwinden waren, und einer langen Erprobungsphase erfolgte der Abschlusstest durch den TÜV im Januar 1984.

Am 2. Mai 1984 dann konnte die H-Bahn offiziell eröffnet werden. Begleitet von einem großen Aufgebot an Prominenz, einer Panne und von Protesten. Nicht gegen die neue Schwebebahn sondern für den Frieden und gegen die Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland.

Zu einer schnell behobenen technischen Panne kam es, als sich 60 gewichtige, darunter einige übergewichtige Persönlichkeiten in die Kabine drängten, um an der Jungfernfahrt teilzunehmen. Die Großraumkabine war aber nur für maximal 42 Personen ausgelegt, so dass die Türen nicht schlossen und die Bahn nicht abfahren konnte.

Erste vollautomatische Großkabinenbahn war damals einzigartig in Europa

Werbung des Ruhrgebietsverbandes KVR 1985 Bildquelle: KVR

Danach konnte die erste vollautomatischen Großkabinenbahn, ein „bundesweit einzigartiges Projekt“ und selbst in Europa bis dato einmaliges Verkehrsmittel ihren regulären Betrieb aufnehmen. Zunächst war eine modellhafte Erprobung für zwei Jahre vorgesehen.

Ab Januar 1986 fuhr die H-Bahn im Normalbetrieb. Die Versuchsphase war beendet. Über eine Millionen Fahrgäste waren bis dahin unfallfrei transportiert worden. „Wer in Dortmund studiert“, warb der Kommunalverband Ruhr mit der H-Bahn in einer großen Anzeigenkampagne, „wird automatisch befördert.“

1993 erfolgte eine Erweiterung der Fahrstrecke mit den neuen Haltestellen an der Stockumer Straße und dem S-Bahn-Haltepunkt Dortmund Universität (hier zu sehen). Foto: H-Bahn21

Im Dezember 1993 erfolgte eine Erweiterung der Fahrstrecke um 900 Meter mit neuen Haltestellen an der Stockumer Straße in Eichlinghofen und am S-Bahn-Haltepunkt Dortmund-Universität an der Uni-Bibliothek.

Eine weitere Verlängerung um 1200 Meter bis zum Technologiezentrum und damit in den den Technologiepark wurde im Dezember 2003 eröffnet. Seitdem hat das gesamte Streckennetz der H-Bahn eine Länge von fast 3200 Metern.

Elmar Middeldorf: „Die Erfahrungen der H-Bahn sind Gold wert.“

H-Bahn21-Geschäftsführer Elmar Middeldorf Foto: Jochen Linz für DSW21

Da ihre Betreibergesellschaft seit 1995 eine hundertprozentige Tochter der Dortmunder Stadtwerke ist, wird immer wieder über eine stärkere Anbindung an das Verkehrsnetz der Stadtwerke nachgedacht.

Dabei gibt die Verkehrswende und die Debatte um „autonomes Fahren“ der H-Bahn neuen Aufschwung. Denn, so Elmar Middeldorf, Geschäftsführer der H-Bahn-Betreibergesellschaft: „Die Erfahrungen der H-Bahn sind Gold wert.“

H-Bahn soll an das Verkehrsnetz der Stadtwerke angeschlossen werden

Grobe Skizze der möglichen Anbindung des Stadtquartiers „Smart Rhino“ bis zum Fredenbaum.
Grobe Skizze der möglichen Anbindung des Stadtquartiers „Smart Rhino“ bis zum Fredenbaum. Visualisierung: H-Bahn21

Ein im vergangenen Jahr vorgestelltes Verkehrsgutachten bestätigte die Wirtschaftlichkeit von zwei Ausbaumaßnahmen: Die Verlängerung um etwa vier Kilometer Richtung Hauert, Hafen und Fredenbaum und so die Anbindung an die U41 sowie den Bau einer Teststrecke zur Erprobung eines neuen Automatisierungssystems, unabhängig vom aktuellen Fahrbetrieb, mit anschließender Erweiterung zum Theodor-Fliedner-Heim.

Diese ermöglicht, die H-Bahn an die Linie U42 der Stadtbahn Richtung Hombruch und Grevel sowie an die Westfalenhallen und und das Westfalenstadion.

Stadtrat entscheidet noch über weitere Entwicklung des Streckennetzes

Grobe Skizze der möglichen U42-Anbindung
Grobe Skizze der möglichen U42-Anbindung Visualisierung: H-Bahn21

Mit der ersten Trasse sollte das „Smart Rhino“-Projekt auf dem ehemaligen Hoesch-Union Gelände in Dorstfeld erschlossen werden. Da die Konzentration der Fachhochschule auf diesen Standort als Herzstück des Projekte geplatzt ist, ist die Planung für diesen Fahrweg erst einmal hinfällig.

Für die zweite Trasse wird derzeit eine Ratsvorlage vorbereitet. Danach soll eine 800 Meter lange Teststrecke erprobt werden; in einem zweiten Bauabschnitt könnte dann die 1200 Meter lange Anbindung an das Theodor-Fliedner-Heim realisiert werden.

Wird der Rat zustimmen, soll das Projekt Ende des Jahres in die ÖPNV-Bedarfsplanung gehen und wäre damit förderfähig: 95 Prozent der Kosten in Höhe von 35 Millionen Euro tragen dann Bund und Land; fünf Prozent verblieben bei der Stadt.

Das Streckennetz Foto: H-Bahn 21

Viel Geld für zwei Kilometer Ausbaustrecke. Aber der Ausbau der H-Bahn, sagen Experten, sei deutlich günstiger als konkurrierende Transportsysteme.

Die Umsetzung soll, so die Planung, ab 2027 erfolgen. Das umweltfreundliche, innovative Verkehrsmittel H-Bahn hat also weitere Entwicklungsperspektiven. So wie es die Ruhrgebietsverbands-Werbung aus dem Jahr 1985 bereits verkündete: „In Dortmund verkehrt die Zukunft.“


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Reader Comments

  1. Ingo St.

    Leider sind alle 20 Meter Länge Stelzen in 10 Meter Höhe nicht so smart wie es in Trassenzeichnungen aussieht. Ein Eingriff durch das Emschertal oder Schönau ist auch ein Eingriff in die Natur.
    Da sollten mehr als nur Alibi-Bürgerversammlungen durchgeführt werden.

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