Zehn Jahre Weinanbau an den renaturierten Gewässern der Emscher

Der jüngste Wein aus Dortmund ist ein würziger Jahrgang mit exotischen Früchten

Stießen gemeinsam auf zehn Jahre Weinanbau am Phoenix See an: v.l. Dr. Mario Sommerhäuser (Abteilungsleiter Fluss und Landschaft bei EGLV), Thomas Westphal (Oberbürgermeister der Stadt Dortmund), Winzerin Tina Krachten, Dr. Frank Dudda (EG-Ratsvorsitzender und Oberbürgermeister der Stadt Herne) und Dr. Dorothea Voss (Vorständin für Personal und Nachhaltigkeit bei EGLV. Foto: Anne-Kathrin Lappe für die EGLV

Vor genau zehn Jahren, im Frühjahr 2012, hat die Emschergenossenschaft die Tradition des Weinanbaus im Ruhrgebiet wiederaufleben lassen – mit einem Weinberg direkt an der renaturierten Emscher am Phoenix See, als Symbol der neuen Lebens- und Aufenthaltsqualität im Revier. Heute, zehn Jahre später, hat sich der Weinanbau an der Emscher erfolgreich etabliert. 2018 folgte der zweite Weinberg am Rüpingsbach – weitere, sogar größere Weinberge sind bereits in der Entstehung. Anfang Juni stand aber erst einmal die Verkostung des jüngsten 2021er-Jahrgangs des Weißweins „Neues Emschertal“ vom Phoenix-See auf dem Programm bzw. auf der Karte – laut Emschergenossenschaft ein würziger Jahrgang mit exotischen Früchten.

Zehn Jahre Weinanbau an den renaturierten Gewässern der Emscher

Der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft, Prof. Dr. Uli Paetzel. Archivfoto: Celina Winter für die EGLV

Dortmund eine Weinstadt? Bei dem Gedanken werden die meisten Dortmunder:innen schmunzeln und zum markant leuchtenden „U“ auf dem Dach der alten Union-Brauerei blicken. Ganz klar: Dortmund ist doch eine Bierstadt. Doch so ganz eindeutig ist es nicht:

Im 15. Jahrhundert hat es nachweislich Weinanbau in der Dortmunder Umgebung gegeben und seit genau zehn Jahren lässt die Emschergenossenschaft unter Beteiligung zahlreicher Bürgerinnen und Bürger diese Tradition wiederaufleben.

„Unsere Weinberge direkt an den renaturierten Emscher-Gewässern symbolisieren das neue Lebensgefühl im Emscher-Gebiet. Die Emscher und ihre Lebensläufe sind dank des Emscher-Umbaus nicht länger offene Schmutzwasserläufe, sondern bieten mit ihrer neuen blaugrünen Infrastruktur die Möglichkeit, unsere Flusslandschaften auf eine ganz neue Art und Weise zu erfahren und zu genießen“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, und spielt damit neben den Weinbergen auch auf die rund 130 Kilometer an neuen Radwegen an Emscher und Nebenläufen an.

Weißwein aus ökologischem Anbau nahezu ohne Pflanzenschutzmittel

Nach dem Erfolg des ersten Weinberges am Phoenix See folgte 2018 der Weinberg am renaturierten Rüpingsbach in Dortmund-Barop. 420 Reben der roten Rebsorte Cabaret Noir wurden hier gepflanzt und werden seitdem gemeinsam mit den Bürger:innen vor Ort gepflegt und geerntet –­ denn:

Der jüngste Weißwein vom Phoenix-See. Foto: Emschergenossenschaft / Lippeverband

Dieser Weinberg ist ein „Mitmach“-Weinberg. Alle Interessierten können einmal im Monat unter fachlicher Anleitung der Winzerin Tina Krachten mitmachen und etwas über Weinanbau lernen. Seine Trinkreife hat dieser rote Cabaret Noir aus Barop noch nicht erreicht.

Anders sieht es dagegen bei dem Weißwein vom Phoenix See aus, der erstmals 2015 verkostet werden konnte. Passenderweise trägt die Traube, von der dieser erste Emscher-Wein gewonnen wird, den Namen Phoenix. Es handelt sich um eine pilzwiderstandsfähige Züchtung, eine wichtige Eigenschaft für den ökologischen Weinanbau, der auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nahezu verzichtet.

