Die Steinwache ist seit über 30 Jahren ein wichtiger Ort der Erinnerung an die NS-Geschichte in Dortmund. Tausende haben hier jedes Jahr in der Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933 – 1945“ Geschichten über den Schrecken der NS-Herrschaft erfahren. „Die Ausstellung war herausragend zur damaligen Zeit, aber sie muss dringend modernisiert werden“, so Dr. Stefan Mühlhofer, Leiter des Stadtarchivs und der Kulturbetriebe. Aber nicht nur die Ausstellung soll neugestaltet werden, sondern auch das denkmalgeschützte Gebäude, ein ehemaliges Polizei-Gefängnis.
Entstehen sollen auch Seminarräume für Besuchergruppen und Vermittlungsarbeit
Die Umbaupläne stehen schon seit 2019, da hatte der Rat den Grundsatzbeschluss getroffen. Im Dezember 2023 folgte dann der Baubeschluss. In der neuen Ausstellung sollen die Insassen des Polizeigefängnissen im Mittelpunkt stehen. Eine Neueröffnung wird für Mitte 2028 – passend zum 100-jährigen Bestehen – ins Auge gefasst.
Die Steinwache bekommt einen Anbau mit einem neuen Eingangsgebäude und einem L-förmigen Gebäuderiegel, der wie eine Burgmauer um dasGebäude führt. Hier sollen zum Beispiel Seminar- und Veranstaltungsräume entstehen.
Der Umbau beginnt im Juni, mit der Fensterfront an der Westseite. Die Ausstellung schließt dann Ende Mai. Der Fensterkomplex wird ausgebaut und restauriert – die Arbeiten müssen bei einer Spezialfirma erledigt werden. Das neue Empfangsgebäude an der Westseite inklusive neuer Seminar-, Ausstellungs-, und Veranstaltungsräume planen die Architekten „Konermann + Siegmund“ aus Lübeck, die 2019 den Auswahl-Wettbewerb gewonnen haben.
Für den Neubau sollen im Herbst 2025 die Bagger anrollen und das Fundament ausheben. Ein Teil des Gebäudes wird „unten“ verlegt um das Denkmal nicht zu sehr zuzubauen. Dies geschieht in enger Absprache mit der Denkmalbehörde.
Gesellschaftsgeschichte wird in der neuen Ausstellung im Mittelpunkt stehen
Wer das Gebäude saniert und die Ausstellung erarbeitet, steht bereit seit 2016 fest – das Architekturbüro Demirag aus Stuttgart ist damit beauftragt. „In der neuen Dauerausstellung stehen die Insassen des Polizeigefängnissen im Vordergrund. Dazu gehören neben Juden und den politischen Verfolgten auch gesellschaftliche Minderheiten, deren Schicksale bislang in der Ausstellung nicht erzählt wurden“, erklärt Dr. Markus Günnewig, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache das neue Konzept.
Dazu gehören verfolgte Obdachlose, Prostituierte, Menschen, die am Rande der Gesellschaft lebten. Dabei werden starke Aktualitätsbezüge möglich: Wie geht die Gesellschaft heute mit Minderheiten um? Aber auch die Täter, wie zum Beispiel die Polizei zur NS-Zeit, wollen die Ausstellungsmacher:innen stärker in den Mittelpunkt rücken.
„Nur wenn man die Rolle der Verantwortlichen einbezieht und den ganzen Fall sieht, kann Geschichte begriffen werden“, so Dr. Markus Günnewig. Zur modernen Inszenierung gehört beispielsweise auch ein extra produzierter Filme und Interviews mit Zeitzeug:innen. Gefängnisalltag und die Geschichten der Menschen stehen im Vordergrund.
Die Sanierung soll die Steinwache möglichst in den Originalzustand versetzen
Wichtigstes Ausstellungsstück ist dabei die Steinwache selbst: Dazu werden die 40 Räume neu aufgeteilt und der Rundgang neu gestaltet. Es gibt Funktionsräume wie den ehemaligen Aufnahmeraum, und die Zellen, in denen in der NS-Zeit rund 66 000 Menschen inhaftiert waren.
