Es war ein Vorstoß von Grünen und CDU, der im September für Diskussionen und Verwunderung im Rat sorgte: Sie hatten die Schaffung einer zentralen Organisationseinheit für Integration und Vielfalt gefordert und das mit einer Überarbeitung des Aktionsplans gegen Rechtsextremismus und zur Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements verbunden. Es war ein Schnellschuss, der direkt im Rat abgefeuert wurde. Auf den ersten Blick klang dieser Vorstoß gut. Doch bei näherem Hinschauen entpuppte er sich als „vergiftet“, wie der Fraktionschef von Linke+, Utz Kowalewski, gerade das Vorgehen gegen jegliche Form von Extremismus kommentiert. Die Sorge: Auch antifaschistisches Engagement könnte unter Extremismus-Verdacht geraten. Zudem – das war die Kritik aus der Verwaltung – würde die Schaffung einer neuen Organisationseinheit einen Eingriff in die Organisationshoheit des Oberbürgermeisters darstellen. Daher wurde die Diskussion im September vertagt und das Papier in den Sozialausschuss verwiesen. Dort wurde nun die Diskussion aus dem Rat fortgesetzt.
„Analysen und Handlungsvorschläge zum Rechtsextremismus in Dortmund“
Zusätzlich kam zudem aus der Verwaltung der Beschlussvorschlag zur Novellierung des Dortmunder Aktionsplans gegen Rechtsextremismus auf den Tisch. Dieser sieht vor, in den Jahren 2023 bis 2025 insgesamt 250.000 Euro zusätzlich im städtischen Haushalt vorzusehen, um auf Basis einer wissenschaftlichen Untersuchung den Plan zu novellieren. Das Verfahren ist nicht ungewöhnlich und erprobt. Schon beim Beschluss der Aufstellung im Jahr 2007 und der Aktualisierung im Jahr 2012 wurde dieser Schritt gegangen.
Als Basis für den Aktionsplan hat das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld im Auftrag der Stadt Dortmund 2010 eine umfangreiche Studie mit dem Titel „Analysen und Handlungsvorschläge zum Rechtsextremismus in Dortmund“ erstellt. Diese wurde letztmalig im Jahr 2012 aktualisiert.
Die Bestandsaufnahme der Aktivitäten zur Stärkung der lokalen Demokratie sowie im Kampf gegen Rechtsextremismus hatte maßgeblichen Anteil an der breiten Akzeptanz des am 2011 vom Rat der Stadt Dortmund zur Kenntnis genommenen Aktionsplans.
„Der Aktionsplan hat sich in den folgenden Jahren als nachhaltige und zielführende Grundlage für eine bundesweit beispielhafte Bekämpfung des Rechtsextremismus in der Stadt erwiesen. Insbesondere ist es dabei durch die intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit von demokratischer Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Polizei gelungen, ein Anwachsen der rechtsextremen Szene in Dortmund zu verhindern“, betont die Verwaltung.
Diskursverschiebung gefährdet Diversität, Weltoffenheit und respektvollen Umgang
„Durch diese erfolgreiche Arbeit sahen sich die Rechtsextremist:innen gezwungen, ihre Strategien und ihr Auftreten in der Stadt zu verändern. Zeitgleich war, durch die Agitationsversuche von Rechtspopulist:innen, eine gesamtgesellschaftliche Diskursverschiebung festzustellen, die eine von Diversität, Weltoffenheit und respektvollen Umgang geprägte Stadt zu verändern drohte“, heißt es in dem neuen Antrag zur Novellierung.
Die geschilderten Veränderungen machten, um die erfolgreiche Arbeit fortsetzen zu können, eine erste Novellierung des Aktionsplans erforderlich. Diese wurde unter breiter Beteiligung der demokratischen Parteien, zivilgesellschaftlicher Akteur:innen und Bündnisse erarbeitet und dem Rat der Stadt am 2017 vorgestellt.
