Der Rat gibt grünes Licht für den Deutschen Kirchentag in Dortmund – Stadt muss 2,7 Millionen Euro bezahlen

Der Deutsche Evangelische Kirchentag fand in diesem Jahr in Stuttgart statt. Fotos: Kirchentag
Der Deutsche Evangelische Kirchentag fand in diesem Jahr in Stuttgart statt. Fotos: Kirchentag

Der Deutsche Evangelische Kirchentag soll 2019 in Dortmund stattfinden. Das Großereignis, welches mehr als 100.000 Besucherinnen und Besucher in die Ruhrmetropole locken soll, gibt es allerdings nicht zum Null-Tarif: 2,7 Millionen Euro aus dem Stadtsäckel sollen an den Organisationsverein fließen.

Den deutlich größeren Teil stemmen die Evangelische Kirche Deutschlands, die Landeskirche und das Land NRW. Der Rat hat den Millionen-Zuschuss am späten Donnerstagabend mit breiter Mehrheit von SPD, CDU, Grünen und FDP/Bürgerliste beschlossen.

Die Dortmunder Kritiker pochen auf die Trennung von Staat und Kirche

Der Protest gegen den Kirchentag fruchtete nicht - eine große Mehrheit votierte für die Großveranstaltung.
Der Protest  fruchtete nicht – eine große Mehrheit votierte für die Großveranstaltung. Foto: Alex  Völkel

Die Kritiker waren in der Minderheit, wenngleich auch die Befürworter deutlich machten, das Mega-Event lieber gratis oder für weniger Geld bekommen zu wollen.

„Wer die Musik bestellt, der soll sie auch bezahlen“, hatte zuvor Andreas Urbanek (AfD) gefordert. Er pochte auf die ohnehin nicht mehr erkennbare Trennung von Staat und Kirche.

„Und jetzt will die Stadt Dortmund einer Kirche 2,7 Millionen Euro hinterher werfen, die selber über erhebliche finanzielle Mittel verfügt.“ Er hielt dem Kämmerer vor, eine Milchmädchenrechnung zu präsentieren, was dieser zurückwies.

Die Imagewirkung sei das geringste Problem, fand Urbanek: „Religion ist Privatsache. Die Kirchen dürfen weiter im Dorf bleiben, aber wir müssen sie nicht bezahlen.“

Geld für den Kirchentag bedeute später mehr Kürzungen im Sozialbereich 

In die gleiche Kerbe schlugen Linke und Piraten. Carsten Klink geißelte die große Zustimmung vieler Ratsmitglieder.

„Sie werden beim Kirchentag in der ersten Reihe sitzen und dann im Sozialen Kahlschlag leisten, weil wieder gespart werden muss. 200 Jahre Aufklärung sind am Dortmunder Rat spurlos vorbei gegangen.“

Linke und Piraten zielten dabei vor allem auf die Grünen. Diese gaben grünes Licht, auch wenn sie wegen der Kosten Bauchschmerzen hatten.

Befürworter in der Mehrheit: Der Imagegewinn überwiegt die hohen Kosten

33.Deutscher Evangelischer Kirchentag vom 01.06.bis 05.06.2011 in Dresden. Abendsegen - Licht und Klang schliessen den Abend der Begegnung am 01.06.2011 ab. An den Ufern beiderseits der Elbe, erstrahlt ein Lichtermeer aus 150.000 Kerzen.
Mehr als 100.000 Besucher könnten 2019 nach Dortmund kommen – ein Imagegewinn für die Stadt.

„Aber der Kirchentag ist eine wichtige Großveranstaltung für Dortmund“, betonte Ingrid Reuter.  „Über 100.000 Leute werden kommen und ein anderes Bild mitnehmen.“

Die Fraktionssprecherin beteuerte, dass man die schwierige finanzielle Situation der Stadt im Blick habe. „Schließlich sind wir mmer knapp an der Haushaltssicherung vorbeigeschrammt.“

Udo Reppin (CDU) war froh über den Sinneswandel bei vielen Skeptikern und die sich abzeichnende Mehrheit für den Kirchentag. „Die CDU hat nicht so große Bedenken.“ Für ihn ist der Image-Gewinn ausschlaggebend.

Positive wirtschaftliche und Imagefolgen für die Ruhrmetropole

Foto: Kirchentag/Vankann
Die Stadt setzt auf einen Imagewandel – und dass vor allem Handel und Gewerbe davon profitieren.

