Deutsch lernen mit Job-Perspektive: VHS und EDG haben ein neues Programm für Zuwanderer aus Südosteuropa aufgelegt

Emil Dimitrov (30, li.) Atanas Dimitrov (22, 2.v.li.) und Yuzdzan Myuslyum (40, re.) sind Teilnehmer - im Hintergrund ihr Dozent Patrick Pappert.
Emil und Atanas Dimitrov sowie Yuzdzan Myuslyum nehmen teil – Patrick Pappert ist ihr Dozent.

Atanas (22) und Emil Dimitrov (30) schauen mittlerweile zuversichtlich in die Zukunft. Denn in Bulgarien, wo die beiden Brüder herkommen, haben sie keine Perspektive für sich gesehen. In Dortmund war das bisher allerdings auch schwierig – denn Deutsch konnten sie kaum. Das hat sich für die Neubürger aus der Nordstadt mittlerweile geändert: Sie lernen fleißig Deutsch in der Volkshochschule – mit einer Job-Perspektive.

Neues Programm unterstützt die berufsbezogene Sprachförderung

Möglich macht das das sperrig klingende Kooperationsprojekt „Berufsbezogene Sprachförderung Deutsch“ von Volkshochschule Dortmund und Entsorgung Dortmund (EDG) für Zuwanderer aus Südosteuropa an, das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes NRW finanziert wird.

Bislang leben in Dortmund leben viele Neuzuwanderer aus Bulgarien und Rumänien, denen der hiesige Arbeitsmarkt aufgrund fehlender Qualifikationen kaum Chancen bietet. Hier setzt das Projekt an.

Im Seminar verbessern die Teilnehmenden nicht nur ihre Sprach- und Fachkompetenz, sondern sie wenden erworbene Kenntnisse konkret im vierwöchigen Praktikum bei der EDG an.

Besondere Herausforderungen für die Stadtreinigung in Teilen der Nordstadt

Wilde Müllkippe in der Nordstadt
Tagtäglich kämpft die EDG gegen „Wilde Müllkippen“ in der Nordstadt. Foto edg

Beim täglichen Einsatz in EDG-Teams lernen sie unter anderem die Grundlagen der Entsorgungswirtschaft kennen. Ziel ist es auch, vor Ort Ansprechpartner und muttersprachlicher Berater für Fragen der Entsorgung zu sein.

Sie sollen nämlich im Laufe des Projektes im Bereich des Nordmarktes, des Schleswiger und des Brunnenstraßenviertels mit ihren Landsleuten ins Gespräch kommen, erklärt Matthias Kienitz vom Dortmunder Entsorgungsunternehmen.

In Teilen der Nordstadt hat die EDG „mit besonderen Herausforderungen“ zu kämpfen. Nämlich da, wo die Wohnraumsituation ein erhöhtes Müllaufkommen erzeugt. „Wir haben es mit Vermietern zu tun, die es mit den Vorschriften nicht so ernst nehmen“, bedauert Kienitz. Zu viele Leute in überbelegten Häusern. Da reichen die Mülleimer nicht aus.

Teilnehmer sollen ihren Landsleuten die „Spielregeln“ erklären

Viele Menschen stellen daher ihren Abfall in Tüten an die Straße – häufig sogar extra an den Containerstandorten. Die Stadtreinigung wird dort zum Opfer ihres eigenen tagtäglichen Einsatzes. Denn die Bewohner sehen, dass der Müll dort täglich abgeholt wird. „Viele haben den Eindruck, dass sie nichts Falsches machen“, verdeutlicht Kienitz. Doch um dies den Menschen zu erklären, hapert es bisher an der Sprachkompetenz unter den Müllwerkern.

Hier kommen Atanas und Emil Dimitrov ins Spiel – zwei der fünf Teilnehmer an dem neuen Projekt. Sie sollen mit den Menschen ins Gespräch kommen, ihnen erklären, wie Mülltrennung funktioniert und was Stadtsauberkeit bedeutet. Oder kurz gesagt: Sie sollen ihnen die Spielregeln des hiesigen Zusammenlebens erklären.

