Ein gemeinsames Zeichen gegen Hass und Gewalt setzen Vertreter:innen der Dortmunder Glaubensgemeinschaften im Schulterschluss mit der Stadt: „Aufruf an die Dortmunder Jugend“ ist der Appell überschrieben.
„Wir müssen gemeinsam alles dafür tun, dass diese Zukunft friedlich bleibt“
Darin heißt es u.a.: „Für uns ist jetzt nicht die Zeit für große Worte. Es ist an der Zeit für gemeinsames Handeln. Deshalb wenden wir uns heute an die Stadtgesellschaft und vor allem an die jungen Menschen in unserer Stadt. Euch gehört die Zukunft. Und wir müssen gemeinsam jeden Tag alles dafür tun, dass diese Zukunft friedlich bleibt. Wir wissen, dass das auch euer Wunsch ist. Deswegen hoffen wir, dass unsere Worte auch eure Herzen erreichen werden.“
Und weiter: „Das von der Hamas verübte Massaker an der jüdischen Bevölkerung in Israel hat jeden mitfühlenden Menschen entsetzt. Diese Botschaft des Hasses gegen alle Jüdinnen und Juden macht uns klar, dass die Hamas die totale Auslöschung allen jüdischen Lebens anstrebt. Das können wir niemals hinnehmen. Auch appellieren wir an alle Seiten, sich für die Freilassung der verschleppten Geiseln einzusetzen.“
„Wir betonen aber auch, dass die Terrororganisation Hamas nicht mit den Palästinenserinnen und Palästinensern gleichzusetzen ist. Ihr Leid in Gaza und dem Westjordanland muss uns alle bewegen. Sie haben das Recht auf ein friedliches, gutes und selbstbestimmtes Leben. Dafür haben wir uns in Dortmund immer eingesetzt. Wir appellieren an alle Seiten, sich für die Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza einzusetzen“, heißt es im „Aufruf an die Dortmunder Jugend“.
Kein Raum für Hass und Gewalt – gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit
Die klare Botschaft: „Menschen, die das infrage stellen oder allen Palästinensern oder gar allen Muslimen unterstellen, für Hass und Terror zu sein, sind bei uns in Dortmund nicht willkommen. Wer die Ereignisse für seinen Antisemitismus oder seine Islamfeindlichkeit ausnutzen will, ist bei uns in Dortmund nicht willkommen.“
„Wir haben eine große Tradition in dieser Stadt, mit den Abrahams-Religionen gemeinsam zu arbeiten. Wir machen gerne mit und bringen uns gerne ein, damit das gemeinsame religiöse und städtische Leben in dieser Stadt weiter gut funktioniert“, begründete OB Thomas Westphal den gemeinsamen Vorstoß.
„Bei allen Konflikten in der Welt dürfen wir die Probleme nicht in die Dortmunder Straßen holen“, warnte der OB vor gesellschaftlicher Polarisierung. Dabei gehe es nicht darum, Sichtweisen zu verwischen und die Meinungsfreiheit zu beschränken. „Die Dinge zu benennen, ist das eine. Aber miteinander friedlich zu leben, ist das andere“, appellierte Westphal und rief daher zur Besonnenheit auf.
Gleichgültigkeit gegen über Hass und Terror als größte Bedrohung demokratischer Werte
Rabbiner Avigdor Moshe Nosikov bedankte sich im Namen der Jüdischen Gemeinde für die Initiative, die das friedliche Zusammenleben der Vertreter aller Nationen und Religionen einfordert. Auch den anderen Konfessionen dankte er für den gemeinsamen Einsatz gegen Antisemitismus und Hass.
„Die größte Bedrohung für liberale demokratische Werte, die Werte des modernen Deutschlands und der Europäischen Union ist die Gleichgültigkeit gegenüber Hass und Terrorismus, die in einigen Teilen der Bevölkerung vorherrscht“, so der Rabbiner.
„Ich hoffe, dass das Recht auf Leben und das Recht auf Sicherheit nicht nur leere Worte sind, sondern ein Leitfaden für das Handeln. Und dass die Rechte nicht selektiv angewendet werden, sondern für jeden Menschen gelten, den Gott erschaffen hat“, so Nosikov.
