Ein innovatives Projekt als Antwort auf „überforderte Systeme“

Der „Dortmunder Weg“ zum Umgang mit „Systemsprenger:innen“ in der Jugendhilfe

Seit Anfang des Jahres setzt das Dortmunder Jugendamt ein neues Konzept zum Umgang mit sogenannten „Systemsprenger:innen“ um. Beim „Dortmunder Weg“ wird für jeden Einzelfall ein Team von Fachleuten zusammengestellt, orientiert am individuellen Bedarf. Foto: Depositphotos

Wenn nichts mehr hilft, dann hilft vielleicht der „Dortmunder Weg“: Das städtische Jugendamt hat gemeinsam mit verschiedenen Partnern ein Konzept entwickelt, um jungen Menschen Hilfe zu bieten, die von Familie, Schule und Gesellschaft nicht mehr erreicht werden können. In der Jugendhilfe sind sie keine Einzelfälle. Seit 2018 arbeitet das Jugendamt Dortmund gemeinsam mit freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe Dortmund, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und dem Gesundheitsamt Dortmund daran, den Systemsprenger:innen und ihrer direkten Umgebung einen Weg aus der Krise zu zeigen. Im Januar 2024 hat das auf drei Jahre angelegte Projekt „Dortmunder Weg“ den Betrieb aufgenommen.

Alle jungen Menschen haben ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe

In der Jugendhilfe werden sie „Jugendliche mit besonders herausforderndem Verhalten“ genannt – oder „Systemsprenger:nnen“. Eines haben sie alle gemein: Die Erwachsenenwelt lehnen sie ab. Klassische Jugendhilfesysteme auch. Sie halten sich selten an Regeln, Strafen interessieren sie nicht: Einige bringen andere in Gefahr, manche auch sich selbst.

Dr. Annette Frenzke-Kulbach ist Leiterin des Dortmunder Jugendamtes. Foto: Alex Völkel
Dr. Annette Frenzke-Kulbach ist Leiterin des Dortmunder Jugendamtes. Archivfoto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Andere sind drogenabhängig, wieder andere sind aggressiv und straffällig oder waren seit Monaten nicht mehr in der Schule. Mit ihrem Verhalten bringen sie auch erfahrene Mitarbeiter:innen von Jugendamt und Jugendhilfeeinrichtungen an ihre Grenzen. Die Folgen: Häufig fliegen sie aus den Einrichtungen, weil sie das ganze System sprengen. Es beginnt eine Eskalationsspirale, durch die sich die jungen Menschen immer weiter entfernen und isolieren.

„Der Grundgedanke für uns muss immer sein: Ein junger Mensch verliert nie sein Recht auf Hilfe und gesellschaftliche Teilhabe“, sagte Dr. Annette Frenzke-Kulbach, Leiterin des Jugendamtes, am Rande einer Fachtagung in Dortmund, bei der der „Dortmunder Weg“ Systemsprenger-Expert:innen aus ganz Deutschland vorgestellt wurde.

Auf die betroffene Person angepasste Teams kümmern sich um die Probleme

Wesentlicher Bestandteil ist die Dortmunder Koordinierungsstelle für sogenannte „Systemsprenger:innen (KoSyDo). Sie ist an erfolgreichen Konzepten aus Hamburg und Berlin orientiert. In der KoSyDo laufen alle Fäden zusammen: Für jeden Einzelfall wird ein Team von Fachleuten zusammengestellt – ganz eng am individuellen Bedarf der jungen Menschen orientiert. Die Fachleute bilden ein „Team auf Zeit“, ihre Zusammenarbeit ist oft längerfristig angelegt.

Weitere Infos zur Koordinierungsstelle gibt es unter dem Link am Ende des Artikels. Foto: Web-Screenshot

Zu diesem Team gehören genau die Menschen, die für den Jugendlichen oder die Jugendliche in dieser Zeit besonders wichtig und hilfreich sind: Das ist zunächst mal der junge Mensch selbst. Darüber hinaus können es Lehrer:innen sein, Vertreter:innen vom Jugendamt, Vormunde, Ärzte oder Ärztinnen, Psycholog:innen.

Gearbeitet wird unter anderem in sogenannten Fallkonferenzen. Insgesamt geht es darum, das Verhalten eines jungen Menschen zu verstehen und Risiken zu minimieren. Das ist die Grundlage, um mit dem jungen Menschen eine gemeinsame Haltung und Perspektive zu entwickeln.

Einzigartig in Dortmund: das Kriseninterventionsteam

Einmalig und innovativ am „Dortmunder Weg“ ist der Umgang mit jeglichen Krisen der Systemsprenger:innen. Ein Interventionsteam kann im Notfall durch KoSyDo eingesetzt werden und flexible Hilfen anbieten: Das reicht von Betreuung auf der Straße bis zur stationären Unterbringung. Der Träger ECHT Jugendhilfe stellt das Kriseninterventionsteam und bei Bedarf auch Räumlichkeiten.

Foto: Depositphotos

Neu am „Dortmunder Weg“ ist auch der paritätische Aufbau der Koordinierungsstelle: Jugendamt, Katholische Jugendhilfe Dortmund und der Verein für Sozialtherapeutische Einrichtungen NRW bündeln hier ihre Kompetenzen auf Augenhöhe. „Das ist eine ganz starke Kooperation, mit der wir zum Wohle der Systemsprenger:innen arbeiten können“, so Annette Frenzke-Kulbach.

Die gute Zusammenarbeit für den „Dortmunder Weg“ ist jetzt erst einmal bis Februar 2027 bewilligt. Prozesse, Zusammenarbeit und Erfolge werden aber laufend analysiert und evaluiert. Ein Zwischenbericht ist für den Oktober 2025 geplant, Ende 2026 soll der Rat der Stadt dann über die Fortführung des „Dortmunder Weg“ entscheiden. Weitere Informationen zur Koordinierungsstelle für sogenannte Systemsprenger:innen in Dortmund finden Interessierte hier.

Unterstütze uns auf Steady

Write a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert