Der Stadtrat Dortmund hat auf Vorschlag der Fraktionen SPD, Grüne und „Die Linke+“ eine Resolution gegen mögliche bzw. schon beschlossene Kürzungen im Sozialbereich verabschiedet, die sich an die Fraktionen und Gruppen des Deutschen Bundestages und des Landtags NRW richtet.
Rat schließt sich den Forderungen der 32.000 Demonstrierenden in Düsseldorf an
Darin bringt der Stadtrat Dortmund die Sorge um die sich verschlechternden sozialen Verhältnisse in der Stadt und im Land zum Ausdruck. Viele Menschen fürchteten eine Verschlechterung ihrer Lebenssituation. Die Realeinkommen seien gesunken, die Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit nähmen zu und immer mehr Kinder in Dortmund lebten in Haushalten, die auf Transferleistungen angewiesen seien.
Angesichts dieser Lage beunruhigt die Mehrheit des Rates, dass auf Bundes- und Landesebene über weitere sozialpolitische Kürzungen nachgedacht wird. Diese Kürzungen gefährdeten die soziale Infrastruktur in den Kommunen, im Land und im Bund, schadeten dem sozialen Zusammenhalt und den Menschen, die Unterstützung bräuchten. Statt populistischer Parolen gegen Bedürftige brauche es eine Sozialpolitik, die Ungleichheiten und Diskriminierung abbaue.
Der Dortmunder Rat unterstützt daher die Forderungen der Wohlfahrtsverbände zur Rettung der sozialen Infrastruktur, wie sie auf der von mehr als 30.000 Menschen besuchten Demonstration am 13. November in Düsseldorf deutlich wurden (Nordstadtblogger berichtete).
Wohlfahrtsorganisationen sollen nicht „in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt“ werden
Die geplanten Kürzungen zwängen die Verbände, ihre Leistungen einzuschränken und Programme zu reduzieren, was die Betroffenen treffe. „Wir bitten daher die Fraktionen und Gruppen des Deutschen Bundestages und des Landtags NRW, sicherzustellen, dass die Wohlfahrtsorganisationen durch Mittelkürzungen nicht in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werden“, heißt es in der Resolution
Der Rat fordert daher, auch in anderen sozialpolitischen Bereichen Verschärfungen zurückzuweisen. Das betreffe Vorschläge zur Sanktionierung von Bürgergeldleistungen, zur Pauschalisierung der Unterkunftskosten, zu Verschärfungen des Asylbewerberleistungsgesetzes und zur Abschaffung des Lieferkettengesetzes.
Die Resolution wurde gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP/ Bürgerliste und AfD beschlossen – die Mehrheit des Rates gab mit dem Stimmen der Fraktionen von SPD, Grüne, „Die Linke+“ und „Die Partei“ grünes Licht.
Grüne: Lieber Erbschaften besteuern als Soziallleistungen kürzen
Vorab wurde noch kontrovers diskutiert. Vor allem die FDP warf den Grünen Populismus und Unehrlichkeit vor. „Zu erklären haben sich vor allem die Grünen. Sie müssen sich die Frage stellen, wer in Düsseldorf regiert. Sie regieren sie an verantwortlicher Stelle. Die CDU bekennt sich dazu”, sagte Michael Kauch und forderte die Grünen auf, sich mit ihrer eigenen Resolution nicht gegen die Landespartei bzw. Fraktion zu wenden.
Jede Fraktion brachte ihre eigenen Schwerpunkte aufs Tableau: Utz Kowalewski (Die Linke+) waren vor allem die Kürzungen bei Bürgergeldbezieher:innen und Geflüchteten ein Dorn im Auge. „Auch Finanzminister Lindner hatte kurz vor seiner berechtigten Entlassung gefordert, die Gelder der Bürgergeldbezieher zu kürzen” – Bis unterhalb des Existenzminimums. Damit stehe er in er Reihe mit Merz, Wagenknecht, Weidel und Co..
Dr. Christoph Neumann (Grüne) forderte, die soziale Infrastruktur zu schützen und stattdessen „lieber Erbschaften richtig zu besteuern und dann keine Angst vor mehr Schulden” zu haben. „Lasst die Sozialträger nicht untergehen und lasst Dortmund nicht die Scherben auffegen“, sagte er mit Blick auf die aus seiner Sicht verfehlte Sozialpolitik in Bund und Land, wo ja eine schwarz-grüne Regierung die Sparmaßnahmen beschlossen hat.