„Wir wollen hier in Dortmund in Frieden zusammenleben, als Juden, Christen und Muslime“
Ahmad Aweimer als Sprecher des Rates der Muslimischen Gemeinden in Dortmund (RMGD) erinnerte an die lange überkonfessionelle und interreligiöse Zusammenarbeit und zitierte aus dem gemeinsamen Appell der muslimischen Gemeinden vom 12. Oktober. „Der Appell des RMGD an die Dortmunder lautet, sich nicht von externen Konflikten beeinflussen zu lassen, Frieden und Verständigung anzustreben und Sicherheit sowie Wohlstand für alle zu wünschen“, so Aweimer.
In Bezug auf die Gemeinsame Erklärung von Juden, Christen und Muslimen zitierte er aus der gemeisamen Erklärung aus dem Jahr 2009: „Aber in einem sind wir ganz einig: Wir wollen hier in Dortmund in Frieden zusammenleben, als Juden, Christen und Muslime. Die gute Nachbarschaft ist uns viel wert. Wir wollen miteinander leben und nicht nur nebeneinander her. Darum sind wir trotz unserer Unterschiede gemeinsam überzeugt: Der Dialog der Religionen ist nötiger denn je. Er soll und er muss weitergehen wie in den vergangenen Jahren.“
Dazu stehe der RMGD fest und wolle sich weiter gemeinsam gegen Hass und Gewalt einsetzen. Ahmad Aweimer schlug vor, als ein konkretes Zeichen die gemeinsame Toleranzkampagne „Wir alle sind Dortmund“ neu aufzulegen. Diese war 2015 ins Leben gerufen worden.
Gemeinsam gegen jegliche Form des Antisemitismus und Schuldumkehr
„Es liegt außerhalb unserer Vorstellungskraft, wie sich das anfühlt und was das bedeutet, was am 7. Oktober geschehen ist“, zitiert Propst Andreas Coersmeier die Worte von Annette Kurschus, der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland. „Als Katholische und Evangelische Kirche in Dortmund haben wir der jüdischen Kultusgemeinde unsere Anteilnahme nach dem barbarischen Angriff der Hamas auf Israel auf unterschiedlichen Wegen ausgedrückt und wiederholen dies heute mit Nachdruck.“
„Wir sind solidarisch mit Israel. Wir sind solidarisch mit Jüdinnen und Juden hier bei uns in Dortmund. Und es beschämt uns, wenn wir in Gesprächen erfahren, dass Jüdinnen und Juden in Dortmund sich fast 80 Jahre nach dem Holocaust bei uns nicht mehr sicher fühlen und in Angst leben“, so Coersmeier.
„Als Christinnen, Christen und Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft sind wir jetzt gefordert, gemeinsam gegen jegliche Form des Antisemitismus einzutreten. Dazu zählt auch, dass wir einer rhetorischen Schuldumkehr in den aktuellen Debatten und Demonstrationen deutlich widersprechen. Es gibt aus unserer Sicht kein „Ja, aber“. Es war und ist das Ziel der terroristischen Hamas, Friedensabkommen in Nahost zu torpedieren und genau diesen Krieg herbeizuführen, unter dem die Menschen in Israel und Gaza nun auf unvorstellbar schreckliche Weise leiden“, so der Stadtdechant der Katholischen Kirche.
Keinen Raum für Antisemitismus und Israelhass, ebenso wenig für Islamfeindlichkeit
„Wir als Dortmunderinnen und Dortmunder, als jüdische, christliche und muslimische Menschen stehen in bewährter Weise zusammen und treten Hass und Gewalt in unserer Stadt wie auch in unseren eigenen Gemeinden nachhaltig entgegen. Es darf keinen Raum geben für Antisemitismus und Israelhass, ebenso wenig für Islamfeindlichkeit“, ergänzte Superintendentin Heike Proske im Namen der Evangelischen Kirche.
„Kriegstreiber versuchen fast immer, Konflikte religiös aufzuladen und so weiteren Unfrieden in Gesellschaften und zwischen den Religionen zu stiften. Dagegen verwehren wir uns als gläubige Menschen mit Worten und mit unserem Handeln, wie wir es seit langem im vertrauensvollen interreligiösen Dialog in unserer Stadt tun“, so Proske.
„Unsere Religionen wollen Frieden. Er ist das höchste Ziel – weltweit und bei uns in Dortmund. Deshalb können wir als religiöse Menschen Zeichen setzen für Frieden und Toleranz im Gebet und im praktischen Tun“, betonte die Superintendentin.