Bei der diesjährigen Weinverkostung, die am Mitmach-Weinberg in Barop stattfand, konnten sich die Gäste einen eigenen Geschmackseindruck verschaffen. „Dieser Jahrgang hat eine würzige Note mit exotischen Früchten“, freut sich Winzerin Tina Krachten über das Geschmacksergebnis der Phoenix-Ernte. 2021 sei kein einfacher Jahrgang für alle Winzer in Deutschland gewesen, berichtet Krachten:

„Wer aber wie wir ökologisch arbeitet, war von den ungünstigen Wetterbedingungen besonders betroffen.“ Mit viel Feuchtigkeit und wenig Sonne bot 2021 keine idealen Voraussetzungen für die Weinreben. Die Qualität des Dortmunder Weins hat glücklicherweise nicht gelitten. Dies, so Krachten, sei auch den vielen freiwilligen Helfer:innen und Beschäftigten der Emschergenossenschaft zu verdanken, die durch sorgfältige Lese die guten Trauben von den schlechten getrennt hätten.

In Castrop-Rauxel soll ein neuer Weinberg mit bis zu 9000 Reben angelegt werden

Während sich der erste Emscher-Weinberg am Phoenix See nach zehn Jahren bereits bestens entwickelt hat und der Rotwein aus Barop vermutlich im kommenden Jahr erstmals gekeltert und abgefüllt werden kann, plant die Emschergenossenschaft bereits weitere, sogar größere Weinberge:

Die Verkostung fand am Mitmach-Weinberg in Barop statt.
Die Verkostung fand am Mitmach-Weinberg in Barop statt. Foto: Emschergenossenschaft / Lippeverband

Noch in diesem Jahr werden die ersten Rebstöcke in der Nähe des Wasserkreuzes in Castrop-Rauxel gepflanzt. Dort, wo die Emscher den Rhein-Herne-Kanal unterquert, entsteht aktuell ein großer Natur- und Wasser-Erlebnis-Park. Südlich der dort frisch renaturierten und großzügig aufgeweiteten Emscher soll ein neuer Weinberg mit 8000 bis 9000 Reben entstehen.

Auch dieser Weinberg, der sowohl roten als auch weißen Wein fördern soll, wird im Rahmen der Initiative „Mach mit am Fluss!“ ein Mitmach-Weinberg sein. „Der im vergangenen Jahr abgeschlossene Emscher-Umbau hatte neben der Abwasserfreiheit auch das Ziel, den Menschen in der Region ihre Flüsse zurückzugeben“, so Uli Paetzel.

„Sie sind nicht länger offene Köttelbecken, wie man im Revier noch sagt, sondern idyllische Orte des Verweilens und des Genusses. Mit unseren Mitmach-Weinbergen bieten wir darüber hinaus Möglichkeiten der Partizipation und begeistern die Menschen damit auch nicht nur ein Stück weit für Themen wie Natur- und Umweltschutz.“

Mehr als Symbole des Strukturwandels: Weinberge tragen zur Artenvielfalt bei

Der an der Emscher ökologisch angebaute Wein schmeckt nicht nur gut, er fördert auch die Artenvielfalt. Der Boden wird kaum bis gar nicht maschinell bearbeitet, dadurch ist er gesünder: ein idealer Lebensraum für insektenfreundliche Begrünungspflanzen, die beim ökologischen Weinanbau angepflanzt werden, weil sich durch sie unter anderem wichtige Nützlinge wie Marienkäfer, Spinnen, Ohrwürmer etc. vermehrt ansiedeln.

Foto: Emschergenossenschaft / Lippeverband

Die Emscher-Weinberge, sagt Paetzel, seien letztlich mehr als nur Symbole des Strukturwandels und der neuen Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Region – sie würden vielmehr die vielen Möglichkeiten, die das durch den Emscher-Umbau neu entstandene blaugrüne Leben im Herzen des Ruhrgebietes bietet, repräsentieren:

„Wenn wir an den Ufern eines Flusses, der 170 Jahre lang als Industrie-Kloake dienen musste, Wein anbauen können, dann ist hier im Ruhrgebiet noch vieles mehr möglich“, konstatiert Paetzel. Herausforderungen gebe es genug, allein die Anpassung an die zu erwartenden Folgen des Klimawandels müssten das nächste gemeinschaftliche Generationenprojekt nach dem Emscher-Umbau sein.

Und hier schließt sich auch ein Kreis, denn der vor zehn Jahren gestartete Weinanbau an der Emscher war zunächst tatsächlich ein Forschungsprojekt zum Nachweis des Klimawandels – denn nur durch die im Mikrobereich gestiegenen Temperaturen sei die Nordwanderung des Weinanbaus bis ins Ruhrgebiet überhaupt erst möglich geworden.

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Weitere Informationen:

Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz.

Der Natur- und Wasser-Erlebnispark am Wasserkreuz in Castrop-Rauxel ist Projekt im Rahmen der Emscherland-Kooperation der Emschergenossenschaft mit den Städten Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herne und Herten sowie dem Regionalverband Ruhr (RVR) und wird gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Die 80-prozentige Förderung setzt sich aus EU-Mitteln (50 Prozent) und Landesmitteln über das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (30 Prozent) zusammen.

www.eglv.de

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