„Bei vielen Menschen außerhalb ist Dortmund noch immer eine dunkle Stadt der rauchenden Schlote, wo man nicht hingehen kann. Der Kirchentag muss vermitteln, dass es eine lebens- und liebenswerte Stadt ist“, so Reppin.

Als billige Polemik wies FDP/Bürgerliste-Sprecher Lars Rettstadt die kritischen Argumente zurück. „Es kommen über 100.000 Menschen, die viel Geld in der Stadt lassen.“

Zudem seien 50 Prozent kulturelle und weltanschauliche Veranstaltungen – und die Kirche trage mehr als die Hälfte der Kosten.

„Hotels, Gastronomie und andere haben davon einen Gewinn. „20 Prozent kommen später wieder. Wir werden also auch langfristig profitieren.“

Jörg  Kopecz: „Der Kirchentag ist eine Investition in die demokratische Kultur“

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Ellen Ueberschär, Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, ist überzeugt, dass die Kommune für dieses Geld „eine Veranstaltung bekommt, die es so weder in Deutschland noch in einem anderen Land gibt.“

Jörg  Kopecz, Leiter Finanzen und Organisation beim Kirchentag, ergänzte, die Frage des interreligiösen Zusammenlebens sei gerade für Dortmund von Interesse. „Der Kirchentag ist eine Investition in die demokratische Kultur“.

Klar sei auf jeden Fall, so  Superintendent Ulf Schlüter, dass es 2019 „bundesweit keine andere Veranstaltung geben wird, die die brennenden gesellschaftlichen Probleme in dieser Breite diskutiert.“

Das „Elfte Gebot“ bliebt ungehört: „Du sollst deinen Kirchentags selbst bezahlen!“

Enttäuscht zeigten sich nach der Entscheidung die Kirchentagskritiker, die die Debatte von der Besuchertribüne aus verfolgten.

Sie hatten bei der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause auf dem Friedensplatz eine Aktion zum elften Gebot – „Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ – gemacht. Wie sich jetzt zeigt, erfolglos.

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Reaktionen

  1. Gerd

    Religion gehört nicht durch Steuergelder gefördert. Wenn sich Religiöse treffen wollen, dann sollen diese auch die Veranstaltung bezahlen. Widersinnig wie so vieles in Dortmund, dass diese Veranstaltung gesponsert wird, während im Sozialbereich alles gekürzt wird, was zu kürzen ist. Zudem ist ja seit Marx bekannt, dass Religion Opium des Volkes ist. Und für eine gute Drogenpolitik stand Dortmund ja nie.

  2. Frank

    Es erstaunt doch sehr, dass der Nordstadtblogger auf einmal die rechtsaußen AfD Vertreter erwähnt, nur weil die gegen den Kirchentag wettern. Der Kirchentag ist nicht nur Imagekampagne, deren Wert nicht genau zu bemessen ist, sondern bereitet Gastronomie, Hotelgewerbe, ÖPNV, Taxen etc. ordentliche Gewinne, deren Steueranteil vermutlich am Ende der Stadt ein Plus einbringt. Ich finds gut, dass der Rat die finanzielle Unterstützung zugesagt hat, besser als für den U-Turm, den Flughafen usw. ist das Geld auf jeden Fall angelegt.

    • Carsten Klink

      Im Gegensatz zum U-Turm und dem Flughafen ist der Kirchentag nur eine einmalige Gelegenheit mal wieder Millionen an Steuergeldern zu verbrennen.

      Wenige Stunden nach der Ratsentscheidung wurden die tatsächlichen Besucherzahlen des Kirchentages in Stuttgart öffentlich. Während die Wirtschaftlichkeitsprognose der Stadtverwaltung Dortmund von 115.000 Besuchern ausgeht, waren es tatsächlich in Stuttgart nur 97.127 Besucher.

      Bereits wenige Stunden nach dem Ratsentscheid wird die Wirtschaftlichkeitsprognose also bereits um über 16 Prozent von der Realität unterschritten.

      Auch die von der FDP in der Ratssitzung aufgestellte Behauptung, dass ja schließlich 20 Prozent der Besucher wieder nach Dortmund zurückkehren würden, ist nicht korrekt. Befragungen in Bremen und Stuttgart ergaben lediglich, dass sich ein entsprechender Personenkreis einen weiteren Besuch zumindest vorstellen könnte. Laut Meinungsumfragen können sich 18 Prozent der Deutschen vorstellen FDP zu wählen. In Dortmund endet diese Bereitschaft bei 2,4 Prozent.