SPD: Die „gute und ausdifferenzierte Sozialinfrastruktur“ schützen
„Dortmund hat ein wirkliche gute und ausdifferenzierte Sozialinfrastruktur – und Gott sei Dank über das gesetzliche Maß hinaus“, lobte Daniela Worth (SPD) . „Aber es gibt noch viel zu tun. Kürzungen negieren nicht nur die Bedarfe, sondern stellen einen Schlag ins Gesicht der Arbeitenden dar, obwohl ihre Expertise dringend benötigt wird”, kritisierte sie Land und Bund. Insbesondere auf Bundesebene hatte die FDP in der jüngst gescheiterten Ampel diverse sozialpolitische Maßnahmen blockiert.
„Die sozialen Träger haben in vielen Einzelgesprächen nachvollziehbar ihre Probleme geschildert. Viele Projekte sind gefährdet. Aber man kann nur das Geld ausgeben, was man hat. Wir haben nicht mehr das Geld, alle Maßnahmen, die aus sozialer Perspektive wünschenswert sind, auch zu bezahlen“, fasste Thomas Bahr (CDU) die Situation zusammen.
„Dennoch hält das Land die Summe fast gleich. Aber die Prioritäten haben sich teils deutlich verschoben. Mehr Kinderbetreuung und mehr Zugewanderte erfordern eine Umverteilung. Dieser Diskussion möchten wir uns stellen“, so der CDU-Politiker.
„Wir können als Kommune nicht im Sinne einer Ersatzvornahme alles übernehmen. Als Sozialpolitiker ist es wohlfeil und einfach, mehr Geld von Bund und Land zu verlangen. Diesen einfachen Weg wollen wir nicht gehen – daher treten wir der Resolution nicht bei“, begründete Bahr die Ablehnung.
„Die Linke+“: In Zeiten sozialer Spaltung dürfe man nicht an der Integration sparen
„Nicht sparen ist falsch, sondern falsch sparen ist falsch. Das hat aber der NRW-Gesundheitsminister vor, wenn bei der Aidshilfe an der Prävention gespart wird. Das wird Folgekosten an anderer Stelle haben“, betonte Michael Kauch (FDP/Bürgerliste).
„Aber alles beizubehalten, Hauptsache die Wohlfahrtsverbände bleiben ungeschoren“, das wolle seine Fraktion nicht mitmachen. „Wir können nur ausgeben, was man hat. Wir brauchen Prioritäten bei Investitionen. Wir können nicht dauernd Geld ausgeben für Dinge, die Konsumausgaben sind, aber nicht finanzierbar. Wir brauchen Investitionen.“
Die Kritik an den Grünen wollte die Sozialpolitikerin der Fraktion „Die Linke+” nicht teilen: „Wie sehr sich die CDU ans Land hält, haben wir bei der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete in Aplerbeck gesehen“, sagte Fatma Karacakurtoglu mit der Enthaltung seitens der CDU, als es um die Zustimmung des Wunsches des Landes ging, eine weitere Einrichtung in Dortmund zu eröffnen.
CDU: „Diskutieren wir mal mehr über das Erwirtschaften als über das Verteilen“
Für Karacakurtoglu sei es falsch, in Zeiten, „wo die soziale Spaltung größer wird, bei Migration und Integration und Flüchtlingen zu kürzen“. Denn die Integration werde erschwert, ebenso wie die Inanspruchnahme gesetzlich formulierter Rechte.
Zudem führten Kürzungen bei Migrations- und Integrationsdiensten dazu, dass die trotzdem stattfindenden Asylverfahren länger würden. Denn Ämter und Behörden hätten mehr Arbeit, wenn die Verbände ihnen die Vorarbeiten nicht mehr abnähmen und mehr Menschen mit falschen oder unvollständigen Unterlagen kämen.
Doch diese Diskussion wollte Dr. Jendrik Suck (CDU) gar nicht führen: „Diskutieren wir mal mehr über das Erwirtschaften als über das Verteilen – auch in diesem Hause. Über Wirtschaftsflächen oder Bürokratie, die wir selbst verursachen. Wenn mehr erwirtschaftet wird, kann man auch mehr verteilen“, betonte der CDU-Politiker.
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