Nach der gelungen Ausstellung „Computer Grrrls“ im Dortmunder U, Leonie-Reygers-Terrasse, in der Ebene 3, können die BesucherInnen nun die neue Ausstellung „Der Alt-Right-Komplex“ erleben. Sie wird vom Hartware MedienKunstVerein (HMKV) präsentiert. „Alt“ steht für Alternative, wie bei der „AfD“. War man bei der vorhergehenden Ausstellung über die verkannten Leistungen von Frauen und ihrer geradezu geheim gehaltenen Arbeit für das weltweite, neue Kommunikationssystem beeindruckt, ja überrascht (Heddy Lamarr als Erfinderin des WiFi im Zweiten Weltkrieg), so ist man nun entsetzt über die Abgründe, die sich in der Ausstellung auftun.
Algorithmen der Suchmaschinen und Sozialen Medien verstärken die Mind Bubble
„Wir bewegen uns alle irgendwie in einer Mind Bubble“, erklärt die Kuratorin der Ausstellung, Inke Arns. „Gefährlich wird es durch die Algorithmen in den Suchmaschinen und bei den sozialen Medien.“
Die internationale Gruppenausstellung setzt sich mit Rechtspopulismen auseinander, die heute insbesondere das Internet und die sozialen Medien zur Verbreitung nutzen.
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Dabei zeichnet „Der Alt-Right-Komplex“ die Entwicklung von einer (Sub-)Kultur der Transgression (Grenzüberschreitungen) in Online-Foren wie 4chan bis hin zu Plattformen wie z.B. Breitbart News nach.
Die KünstlerInnen beschäftigen sich mit Memes (z.B. Pepe der Frosch, dem wohl bekanntesten Symbol der Trump-AnhängerInnen), mit Figuren wie z.B. Steve Bannon, mit Flaggen-Verehrung, der Prepper-Szene, White Supremacists und Dark Enlightenment. Die Ausstellung wird von einem kritischen Glossar begleitet, das die wichtigsten Begriffe kurz erklärt.
„Der Alt-Right-Komplex“ präsentiert zwölf Projekte von 16 KünstlerInnen aus zwölf Ländern: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Neuseeland, den Niederlanden, Österreich, Polen, Ungarn, Schweiz, Serbien und der Slowakei. In dieser Ausstellung sind unterschiedlichste künstlerische Medien zu sehen: Comics, Wandbilder, Videos, (Video-) Installationen, Poster zum Mitnehmen, Spielanleitungen, Netzkunst, Künstlerbücher, ein spekulatives Museum und eine Flaggenmaschine.
„Der Alt-Right-Komplex“ entstand aus einer nerdigen Mind Bubble
„Der Alt-Right-Komplex“ ist nicht nur eine politische Bewegung, die eine Alternative zum konservativen, rechten Establishment schaffen will. Vielmehr steht er für einen regelrechten Kulturkampf.
Er begann als ironiegetränkte, neue rechte Internet-Subkultur, eine seltsame Avantgarde aus jugendlichen Videospielern, Hakenkreuz postenden Anime-Liebhabern, antifeministischen „Witzbolden“, nerdigen Belästigern und Meme-fabrizierenden Trollen.
Genau dieser Online-Aktivismus zeichnet denn auch die Alt-Right aus. „In einer diffusen Übereinstimmung zwischen Chan-Trollen und weißen Supremacists wurde durch neoreaktionäre Blogs (die sich Èthno-Nationalismus, Männerrechten, dem Transhumanismus und Rassenrealismus sowie anderen antiliberalen Positionen widmen) eine Art intellektuelles Gerüst geschaffen“, erklärte Matt Goerzen.
Der Blogger Sascha Lobo, hat eine eigene Recherche finanziert, in der er nachweisen konnte, dass die „Unmengen“ an rechtspopulistischen Posts von nur ganz wenigen Personen geschickt lanciert werden und tausendfach geliked oder reposted werden. So entsteht für den in seiner Mindbubble Gefangenen der Eindruck, dass am Ende „Tausende“ der „gleichen Meinung sind, bzw. die gleiche Nachricht ähnlich interpretieren“ sind.
Eine Ausstellungseröffnung inklusive der Verleihung des „Justus Bier Preises“ 2018
Im Rahmen der Eröffnung von „Der Alt-Right-Komplex“ findet am heutigen Freitag, 29. März 2019, ab 19 Uhr auch die Verleihung des „Justus Bier Preises“ 2018 statt.
Der „Justus Bier Preis“ für Kuratoren und Kuratorinnen, der herausragende kuratorische Leistungen im deutschsprachigen Raum würdigt, geht in seiner zehnten Ausgabe zum ersten Mal an einen Kunstverein.
Ausgezeichnet werden Ausstellung und Publikation von „Sturm auf den Winterpalast – Forensik eines Bildes“. Die PreisträgerInnen sind Inke Arns, Direktorin des HMKV (Hartware MedienKunstVerein) in Dortmund, Igor Chubarov, Direktor des Instituts für Sozial- und Geisteswissenschaften der Staatlichen Universität von Tjumen (Rumänien) und Sylvia Sasse, Professorin für Slavistische Literaturwissenschaft an der Universität Zürich (Schweiz).