      Es wäre ehrlicher gewesen, wenn die Befürworter der Kirchentagssubventionen offen gesagt hätten, dass sie den Kirchentag aus religiösen Gründen in der Stadt haben wollen. Wirtschaftlich ist dieser definitiv nicht zu rechtfertigen.

  3. Ohne Religion

    Egal wie man sich das „schön-rechnet“ – es werden 2,7 Mio. + 700.000 Sachleistungen + kostenlose Schlafmöglichkeiten in Turnhallen von Dortmunds Haushalt „verschenkt“.

    Selbst wenn es wirtschaftlich ein Nullsummenspiel *wäre*, also durch MwSt. diese Beträge wieder „reingeholt“ werden *würden“, bedeutet dies doch auch – das die Steuereinnahmen in einem anderen Topf landen. (Bund)

    Fazit:
    3,4 Mio. Ausgaben aus dem Dortmunder Haushalt (der dann durch massive Kürzungen im sozialen Bereich wieder ausgeglichen wird)
    und
    3,4 Mio. Einnahmen, die NICHT den Dortmundern zu Gute kommen, oder?

    Und die Einnahmen haben wir einfach mal aus den „Glaskugeln“ der Ratsmitglieder, die ja ach so christlich und sozial sind. /Ironie aus

    Ist das nicht die Definition von a-sozial – gegen die Gemeinschaft (der Dortmunder)
    Und das in einer Stadt in der jeder Vierte ARM ist (selbst nach vorsichtigen Definitionen) !!!!

    Wacht endlich auf, und fordert den Rücktritt der Verantwortlichen!

  4. Linke & Piraten DO

    Kritik am endgültigen Kirchentagsbeschluss

    Angesichts des endgültigen Beschlusses des Präsidiums des Kirchentages, den Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund stattfinden zu lassen, kritisiert die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN einmal mehr die hohen Kosten, welche auf die Stadt zukommen. „Es ist indiskutabel, dass eine solch wohlhabende religiöse Gesellschaft eine solch klamme Stadt mit Millionenkosten belastet“, so der finanzpolitische Sprecher Carsten Klink (DIE LINKE).
     
    Auch zweifeln Linke & Piraten die angeblichen wirtschaftlichen Vorteile für die Stadt an. Die noch in Hamburg (2013) und Dresden (2011) erreichte Zahl von über 115.000 Dauergästen des Kirchentages, die auch die Basis des Dortmunder Ratsbeschlusses gewesen ist, wurde dieses Jahr in Stuttgart mit 97.127 deutlich unterschritten. „Die von der Kämmerei schöngerechneten Zahlen werden schon jetzt von der Realität um 16 Prozent unterschritten“, so Klink. Nicht umsonst seien die subventionskritischen Anfragen seiner Fraktion wohl von der Stadtverwaltung bis heute nicht schriftlich beantwortet worden.
     
    Ratsmitglied Klink kritisiert auch den designierten Kirchentagspräsidenten Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier: „Selbst die SPD-Linke sagt, Steinmeier säht in der Flüchtlingsdebatte Ängste und Zweifel. Das müsste ihn doch eigentlich für dieses kirchliche Amt disqualifizieren.“

  5. Carsten Klink (Linke & Piraten)

    Auch der Bundestagspräsident findet Debatte über staatliche Co-Finanzierung notwendig – Linke & Piraten: Kirche soll auf Kirchentagszuschüsse freiwillig verzichten

    Die Fraktion DIE LINKE und Piraten sieht sich in ihrer Ablehnung der kommunalen Zuschüsse für den Evangelischen Kirchentag 2019 in Höhe von 2,7 Millionen Euro nun durch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bestätigt.

    Der Katholik Lammert hat die Diskussionen um eine staatliche Mitfinanzierung kirchlicher Großveranstaltungen als notwendig bezeichnet. „Ich finde diese Debatte nicht nur zulässig, sondern überfällig“, sagte Lammert bei einer Diskussionsveranstaltung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Selbstverständlichkeit, mit der früher die Unterstützung von Kirchentagen für eine öffentliche Aufgabe gehalten wurde, habe sich überlebt.
     
    Angesichts des von SPD und CDU im Stadtrat vorangetriebenen Memorandums, mit dem rund 60 Millionen Euro im Stadthaushalt eingespart werden sollen, hoffen Linke & Piraten nun auf ein Einlenken der Evangelischen Kirche. „Wir wünschen uns im Schatten dieser Sparmaßnahmen ein Einsehen der Kirche, verbunden mit einem freiwilligen Verzicht auf die bereits beschlossenen Kirchentagszuschüsse“, so der finanzpolitische Sprecher Carsten Klink (DIE LINKE).