Fünf Jahre nach der letzten Novellierung zieht die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – sie wurde im Rahmen des Aktionsplans im OB-Büro angesiedelt – eine Zwischenbilanz. Darin heißt es: „Die Dortmunder Rechtsextremist:innen haben in der bundesweiten Szene an Bedeutung verloren. Haftstrafen und Wegzüge wichtiger Protagonisten haben die Szene geschwächt. Die sichtbaren Aktivitäten der rechtsextremen Szene in der Stadt haben deutlich nachgelassen.“
Bekämpfung des Rechtsextremismus als größte gesellschaftspolitische Herausforderung
Diese erfreuliche Entwicklung sei jedoch kein Grund, in der Wachsamkeit nachzulassen. Im Gegenteil: Der Mord an Walter Lübcke, die Attentate von Halle und Hanau, die Entstehung von sogenannten Mischszenen im Rahmen der Anti-Corona-Proteste, die gestiegenen Zahlen der rechtsextrem motivierten politischen Kriminalität, der Höchststand von antisemitischen Übergriffen und die seit Jahren in allen Umfragen anhaltend (zu) hohen Zustimmungswerte zu rechtsextremistischen oder –populistischen Aussagen zeigten sehr deutlich, dass die Gefahr durch Rechtsextremismus nach wie vor gegeben sei und progressive Formen der Auseinandersetzung weiterentwickelt werden müssten.
„Nicht ohne Grund sehen Bundesregierung und Sicherheitsbehörden die Bekämpfung des Rechtsextremismus als die größte gesellschaftspolitische Herausforderung an. Auch der von der Bundesinnenministerin Faeser angekündigte Aktionsplan gegen Rechtsextremismus unterstreicht, dass die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie der Rechtsextremismus ist und die von ihm ausgehende Gewalt nicht aus dem Nichts kommt, sondern immer dort einen Nährboden findet, wo ein menschenfeindliches Klima gewaltbereite Extremisten anstachelt und zur Tat schreiten lässt“, betont Michael Plackert als Leiter der Koordinierungsstelle.
Vor diesem Hintergrund dürfe die Stadt Dortmund nicht nachlassen, den Rechtsextremismus in all seinen Schattierungen und Ausformungen zu bekämpfen. Grundlage für die weitere Arbeit in diesem Kontext soll der novellierte „Dortmunder Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ sein.
Auch die Novellierung soll wissenschaftlich begleitet werden
Doch die Novellierung wird kein Schnellschuss: „Bei der Aufstellung des Aktionsplans 2010/11 und auch bei dessen Novellierung 2017, war jeweils das partizipative Moment von herausragender Bedeutung für seine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz. Dieser partizipative Ansatz soll daher auch bei der nunmehr geplanten Novellierung weiter verfolgt und ausgebaut werden“, heißt es im Antrag an die politischen Gremien.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt und Basis für den Erfolg des Aktionsplans seien die wissenschaftlichen Analyse und die Handlungsempfehlungen zum Rechtsextremismus in Dortmund des Instituts für Interdisziplinäre- und Gewaltforschung gewesen. Diese wissenschaftliche Untersuchung könne für den nun anstehenden Novellierungsprozess nicht mehr herangezogen werden, da sie in weiten Teilen veraltet sei.
Um auch für die nächsten Jahre eine tragfähige Basis für die Arbeit im Rahmen des Aktionsplans zu schaffen, sei eine neue wissenschaftliche Untersuchung und Begleitung des Novellierungsprozesses unabdingbar. Im Einzelnen sollen die Stärken und Schwächen der bisherigen Arbeit analysiert, die aktuelle rechtsextreme Szene in Dortmund und ihre derzeitigen Strategien untersucht, Handlungsempfehlungen erarbeitet und der partizipative Prozess der Neuaufstellung unterstützt werden.
Die wissenschaftliche Untersuchung soll darüber hinaus Feststellungen dazu treffen, ob eine Ausweitung des Aktionsplans auf andere Formen von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit notwendig und zielführend ist. Hierzu sollen renommierte und in der Thematik erfahrene wissenschaftliche Institute eingeladen werden, sich an einem Ausschreibungsprozess zu beteiligen. Der Novellierungsprozess soll unmittelbar nach der Beschlussfassung durch den Rat im Herbst 2022 begonnen werden. Der neue Aktionsplan soll dann Anfang 2024 dem Rat vorgelegt werden.
Viel Lob für die bisherige Arbeit für Toleranz und Vielfalt
Von den demokratischen Fraktionen wurde der Aktionsplan einhellig begrüßt – auch von der CDU, die bei der Beschlussfassung 2007 skeptisch war und erfolglos einen Plan gegen Links- und Rechtsextremismus gefordert hatte. „Schön, dass es den Aktionsplan gibt und dass er der Stadt so viel Wert ist. Ich freue mich über die Weiterentwicklung“, sagte beispielsweise Thomas Bahr (CDU). „Der Aktionsplan zeigt doch, wie variabel die Stadt ist. Als er angegangen wurde, hätte ich nicht gedacht, wie effektiv das ist“, lobte Thorsten Hoffmann (CDU).