Weitere Informationen:
Ausstellende KünstlerInnen:
Paula Bulling / Anne König (Deutschland)
Simon Denny (Neuseeland)
Disnovation.org (Frankreich / Polen)
Vera Drebusch & Florian Egermann (Deutschland)
Dominic Gagnon (Kanada)
Szabolcs KissPál (Ungarn)
Boris Ondreička (Slovakei)
Milo Rau, IIPM – International Institute of Political Murder (Schweiz / Deutschland)
Vanja Smiljanić (Serbien)
Jonas Staal (Niederlande)
Nick Thurston (Großbritannien)
Ubermorgen (Schweiz / Österreich)
Zur Ausstellung erscheint im April 2019 ein Magazin, das die Ausstellung umfassend in Bild und Text dokumentiert und neben einer Einführung der Kuratorin und einem Interview mit Angela Nagle Werkbeschreibungen aller Arbeiten sowie das komplette Glossar enthält (de/en, ca. 128 S., 5,00 €).
Veranstalter: HMKV (Hartware MedienKunstVerein), Dortmund
Szenografie: please don’t touch, Dortmund
Grafikdesign: e o t . essays on typography, Berlin
Kooperationspartner Urbane Künste Ruhr – Ruhr Ding: Territorien
Die Ausstellung wird gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und die Kunststiftung NRW
Förderer: HMKV Kulturbetriebe Stadt Dortmund / Dortmunder U – Zentrum für Kunst und Kreativität
Reaktionen
HMKV (Pressemitteilung)
VORTRAGSREIHE „THE KIDS ARE ALT-RIGHT“
Im Rahmen der Ausstellung Der Alt-Right-Komplex – Über Rechtspopulismus im Netz findet die Vortragsreihe „The Kids Are Alt-Right“ im Kino des Dortmunder U statt. Die Reihe wird am 20. Juni 2019 (Fronleichnam) um 18:00 Uhr mit dem Vortrag von Klaus Walter, Autor und Moderator aus Frankfurt am Main, mit dem Titel „The Kids are Alt Right? Porno, Pop und die Kulturkämpfe der Neuen Rechten“ fortgeführt.
Donnerstag, 20. Juni 2019, 18:00 Uhr
Klaus Walter
„The Kids are Alt Right? Porno, Pop und die Kulturkämpfe der Neuen Rechten“
Vortrag auf Deutsch
HMKV (Pressemitteilung)
Wie Propagandakunst die Welt konstruiert – Vortrag von Jonas Staal im HMKV (Hartware MedienKunstVerein)
Der niederländische Künstler und Propagandaforscher Jonas Staal ist am 05. September zu Gast im HMKV (Hartware MedienKunstVerein) im Dortmunder U. Sein Vortrag „Von der Alt-Right zur populären Propagandakunst“ bildet den Abschluss der Vortragsreihe „The Kids Are Alt-Right“, die im Rahmen der aktuellen Ausstellung Der Alt-Right-Komplex – Über Rechtspopulismus im Netz stattfindet.
In der heutigen ‚Post-Truth-Ära‘, so Staal, ist Propaganda nicht nur eine Form der Kommunikation, sondern eine Praxis der Realitätskonstruktion. In seinem Vortag zeichnet Staal anhand konkreter Fallstudien aus dem Bereich der zeitgenössischen Kunst die Rolle von Propagandakunst bei der Gestaltung unserer heutigen Welt nach – vom Krieg gegen den Terror bis hin zum Aufstieg der Alt-Right. Doch jenseits dieser negativen Beispiele, die wir gemeinhin mit Propaganda assoziieren, gibt es laut Staal auch Formen progressiver, emanzipatorischer und ‚populärer‘ Propagandakunst, die sich in sozialen Bewegungen und neuen Praktiken der radikalen Demokratie äußert.
Staal, der über Propagandakunst promovierte, forscht und arbeitet zur Rolle der Kunst im Aufstieg der Alt-Right (dt. ‚alternative‘ bzw. ‚neue Rechte‘). Seine Installation „Steve Bannon: A Propaganda Retrospective (visual ecology)“ (2018) – eine Analyse der Bildsprache in Steve Bannons Filmschaffen aus Staals gleichnamiger Ausstellung im Het Nieuwe Instituut in Rotterdam – ist derzeit am HMKV in der aktuellen Ausstellung Der Alt-Right-Komplex zu sehen.
Der Vortrag findet am 05. September um 18:00 Uhr im Kino im Dortmunder U auf Englisch mit Simultanübersetzung ins Deutsche statt. Der Eintritt ist frei.
Der Vortag ist eine Veranstaltung im Rahmen der Erklärung der Vielen, zu deren Erstunterzeichnern der HMKV gehört.
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Jonas Staal, *1981, ist bildender Künstler, der sich mit der Verbindung von Kunst, Propaganda und Demokratie beschäftigt. Er ist der Gründer der künstlerischen und politischen Organisation New World Summit (2012-fortlaufend) und der Kampagne New Unions (2016-fortlaufend). Mit BAK, basis voor actuele kunst, Utrecht, gründete er die New World Academy (2013-16), und mit Florian Malzacher leitet er derzeit das utopische Trainingslager „Training for the Future“ (2018-fortlaufend) auf der Ruhrtriennale in Deutschland. Aktuelle Ausstellungsprojekte umfassen Art of the Stateless State (Moderna Galerija, Ljubljana, 2015), After Europe (State of Concept, Athens, 2016), Museum as a Parlament (mit der Demokratischen Föderation Nord-Syriens, Van Abbemuseum, Eindhoven, 2018) und The Scottish-European Parliament (CCA, Glasgow, 2018). Seine Projekte wurden unter anderem auf der 7. Berlin Biennale (2012), der 31. São Paulo Biennale (2014), der Osloer Architekturtriennale (2016) und der Göteborg Biennale (2017) ausgestellt. Zu den jüngsten Publikationen und Katalogen gehören Nosso Lar, Brasília (Jap Sam Books, 2014), Stateless Democracy (mit den Mitherausgebern Dilar Dirik und Renée In der Maur, BAK, 2015) und Steve Bannon: A Propaganda Retrospective (Het Nieuwe Instituut, 2018). Sein Buch Propaganda Art in the 21st Century erscheint bei MIT Press im Herbst 2019. Staal schloss seine Doktorarbeit über Propagandakunst am PhDArts-Programm der Universität Leiden (NL) ab.
Die Gruppenausstellung Der Alt-Right-Komplex – Über Rechtspopulismus im Netz setzt sich mit Rechtspopulismen auseinander, die heute insbesondere das Internet und die Sozialen Medien zur Verbreitung nutzen. Die zwölf internationalen künstlerischen Positionen werden begleitet von einer Publikation mit einem kritischen Glossar, das die wichtigsten Begriffe aus dem Kontext Alt-Right erklärt. HMKV im Dortmunder U, bis 22. September 2019, Eintritt frei
Die Vortragsreihe „The Kids Are Alt-Right“ wird durch die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie der Stadt Dortmund und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW gefördert.
HMKV (Pressemitteilung)
„Der Alt-Right-Komplex“ ist die bislang erfolgreichste Ausstellung des HMKV
Die best besuchte Ausstellung in der Geschichte des HMKV (Hartware MedienKunst-Verein) – „Der Alt-Right-Komplex – Über Rechtspopulismus im Netz“ – schließt diesen Sonntag, 22. September ihre Türen. Fast 15.000 Besucher*innen werden die Ausstellung bis Sonntagabend gesehen haben. Die internationale Gruppenausstellung setzt sich mit den Phänomenen Rechtspopulismus und -terrorismus sowie Online-Radikalisierung auseinander.
„Was mich wirklich überrascht hat, ist die Tatsache, dass die Ausstellung, deren Thema ja schon bei der Eröffnung Ende März höchst aktuell war, mit jedem Tag aktueller zu werden schien.“ stellt HMKV-Direktorin Dr. Inke Arns resümierend fest.
„Beim Blick in die Nachrichten – man denke nur an den rassistischen Attentäter von Christchurch, der sein perfides ‚Manifest‘ mit „Der große Austausch“ betitelte, oder an den Mordfall Walter Lübcke, dessen Mörder sich auf 4chan radikalisiert hat – dachte ich nur noch: Ja, all das wird ausführlich in unserer Ausstellung verhandelt. Das war – und ist – ziemlich unheimlich.“
Das belegt auch das anhaltende Interesse der Presse, die weit über die Eröffnung hinaus während des gesamten Ausstellungszeitraums berichtete:
– „Der Alt-Right-Komplex“ ist eine Ausstellung, die differenzierte Parallelen zwischen hasserfüllter Ideologie und Online-Bildern zieht, unter Berücksichtigung des psychologischen Minenfeldes, das über das Internet hinausgeht und in das Mainstream-Bewusstsein und in politische Ereignisse des realen Lebens eintritt.“- HYPERALLERGIC
– „Die Ausstellung zeigt grobe Bilder aus fernen Filterblasen. Doch was sich darin abspielt, das sollten wir alle wissen, denn es verändert die Welt.“ – MONOPOL
– „Wie kommt es, dass wir die ganze Zeit über Rechtspopulismus reden und dennoch offenbar so wenig Ahnung haben?“ – BENTO
– „Künstler*innen sind nicht gegenmissionarisch tätig, sondern mit analytischer, aufklärerischer Absicht … Keine Gegenargumentation also, sondern ein Entlarven von Strategien.“ – DEUTSCHLANDFUNK
– „[Am HMKV] hat man es sich zur Aufgabe gemacht, in engagierten Themenausstellungen fundierte Gegenwartsanalysen zu vermitteln. … Innerhalb gegenwärtiger Debatten um die Autonomie der Kunst, Kunst und Politik oder einer Politik der Kunst, bezieht man damit eine klare Position.“ – ARTMAGAZINE