Von Susanne Schulte
Jörg Willerscheidt sieht der Arbeit an Heiligabend gelassen entgegen. Eingekauft hat er schon. Im Supermarkt hätten sie angesichts der Menge in seinem Wagen gefragt, ob eine Katastrophe bevorstünde, erzählt der Gemeindereferent. Das Gegenteil ist der Fall. Jörg Willerscheidt hat für die gut 100 Gäste eingekauft, die am Abend im Gemeindesaal von St. Joseph erwartet werden und für die er mit weiteren Freiwilligen kocht.
Seit 20 Jahren laden die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in der Nordstadt im Wechsel ein, den Heiligabend gemeinsam zu verbringen. Und einladen ist hier wörtlich gemeint: Die Gäste müssen nichts zahlen. Vor zwei Jahren, da war die Gastgeberin die Gemeinde St. Michael und Jörg Willerscheidt zum ersten Mal im Einsatz.
Das hat ihm und seinen Eltern, die auch dieses Jahr aus Marsberg im Sauerland nach Dortmund anreisen, so gut gefallen, dass er dieses Mal der Küchenchef sein wollte. Bruder Maiko Seibert von den Pallotinern, der schultäglich Jungen und Mädchen in St. Antonius mit einem warmen Essen versorgt, ist auch am 24. Dezember für das Hauptgericht verantwortlich.
Um zehn Uhr morgens wird der Herd eingeschaltet
„Es gibt Schweinsbraten an Steinpilzsoße mit Spätzle und ein Internationales Salatbuffet“, kündigt Willerscheidt an. Für die Salate ist er zuständig: Toskanischer Tortellinisalat und Couscous-Salat, Karibischer Reissalat, ein bunter Bohnensalat sowie Krautsalat mit Gurken-Knoblauch-Joghurt füllen die Schüsseln. „Das ist in fünf Stunden zu schaffen“, sagt Willerscheidt.
Von 10 Uhr an sind die Familie Willerscheidt, das sind Hans-Dieter und Rosi, Therese und Jörg, sowie Bruder Maiko mit zwei indischen Kollegen, der Wohnungslosen-Seelsorger Daniel Schwarzmann sowie die Kuchen- und Nachtisch-Spezialistinnen Jolanta Lisong und Irena Heyka aktiv, um für die 100 angemeldeten Frauen und Männer die Tische zu decken und zu schmücken, zu kochen und Geschirr bereit zu stellen, die Bar zu bestücken und die Gläser zu polieren. Auch wer nicht angemeldet ist, wird herzlich empfangen. „Wir haben noch niemanden weggeschickt.“
Niemand wird am heiligen Abend in der Nordstadt weggeschickt
So hat noch am vergangenen Montag Wohnungslosen-Seelsorger Daniel Schwarzmann einigen Menschen einen Stein von der Seele genommen.
In seiner Sprechstunde seien einige mit der Sprache ‚rausgerückt, hätten gesagt, sie fühlten sich einsam an Heiligabend, niemand wolle etwas mit ihnen zu tun haben. „Sie waren froh, als ich ihnen sagen konnte: Ja, da gibt es was, wo ihr hingehen könnt“, so Schwarzmann.
Die Weihnachtsgeschichte, gelesen von Pfarrer Schocke oder seinem Kollegen Lohoff, gehört genauso zum Programm vor dem Essen, wie die Musik anschließend. „Das findet sich immer“, sagt Jörg Willerscheidt mit Zuversicht.
Aus gutem Grund: Die beiden Organisten aus den beiden Pfarrverbünden Fredenbaum und Nordstadt-Ost, Manfred Preuß und Wilfried Gerds, gehören zu den Gästen.
Um 2 Uhr am Morgen ist Feierabend für die Gastgeber
Hat sich der Saal am späten Abend geleert, sind die Besucher und Besucherinnen mit ihren gut gefüllten bunten Tüten nach Hause gegangen, beginnt für die Köche und Barmänner, die Nachtisch-Spezialistinnen und Deko-Künstlerinnen das große Aufräumen.
„So um 2 Uhr am Morgen“, schätzt Willerscheidt, sieht alles wieder so aus wie vor der Feier. Trotz des langen Arbeits- und Feiertages ist er schon jetzt überzeugt: Es wird ein schöner Heiligabend – für die Gastgeber und Gastgeberinnen genauso wie für die Gäste.