Rüdiger Schmidt (SPD) begrüßte, dass auch andere (links)extremistische Formen untersucht werden sollten, was bei bei Fatma Karacakurtoglu (Linke+) Widerspruch auslöste: „Wir können den Aktionsplan an sich unterstützen, aber keine allgemeine Erweiterung. Wo kämen wir denn hin, wenn antifaschistische Arbeit dem Bereich des Extremismus zugeordnet wird“, kritisierte sie die SPD-Äußerungen.
Das veranlasste Susanne Meyer (SPD), ihrem Fraktionskollegen beizuspringen – dieser habe sich unglücklich ausgedrückt: „Es geht hier nicht um Linksextremismus, sondern um antidemokratischen Extremismus. Jeder Rassismus ist antidemokratisch. Antifaschistische Gruppen müssen weiter bestehen – Ich war früher selber in einer“, so Meyer.
„Wir hatten in Dortmund kein Problem mit Linksextremismus“
„Meine Partei möchte sich von jeglicher Diskussion der Hufeisen-Theorie distanzieren“, ergänzte Mattias Hechler (SPD). Die Hufeisen-Theorie stellt Links- und Rechtsextremismus auf eine Stufe und sieht beide Extreme ideologisch dicht beieinander. Petra Dresler-Döhmann (Linke+) war froh über die Klarstellung der SPD. „Ich war auch entsetzt, dass sie plötzlich nach links gucken wollten. Wenn man selbst antifaschistische Aktionen für linksextrem hält, muss man mal gucken, wie weit man selbst nach rechts abgerutscht ist“, sagte sie mit Blick auf Stimmen aus CDU, FDP/Bürgerliste und AfD.
So hatte beispielsweise Marc Ossau (FDP/Bürgerliste) gefordert, jeglichen Extremismus unter die Lupe zu nehmen. „Wenn Antifa in Form des Extremismus daherkommt, dürfen wir dafür den Blick nicht verlieren“, sagte Ossau und musste sich einen Zwischenruf von Fatma Karacakurtoglu (Linke+) gefallen lassen, dass er wie die AfD klinge.
Wenig überraschend forderte dann auch Tino Perlick (AfD) einen spiegelbildlichen Aktionsplan gegen Linksextremismus, was nicht vorgesehen sei. Aber nicht nur deswegen lehnte er wenig überraschend die Novellierung und auch den Aktionsplan generell ab. „Mit großem Schrecken“ erinnerte er an fraktionsübergreifende Resolutionen, die Impfgegner mit Rechtsextremisten in einen Topf geworfen hätten. Gleiches sei im Herbst und Winter zu erwarten, wenn die Proteste gegen die Energie- und Außenpolitik losgehen würden.
Dies wies Michael Plackert indirekt zurück: Welchen Extremismus es in der Stadt gebe und der bekämpft werden sollte, dass sollten sich die Wissenschaftler:innen ja gerade in der zu beauftragenden Untersuchung anschauen. Allerdings sei eins klar: „Wir hatten in Dortmund in den vergangenen Jahren kein Links- oder sonstiges Extremismus-Problem, sondern ein Rechtsextremismus-Problem“, sagte er unter dem Applaus fast aller Mitglieder des Sozialausschusses. Eine Einschätzung, die auch von Polizei und Staatsschutz in Dortmund geteilt wird.
Hetze im Netz, Rassismus und Antisemitismus als Aufgaben
Manfred Kossack, ehrenamtlicher Sonderbeauftragter des OB für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, versuchte die Diskussion zurück auf den Aktionsplan zu lenken: „Der Aktionsplan von 2017 hat Patina angesetzt, jeder sieht das. Manche Dinge sind anders als 2017 – manche Dinge haben sich entwickelt“, sagte er beispielsweise mit dem Blick auf den Hass im Netz. Zudem gebe es „ein starkes Bemühen von Rechtsextremisten und von anderen, auch querdenkenden, Menschen, sich zusammenzuschließen, um ihre Wirkungsmacht zu entwicklen“.