Kommunikations- und Deeskalationstraining ist Teil der Ausbildung

Emil sieht da keine Konflikte auf sich zukommen. Und Atanas ist ebenfalls optimistisch, mit „Bruder“ oder „Kollege“ die richtige Ansprache zu finden. „Das passt dann schon, wenn ihnen das ein Landsmann vermittelt“, glaubt er. Den Zugang konnten Deutsche nicht finden.

Damit es nicht doch mal aus dem Ruder läuft, bekommen die Teilnehmer auch ein Kommunikations- und Deeskalationstraining. verdeutlicht Stephan Straub, Abteilungsleiter der VHS Dortmund.

Stadtdirektor Jörg Stüdemann hat das Projekt für Zuwanderer angestoßen

Die Beratungsstelle "Willkommen Europa" in der Bornstraße 64 ist nun offiziell geöffnet.
Die Beratungsstelle „Willkommen Europa“ in der Bornstraße 64 ist nun offiziell geöffnet.

Dass es dieses Projekt zwischen VHS und EDG gibt, diesen Impuls hat Stadtdirektor Jörg Stüdemann gegeben. Er ist als Kulturdezernent auch für die Volkshochschule zuständig und als Kämmerer bzw. Dezernent für Beteiligungen zudem Mitglied in der Gesellschafterversammlung der EDG, erklärt VHS-Direktor Heinz Bünger. „Er hält es für sinnvoll, dass die Menschen im Rahmen der Willkommenskultur auch erfahren, welche Erwartungen wir an sie haben.“

Daher haben sie gemeinsam dieses wichtige Vorzeigeprojekt an den Start gebracht. Ein halbes Jahr dauert die Fortbildung. Sie besteht aus insgesamt 610 Unterrichtseinheiten, erklärt Dozent Patrick Pappert.

Unter anderem die Beratungsstelle „Willkommen Europa“ hatte unter ihren Klienten für eine Teilnahme an dem Projekt geworben. Maximal zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten daran teilnehmen können – geworden sind es allerdings nur fünf.

Viele Neuzuwanderer können sich keine Ausbildung leisten

Das liegt nicht am fehlenden Interesse, sondern an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, weiß VHS-Abteilungsleiter Straub: Die meisten Neuzuwanderer aus Rumänien und Bulgarien haben keinen Anspruch auf Unterstützungsleistungen. Sie können es sich schlicht nicht leisten, ein halbes Jahr die Schulbank zu drücken – sie müssen irgendwie Geld verdienen.

Diesen Druck kennen die Brüder Dimitrov auch. Allerdings gehören sie wie die anderen drei Teilnehmer zu der kleinen Gruppe der Neuzuwanderer, die eine Förderung vom Jobcenter erhalten, weil sie die umfangreichen Anforderungskriterien für die Teilnahme erfüllen konnten.

Sie haben beispielsweise auch einen guten Bildungshintergrund: Der jüngere Bruder hat einen Schulabschluss in Bulgarien gemacht, der ältere dort sogar vier Jahre Jura studiert. Außerdem konnten sie belegen, dass sie sich „glaubhaft und intensiv um Arbeit bemüht“ haben. Daher bekommen sie eine finanzielle Unterstützung.

Eine Anstellung nach der Qualifizierung ist noch unsicher

Ob sie aber nach dem Praktikum auch eine Stelle bei der EDG bekommen, ist heute noch offen. „Wir hoffen alle, dass es funktioniert. Die Teilnehmer sind sehr motiviert“, betont Kienitz.

Es wäre ihnen – aber auch der EDG – zu wünschen. Denn was haben die Teilnehmer – abgesehen von der neu gewonnen Sprachkompetenz – davon, eine Müllberaterausbildung zu machen, ohne in dem Bereich zu arbeiten? Und der EDG würde ohne die Teilnehmer auch weiterhin die Sprachkompetenz fehlen…

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