Grund sind die Aktivitäten des BVT-Ratsmitglieds Emre Gülec für DITIB

Die Grünen lehnen die Zusammenarbeit mit der neuen Ratsfraktion „Volt und Vielfalt“ ab

Im Stadtrat steht ein erneutes Stühlerücken an, weil es mit „Volt & Vielfalt“ eine neue Ratsfraktion gibt. Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Noch bevor die neue Fraktion „Volt & Vielfalt“ ihre erste Ratssitzung hat, gibt es schon Diskussionen und Probleme. Denn obwohl der Name der Fraktion es naheliegen würde, wollen ausgerechnet die Grünen nicht mit der neuen Fraktion im Rat zusammenarbeiten. Das liegt am zuvor fraktionslosen Ratsmitglied Emre Gülec und seinem Engagement für „DITIB – Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.“.

Die Grünen lehnen die Zusammenarbeit mit einem DITIB-Vertreter ab

Die Grünen-Ratsfraktion hatte am Montag den Beschluss gegen eine Zusammenarbeit gefasst: „Wir haben uns entscheiden, dass wir nicht mit Fraktion Volt und Vielfalt zusammenarbeiten, keine gemeinsame Anträge stellen, keine Mehrheitsfindungsprozesse und auch keine aktive Zusammenarbeit anstreben”, stellt Fraktionssprecherin Katrin Lögering auf Nachfrage von Nordstadtblogger klar. Die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit Emre Gülec gibt es bei den Grünen seit 2020. Das war allen Fraktionen bekannt und wurde auch mit Antje Joest – früher FDP jetzt Volt – thematisiert. ___STEADY_PAYWALL___

Katrin Lögering (Grüne)

Gülec zeigt sich empört über die Ausgrenzung und reagierte mit einer langen Stellungnahme. Die Grünen können das nicht verstehen. Denn ihre Position ist nicht neu: Bereits vor der letzten Kommunalwahl hatte es Auseinandersetzungen innerhalb der Grünen mit Emre Gülec gegeben, der zehn Jahre Mitglied der Partei war.

Allerdings ist er nicht nur lange Jahre Mitglied des Integrationsrats, sondern ebenfalls Gemeindevorsteher einer vergleichsweise moderaten Moscheegemeinde und auch im Landesvorstand der DITIB sehr aktiv.

Genau daran stoßen sich die Grünen: Denn die fast 900 DITIB-Moscheegemeinden in Deutschland unterstehen der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Die DITIB wird  – so die Kritiker:innen – aus Ankara gesteuert. In den vergangenen Jahren sorgte das immer wieder für scharfe Kritik und für Schlagzeilen. Denn nicht wenige DITIB-Gemeinden machten in den vergangenen Jahren in Deutschland offensiv Politik und auch Wahlkampf für den türkischen Präsidenten Ecep Tayyip Erdoğan und seine Partei AKP. 

Zudem wurde in diversen Moscheen für den Sieg der türkischen Gruppen im Kampf gegen Kurd:innen in Syrien gebetet – nationalistische Töne gehören dort mitunter zum Alltag. Auch von Ausspionieren kritischer Landsleute durch Gemeindevorstände und Imame war die Rede.

Disput führte zum Austritt der Grünen und zur BVT-Gründung

Das Engagement für den DITIB-Landesverband sei der Grund für die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit Emre Gülec gewesen, so Lögering. „Nach außen suggeriert DITIB, dass sie eine religiöse Organisation ist. Aber sie ist eine politische Organisation, was im Endeffekt bedeutet, dass viel aus Ankara gesteuert wird“, betont Lögering.

„Da werden Positionen durchgedrückt in unsere Gesellschaft, die wir ablehnen“, sagte sie mit Blick auf eine Vielzahl von bekannt gewordenen Vorfällen außerhalb von Dortmund. Der Grünen-Kreisverband hatte daher schon vor der letzten Kommunalwahl abgelehnt, das Grünen-Mitglied Emre Gülec für den Stadtrat aufzustellen, obwohl dieser gute Kontakte in migrantischen Communities hat und sich seit Jahren für deren Belange engagiert.

Fatime Sahin ist für die neu gegründete BVT in die Bezirksvertretung Innenstadt-Nord gewählt worden. Foto: Mustafa Sirin
Fatime Sahin wurde für die neu gegründete BVT in die BV Innenstadt-Nord gewählt – mittlerweile ist sie zu den Grünen gewechselt. Foto: Mustafa Sirin

Emre Gülec war daraufhin bei den Grünen ausgetreten und hatte mit weiteren Mitstreiter:innen erfolgreich die Dortmunder Wählervereinigung Bündnis für Vielfalt und Toleranz (BVT) gegründet. Er selbst errang für die BVT 2020 erstmals ein Ratsmandat, welches er nun in die neu gegründete Fraktion „Volt & Vielfalt“ eingebracht hatte. 

Auch in der Nordstadt-Bezirksvertretung hatte die BVT einen Sitz errungen. Doch die BV-Vertreterin Fatime Sahin hat mittlerweile dem BVT den Rücken gekehrt und sich der Grünen-Fraktion in der Nordstadt angeschlossen. Vorangegangen war eine Vielzahl von Gesprächen, um die gemeinsamen Werte abzuklopfen. Da sie aber nicht wie Gülec bei DITIB aktiv ist, war dies letztendlich kein Problem.