  6. Linke & Piraten

    Linke & Piraten fordern Nachverhandlungen beim Kirchentag

    Die Evangelische Kirche von Westfalen erwartet dank der Konjunkturentwicklung einen Rekord bei den Kirchensteuereinnahmen in Höhe von 505 Millionen Euro.
     
    Den Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr, in dem die Evangelische Kirche von Westfalen ebenfalls eine Rekordeinnahme verbuchen konnte, nimmt die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN im Stadtrat zum Anlass, Nachverhandlungen der Stadt Dortmund mit dem Kirchentagsträgerverein wegen des bereits zugesagten Millionenzuschusses der Stadt Dortmund zum Kirchentag 2019 zu fordern.

    „Vergleichbar den angekündigten Nachverhandlungen zum DFB-Fußballmuseum sollte auch hier angesichts der prekären Haushaltslage der Stadt Dortmund nachverhandelt werden. Bislang sollen 2,7 Millionen Euro Kirchentagszuschüsse sowie die Sachleistungen in Höhe von rund 700.000 Euro an die Evangelische Kirche bzw ihren Kirchentagsträgerverein fließen. Wenn die Kirche 50 Millionen Euro mehr einnimmt als geplant, kann sie statt der klammen Stadt den Kirchentag selbst finanzieren“, so Carsten Klink, der finanzpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN. Im Gegenzug müsse dann nicht mehr im sozialen Bereich gekürzt werden, so Klink.
     
    Die Kämmerei plant für das kommende Jahr zum Beispiel die Schließung der „Aufenthalts- und Beratungseinrichtung für Alkohol konsumierende Menschen – Café BERTA“ im abgehängten Dortmunder Norden, dem selbst die Stadtverwaltung eine positive Bilanz bescheinigt (rund 150.000 Euro pro Jahr). Vorgesehen sind ebenfalls Streichungen (1 Mio. Euro) im Musikschulbereich, eine Reduzierung der Standard-Angebote bei der Kinder- und Jugendförderung (50.000 Euro) oder eine Verzögerung beim Ausbau der Kindertagesbetreuung (2,75 Mio. Euro). Die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN lehnt diese Sozialkürzungen ebenso ab wie die vorgeschlagenen Kürzungen um 400.000 Euro bei den Bezirksvertretungen.

  7. Linke & Piraten

    Die LINKE & PIRATEN: Rekordkirchensteuer – Nachverhandlung über Kirchentagsubventionen gefordert

    Die Rekordsumme von 5,36 Milliarden Euro hat allein die Evangelische Kirche Deutschlands im Jahre 2015 an Kirchensteuern eingenommen. Ein plus von fast 13 Prozent oder 692 Milionen im Vergleich zum Vorjahr. Die Fraktion Die Linke und Piraten nimmt die aktuellen Zahlen zum Anlass Nachverhandlungen der Stadt mit dem Evangelischen Kirchentagsträgerverein zu fordern.

    Im Jahre 2014 hatte der Rat der Stadt mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und FDP-BL mehrheitlich einen Zuschuss von 2,7 Millionen Euro zuzüglich Sachleistungen in sechsstelliger Höhe für den Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund beschlossen.
     
    „Wenn eine Religionsgesellschaft 692 Millionen Euro mehr einnimmt als im Vorjahr, kann diese auch ihren Kirchentag selber bezahlen. Die Dortmunder Kirchentagssubventionen entsprechen übrigens rund 5 Prozent der von SPD und CDU im Rahmen der Memorandumsbeschlüssen beschlossenen Sparmaßnahmen in Höhe von 60 Millionen Euro. Für den Gegenwert der Subventionen für den einwöchigen Kirchentag könnte man eine KITA bauen oder Straßen und Radwege sanieren und den Dortmundern so Infrastruktur für Jahrzehnte erhalten.“, so Ratsmitglied Carsten Klink, der finanzpolitische Sprecher der Fraktion.
     
    Des Weiteren widerspreche auch die einseitige Bevorzugung einer einzelnen Religionsgemeinschaft dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. „Wenn nun katholische, muslimische, jüdische und atheistische Vereinigungen ebenfalls jeweils 2,7 Millionen Euro Subventionen einfordern würden, wäre dies für die Stadt wohl kaum bezahlbar“, äußert Carsten Klink (DIE LINKE) auch verfassungsrechtliche Bedenken.

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