Die Kritik u.a. von Jenny Brunner (Grüne), die Novellierung dauere zu lange, wies Kossack zurück: Denn die Stärke des Aktionsplans liege darin, dass eine Vielzahl von gesellschaftlichen Gruppen, Verbänden, Institutionen und Parteien daran mitwirkten und auch in die Arbeit eingebunden seien. Das begründe auch die Akzeptanz des Aktionsplans. Bei der Novellierung sollten diese Gruppen erneut eingebunden sein. „Dann sind wir zwar langsamer, aber wir sind besser“, so Kossack.
Zudem würde die Koordinierungsstelle auch jetzt schon andere Formen außerhalb des Rechtsextremismus bearbeiten, sagte er mit Blick auf Hass und Hetze im Netz, Rassismus und Antisemitismus. Sorge müsse der Ausschuss nicht haben: „Nur weil wir einen langen Prozess der Novellierung haben, werden wir nicht unsere Arbeit einstellen. Wir werden alles dafür tun, dass wir eine demokratische, weltoffene und lebenswerte Stadt bleiben“, sagte Michael Plackert mit großem Beifall seitens der demokratischen Fraktionen. Diese empfahlen einhellig die Novellierung – nur die AfD votiert dagegen. Die Entscheidung fällt am 10. November 2022 im Rat.
Schaffung einer zentralen Organisationseinheit für Integration und Vielfalt
Eine ganz andere Debatte führte der Sozialausschuss beim Antrag zur Schaffung einer zentralen Organisationseinheit für Integration und Vielfalt. Diese hatte der Rat an den Sozialausschuss verwiesen, damit der Fachausschuss das Thema diskutieren könne, bevor der Rat darüber entscheide. Im Ausschuss gab es allerdings die Stimmung, dieses Thema in den Rat durchlaufen zu lassen – startete dann aber doch eine Diskussion.
Die Verwaltung soll – wenn es eine Mehrheit dafür gibt – einen Vorschlag zur Schaffung einer zentralen Organisationseinheit für Integration und Vielfalt in Dortmund erarbeiten. Diese soll sich aus bestehenden Organisationseinheiten wie zum Beispiel der Ausländerbehörde, dem Kommunalen Integrationszentrum (MIA-DO-KI) und „MigraDO“ (dem Dienstleistungszentrum Migration & Integration Dortmund) sowie neu zu strukturierenden Abteilungen und Sachgebieten mit Integrationsaufgaben zusammensetzen.
Ziel soll es nach Ansicht von Grünen und CDU sein, die Leistungen für Ausländer:innen, Schutzsuchende sowie Menschen mit Migrationshintergrund weitestgehend zusammenzufassen. Zu diesem Zweck soll eine dezernatsübergreifende Projektgruppe zur organisatorischen Einrichtung der zentralen Organisationseinheit eingerichtet werden.
Außerdem wollen sie einen Prüfauftrag zur Schaffung eines Antidiskriminierungsbüros als Stabsstelle beschließen lassen. Die Verwaltung soll eine entsprechende Vorlage dem Rat vorlegen und im Vorfeld Stellungnahmen durch den Integrationsrat, das behindertenpolitische Netzwerk, den Runden Tisch zur Förderung der Emanzipation und Akzeptanz von LSBTIQ, dem Seniorenbeirat und der Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Frauenverbände sowie der Runden Tische für Vielfalt, Toleranz und Demokratie in den Stadtbezirken einholen.
„Wenn wir Vielfalt leben wollen, müssen wir über andere Instrumente nachdenken“
Knackpunkt der Diskussion: Braucht es eine neue zentrale Organisationseinheit oder müssen die einzelnen Abteilungen und Ämter einfach nur besser zusammenarbeiten und interkulturell sensibilisiert werden? Marc Ossau (FDP/ Bürgerliste) glaubt nicht, dass die Schaffung von neuen Einheiten zielführend sei. Das Problem könne nur zivilgesellschaftlich gelöst werden: „Die Verwaltung kann wenig erreichen – sie kann nur Zeichen setzen, dass sie aktiv sind.“
Das sieht Benjamin Beckmann (Grüne) gänzlich anders: „Wir müssen auch über Organisationsstrukturen nachdenken. Sie sind mehr als ein Symbol. 130 000 Ausländer:innen steht nur die Ausländerbehörde zur Verfügung. Und es ist ja auch nicht so, dass andere Städte es nicht anders machen. Muss man sich mehr damit beschäftigten und das nicht nur als Symbol betrachten.“
Saziye Altundal-Köse forderte, bei Integration und Vielfalt nicht beim bisher Erreichten zu verweilen. „Dortmund macht sehr gute Integrationsarbeit – gerade im Vergleich zu vielen anderen Städten im Ruhrgebiet und in NRW. Aber wenn wir Vielfalt leben wollen, müssen wir über andere Instrumente nachdenken. Das tun wir aber nicht.“ Andere Städte seien da weiter, sagte sie beispielsweise mit Blick auf Frankfurt am Main, wo es seit 2011 ein Diversitäts- und Vielfaltskonzept gebe.