Gülec verweist auf vielfältige Kontakte zur demokratischen Stadtgesellschaft

„Die Entscheidung der Grünen, aufgrund meines Engagements bei DITIB nicht mit der Fraktion Volt und Vielfalt zusammenzuarbeiten, ist für mich enttäuschend und schwer nachvollziehbar. Seit über 30 Jahren engagiere ich mich aktiv in der Dortmunder Kommunalpolitik, insbesondere im Bereich Integration und interkultureller Dialog“, kritisiert Emre Gülec. 

Emre Gülec (BVT) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Zwischen 1995 und 2020 war ich Mitglied des Ausländerbeirats und später des Integrationsrats, davon rund zehn Jahre im Vorstand. In all diesen Jahren habe ich stets bewiesen, dass ich fest an demokratische Werte und die Grundsätze unserer Gesellschaft glaube und danach handle”, betont der BVT-Vertreter.

„Besonders irritiert mich diese Entscheidung auch deshalb, weil ich selbst zehn Jahre lang Mitglied der Grünen war, bevor ich 2020 meine eigene Wählergemeinschaft gegründet habe. Viele der aktuellen Grünen-Mitglieder kennen mich sehr gut aus der Zeit unserer Zusammenarbeit. Sie wissen um meine Haltung und meine enge Verbundenheit zu demokratischen Werten. Einige von ihnen waren sogar Gäste in der Moschee in Huckarde, in der ich als Vorstandsvorsitzender tätig bin“, betont das Ratsmitglied.

Jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit mit Stadt und Land als Referenz

Er verweist darauf, dass er als basisdemokratisch gewähltes Vorstandsmitglied des DITIB-Landesverbands NRW die Interessen von über 200 Moscheegemeinden und Hunderttausenden Gemeindemitgliedern in Nordrhein-Westfalen vertrete: „Diese Funktion wird auch auf Landesebene anerkannt. Ich führe regelmäßige Gespräche mit Landtagsfraktionen und der Landesregierung, etwa zu Themen wie dem islamischen Religionsunterricht, und war bereits in den Austausch mit dem Landtagspräsidenten sowie verschiedenen Ministerien eingebunden”, argumtiert Gülec.

Der Rat der muslimischen Gemeinden in Dortmund und der Integrationsrat hatten gemeinsam zum Iftar eingeladen.
Der Rat der muslimischen Gemeinden in Dortmund und der Integrationsrat hatten die Politik gemeinsam zum Iftar im Keuning-Haus eingeladen. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

„Darüber hinaus bin ich als stellvertretender Sprecher des Rates der muslimischen Gemeinden in Dortmund ebenfalls demokratisch gewählt. In dieser Funktion vertrete ich über 40 Moscheevereine in Dortmund und führe regelmäßige Gespräche mit unserem Oberbürgermeister über die Belange der muslimischen Bürgerinnen und Bürger“, betont der BVT-Gründer.

„Diese Zusammenarbeit zeigt, dass meine Position als gewählter Vertreter der Muslime auf Landes- und kommunaler Ebene geschätzt wird. Umso unverständlicher ist es für mich, dass die Grünen hier in Dortmund den Dialog mit mir ablehnen. Wenn die Grünen nicht bereit sind, mit mir, einem basisdemokratisch gewählten Vertreter, zu sprechen, stellt sich die Frage: Mit wem möchten sie dann in Dortmund in den Dialog treten?“

BVT-Ratsmitglied hofft auf ein Umdenken bei den Grünen

Darüber hinaus fragt er die Grünen: „Wenn Sie aufgrund meines Engagements im DITIB-Landesvorstand die Zusammenarbeit mit meiner Fraktion im Rat ablehnen, wie stehen Sie dann zum Rat der muslimischen Gemeinden in Dortmund? Auch dort bin ich stellvertretender Sprecher und vertrete über 40 Moscheevereine. Werden Sie auch den Dialog mit diesem Gremium infrage stellen? Diese Ausgrenzung wäre ein fatales Signal für die muslimische Gemeinschaft in Dortmund und für den interreligiösen Dialog insgesamt.”

Bilden die Fraktion „Volt & Vielfalt“: (v.li.) Christian Gebel wechselte von den Piraten und Antje Joest von der FDP zu Volt. Emre Gülec bleibt beim BVT. Foto: Daniel Staiger

„Eine solche Haltung empfinde ich nicht nur als falsch, sondern auch als kontraproduktiv. Gerade in einer pluralistischen Gesellschaft ist es wichtig, Brücken zu bauen, miteinander zu reden und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Demokratisch gewählte Vertreter wie ich sollten dabei nicht diskriminiert oder ausgeschlossen werden, sondern als Teil der Lösung anerkannt sein”, betont Emre Gülec.

„Ich hoffe, dass die Grünen ihre Entscheidung überdenken und den konstruktiven Dialog wieder suchen. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam mehr für Dortmund und seine Bürgerinnen und Bürger erreichen können. Gleichzeitig bin ich zuversichtlich, dass andere Fraktionen bereit sein werden, mit Volt und Vielfalt partnerschaftlich und sachorientiert zusammenzuarbeiten“, so das Ratsmitglied.


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