Durch die Sanierung soll die Steinwache so gut es geht in den Originalzustand versetzt werden. Restauriert werden Beton, Bodenbeläge, Außenputz und Fenster. Ende Mai wird dazu die Dauerausstellung geschlossen.
Das Bildungs- und Veranstaltungsprogramm läuft aber an wechselnden Orten weiter. Wie etwa dem Stadtarchiv oder dem Dietrich-Keuning-Haus. Ziel ist es, die Ausstellung Mitte 2028 neu zu eröffnen.
Der Rat der Stadt Dortmund hat Baukosten in Höhe von rund 18 Millionen Gesamtkosten bewilligt. Das Projekt wird gefördert durch Bund, das Land NRW und den Landschaftsverband Westfalen Lippe.
Seit 30 Jahren ein zentraler Ort zum Erinnern und Gedenken in Dortmund
Die ständige Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ ist seit Oktober 1992 in dem Gebäude an der Steinstraße zu sehen. Kurz nach Kriegsende im August 1945 fand auf dem Hansaplatz eine erste „Trauerkundgebung“ für die „Gemordeten des Faschismus“ statt, bei der die beiden Verfolgten Fritz Henßler (SPD) und Josef Smektala (KPD) sprachen. Vor allem das Gedenken in der Bittermark an die über 200 von der Gestapo Ermordeten war seitdem ein zentraler Kristallisationspunkt der NS-Erinnerung in Dortmund.
Der Ratsbeschluss zur Schaffung der Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ war ein weiterer Meilenstein im Jahr 1978. Die Ausstellung wurde zunächst im Foyer des Rathauses und anschließend an zahlreichen Schulen und in Dortmunder Partnerstädten gezeigt. Sie war Ausdruck eines wachsenden Interesses am Thema des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.
Parallel entstanden verschiedene Initiativen zum Erhalt des zwischen 1928 und 1958 als Polizeigefängnis genutzten Gebäudes an der Steinstraße, der „Steinwache“. Schließlich öffnete hier im Oktober 1992 die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache mit einer erweiterten Version von „Widerstand und Verfolgung“ als Dauerausstellung. Sie ist seit nunmehr 30 Jahren der zentrale Ort zur Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus in Dortmund.
Reaktionen
Ulrich Sander (VVN-BdA)
Zum Raum 7 der jetzigen Ausstellung: Er soll künftig entfallen. Im Rahmen der „dringend notwendigen Modernisierung“ ist ein Hinweis auf die Rolle großer, den Faschismus fördernder und an ihm profitierender Wirtschaftskreise offenbar nicht mehr erwünscht. Es bleiben jedoch außerhalb der Steinwache diese Infos erhalten:
https://r-mediabase.eu/gedenkstaette-steinwache-dortmund-raum-7/ ;
http://www.verbrechen-der-wirtschaft.de/texte/0126_steinwache_raum7.htm ;
Ferner „Von Arisierung bis Zwangsarbeit – Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ (hg. von U.Sander bei papy rossa Köln) sowie aus der Feder des ehemaligen Stadtarchivleiters Gustav Luntowski „Hitler und die Herren an der Ruhr – Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten Reich“ , Peter Lang-Verlag.
Unerwähnt bleibt leider in den derzeitigen Medienberichten die Tatsache, dass der Grundstein für die Ausstellung von den überlebenden Widerstandskämpfern, den verfolgten Kommunisten und Sozialdemokraten, gelegt wurde. Sie schufen die erste Fassung der Ausstellung. Ihre Losung war im Schwur von Buchenwald verankert, in dem von der „Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln“ die Rede war. Und dazu gehören die Wurzeln, wie sie im Titel des Raum 7 der jetzigen Ausstellung benannt werden: Die Ruhrindustrie setzt auf Hitler. Nicht vergessen werden darf auch, dass es die Jugend, der Jugendring waren, die die Steinwache vor dem Abriss bewahrt haben, und zwar in einer starken öffentlichen Bewegung.