Man habe bisher vor allem auf Herausforderungen reagiert – so 2015 den Syrien-Krieg und in diesem Jahr den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. „Wir müssen das aber pro-aktiver machen und auch in Verwaltungshandeln übersetzen. Das ist keine Kritik, sondern eine Aufforderung, es besser zu machen. Wenn wir uns weiter ausruhen – werden noch andere Herausforderungen auf uns zukommen“, so Saziye Altundal-Köse.
Interkulturelle Öffnung und einen Perspektivenwechsel gefordert
In der Bildung gebe es diese Multiproblemlagen schon. Dort fehlen Kita-, Schul- und OGS-Plätze. Daneben gibt es Sprachkurse und integrative Maßnahmen: „Jetzt gilt es mal, alles zusammen zu denken. Die Schaffung einer Zentraleinheit für Integration und Vielfalt muss die Möglichkeit geben, ein Amt aufzusuchen, wo man aus einer Hand ein ganzheitliches Angebot bekommt“, so die Grünen-Politikerin.
„Vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre ist deutlicher geworden, dass wir die Aufgaben effektiver organisieren müssen, damit die Integration noch mal deutlich besser wird“, so Altundal-Köse. Allerdings müssten diese Angebote nicht der Perspektive der Mehrheitsgesellschaft, sondern der der Zugewanderten gerecht werden.
„Auch deren Sichtweisen müssen eingepflegt werden, sonst werden wir weitere Probleme haben. Wenn wir sie in Verwaltungshandeln übersetzen, werden mit einem Amt für Integration und Vielfalt die Möglichkeiten verbessert und die Verwaltung weiter interkulturell geöffnet“, glaubt die Grüne. Doch gehe das nicht nur kommunale Stadtverwaltung an – auch Wohlfahrtsverbände sollten ebenfalls überlegen, wie sich Stadtgesellschaft entwickle.
Kritik: Zentralisierung erschwert die interkulturelle Öffnung
Sozialdezernentin Birgit Zoerner zeigte sich skeptisch. So reagiere die Stadt keineswegs nur reaktiv. „MigraDO“ sei im März 2022 nicht wegen der Ukraine-Krise an den Start gegangen – dies sei zeitlich nur zusammengefallen. „Wir haben aus den Erkenntnissen der Flüchtlingskrise 2016 einen Prozess begonnen, wie wir den Ankommensprozess so gestalten können, dass die Weichen von vornherein vernünftig gestellt werden.“
Nach diversen Workshops habe man sich für ein Konzept entschieden, wie MigraDO aufgebaut werden soll. Man habe bewusst nicht für eine neue zentrale Organisationsstruktur gestimmt, sondern alle Beteiligten dazu gebracht, alle Angebote wie in einer gemeinsamen Schalterhalle zusammenzubringen – auch mit Externen. So sitzen Ausländerbehörde, Sozialamt und Jobcenter dort gemeinsam. Auch weitere Abteilungen können hinzukommen – noch ist „MigraDO“ im Aufbau.
Man habe intensiv das Für und Wider einer zentralen Einheit diskutiert. Die Ergebnisse wolle Zoener gerne im Fachausschuss noch mal detailliert vorstellen. Die vorgezogene Zusammenfassung: „Die Interkulturelle Öffnung hat uns dazu gebracht, dass wir keine neue Einheit geschaffen haben.“ Denn das habe den Nachteil, dass alle interkulturellen Kompetenzen an die neue Einheit abgegeben würden – das erschwere aber die Auseinandersetzung mit Integration und Vielfalt in den anderen Bereichen. Zudem sei es schwierig, alle Einheiten zu bündeln, sagte sie u.a. mit dem Verweis auf ein weiteres Thema: Schule, die sei wichtig, aber schwer in einer neuen Einheit zu bündeln.