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Die liberale Gesellschaft und ihr autoritärer Zeitgeist (PM Attac)
Eine für die liberale Gesellschaft bedrohliche Entwicklung lässt sich weltweit feststellen: AfD in Deutschland, Le Pen in Frankreich, Meloni in Italien als wenige Beispiele. Nach den tiefer liegenden Ursachen fragt Mario Neumann von medico international am Montag (20.11.) um 19 Uhr in einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung von DGB und Attac in der Auslandsgesellschaft.
Für den Referenten ist diese rechte Entwicklung auch Ausdruck enttäuschter Erwartungen und nicht eingelöster Zukunftsversprechen. Die Mitte der Gesellschaft reagiert darauf selbst mit Autoritarismus, so Mario Neumann, wofür er als Beispiele die Reaktionen auf Corona und jetzt neu auf den Ukraine-Krieg sieht.
Wer online teilnehmen möchte, melde sich bitte mit vollem Namen und Anschrift an bei Strucksberg[ät]posteo.de. Die Daten benötigt das DGB-Bildungswerk zur Förderung der Veranstaltung; sie werden nicht zu Werbezwecke weiter gegeben.
Israel und Gaza – quo vadis? zu Gast: Dr. Gil Yaron (Leiter Büro der Landesregierung NRW in Tel Aviv) (PM Auslandsgesellschaft)
Seit den Geschehnissen vom 07. Oktober 2023 und dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel schauen wir noch erschütterter und besorgter in den Nahen Osten. Wir stehen dabei vor der Herausforderung, all diese Bilder, Taten und Gefühle einzuordnen und die uns zu Verfügung stehenden Informationen zu verarbeiten. In den Medien kursieren viele Falschmeldungen oder manipulierte Bilder zu der aktuellen Situation. Gleichzeitig zeigt der Krieg zwischen Israel und der Hamas auch hierzulande seine Folgen.
Um über die Lage in Israel und Gaza zu sprechen, haben wir Gil Yaron, den Leiter des Büros der Landesregierung Nordrhein-Westfalen in Tel Aviv zum Gespräch eingeladen.
Mittwoch, 10.01.2024 – 17:00 Uhr
Israel und Gaza – quo vadis?
zu Gast: Dr. Gil Yaron (Leiter Büro der Landesregierung NRW in Tel Aviv)
Ort: Auslandsgesellschaft.de
Eintritt frei
Anmeldung erbeten unter veranstaltungen@auslandsgesellschaft.de
Nicholas Potter und Stefan Lauer stellen ihr Buch „Judenhass Underground“ in der Kultur-Bar „Nordpol“ vor (PM)
Die Dortmunder Initiative für Gesellschaftskritik und die Kollektivkneipe „Stallgasse“ laden die beiden Herausgeber des Sammelbandes „Judenhass Underground“ Nicholas Potter und Stefan Lauer am 26. Januar 2024 in den Nordpol ein, um über Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen zu diskutieren.
„Antisemitismus gibt es auch in linken Milieus und in der Kulturszene. Wir wollen darüber sprechen und Gegenstrategien aufzeigen“, nennt Yohan Fischer von der „Initiative für Gesellschaftskritik“ die Gründe für die Organisation der Buchvorstellung. In ihrem Buch beschreiben die beiden Autoren Antisemitismus in Subkulturen und Bewegungen mit einem progressiven und emanzipatorischen Selbstbild, darunter die Klimabewegung, queere Communities, feministische Bündnisse sowie die Techno-, Hiphop-, Punk- und Hardcoreszene. Dabei soll deutlich werden, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist und auch in linken und progressiven Kreisen einem selbstkritischen, aber konstruktiven Blick unterzogen werden muss.
Bei ihrer Buchvorstellung wollen die beiden Autoren sowohl die Ursachen dieses Antisemitismus als auch Möglichkeiten, diesem praktisch zu begegnen beleuchten. „In der Dortmunder Nordstadt ist viel alternative Subkultur zuhause. Deshalb finden wir es hier besonders wichtig, dort gemeinsam über Antisemitismus ins Gespräch zu kommen“ erklärt Yohan Fischer.
Der Sammmelband „Judenhass Underground“ erschien 2023 im Hentrich & Hentrich Verlag. Die beiden Herausgeber beschäftigen sich journalistisch mit den Themen Antisemitismus und Rechtsextremismus. Die Buchvorstelllung im Nordpol (Bornstraße 144, 44145 Dortmund) beginnt um 19:00 Uhr. Der Eintritt ist frei.