Voraussichtlich im Oktober wird der Heimatverein Mengede wieder Präsenzveranstaltungen im „Heimathaus am Widum“ anbieten, denn dann sollen die umfangreichen Sanierungsarbeiten abgeschlossen werden – Anlass für die Denkmalbehörde Dortmund, das Objekt an der Williburgstraße 27 als „Denkmal des Monats Oktober 2021“ vorzustellen.
In der „Freiheit“ am „Emscher-Dom“
Wie Urkunden bezeugen, stand bereits 1666 an dieser Stelle das älteste Gasthaus Mengedes – allerdings in einem Vorgängerbau. Das heutige Fachwerkgebäude wurde vermutlich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut. Zusammen mit weiteren Fachwerkhäusern aus dieser Zeit bildet es einen Kreis um die romanische Remigiuskirche, welche im Volksmund auch „Emscher-Dom“ genannt wird.
Abseits des heutigen Mengeder Zentrums, das sich im 20. Jahrhundert entwickelt hatte, findet man hier einen der am besten erhaltenen historischen Ortskerne Dortmunds. Ursprünglich von Wasser umgeben, vermittelt der heute stille Platz mit seinem Häuserring einen Eindruck von einer alten „Freiheit“, auch Widum genannt.
Die Häuser und Bewohner*innen standen damals unter dem besonderen Schutz von „Haus Mengede“ und genossen einige Privilegien wie die Befreiung von bestimmten Steuern. Haus Mengede war ein Rittersitz (1260-1270 errichtet). Die heute noch erhaltenen Grundmauern sind gut ablesbar und als Bodendenkmal in der Denkmalliste verzeichnet.
Viele Veränderungen am Gebäude: Vom Gasthaus zur kindgerechten Einrichtung
Als ursprüngliches Gasthaus hatte das heutige „Heimathaus am Widum“ besondere Funktionen, die es bis ins 20. Jahrhundert auf verschiedene Weise ausfüllte: als Treffpunkt, Postkutschenstation und es war sogar mit einem ersten öffentlichen Telefon, einer sogenannten „Gasthofsprechstelle“ ausgestattet. Als die letzte Gastwirtin keine Nachfolge finden konnte, fand 1996 eine sehr lange Tradition ihr Ende.
Zwischen 1997 und 2009 nutzte die Räume das Eltern-Kind-Haus Regenbogen. Nach drei Jahren Leerstand vermietete der neue Eigentümer das Haus 2012 an den Mengeder Heimatverein. Dessen Mitglieder fanden ein Gebäude vor, das viele Veränderungen erlebt hatte. Zwar war die teilweise Verkleidung des Fachwerks mit Bohlen und Zementputz bereits 1990 entfernt worden.
Besonders im Inneren erinnerte nur noch wenig an eine Gastwirtschaft. Denn die Nutzung als Kindertagesstätte „Regenbogenhaus“ hatte eine Reihe kindgerechter Umbauten zur Folge, u.a. auch den Ausbau des Tresens. „Und alles war bunt, wie es Kinder mögen“, erinnert man sich beim Heimatverein.
Das denkmalgeschützte Haus ist heute wieder Vereinstreffpunkt
War das Haus außen in den Jahren zuvor immer wieder in Stand gesetzt worden, unter anderem durch den Austausch schadhafter Gefachhölzer oder die Erneuerung von Holzfenstern und Teilen des Dachs, so wartete im Inneren auf die Mitglieder des Heimatvereins viel Arbeit.
Rückbauten wie die Entfernung von Zwischenwänden und Verkleidungen aus Gipskarton oder von PVC-Bodenbelag erforderten den Einsatz vieler Helfer:innen. Heute vermittelt der Gastraum auch durch seine Einrichtung wieder das Bild eines alten Traditionslokals.
Nicht nur Veranstaltungen und gemütliche Abende des Heimatvereins finden hier statt. „Auch kleineren Vereinen, die sonst keine andere Möglichkeit haben, geben wir Obdach für ihre Versammlungen“, so der Vorsitzende des Mengeder Heimatvereins Hans-Ulrich Peuser.
Der Heimatverein hat das Gebäude inzwischen intensiv erforscht
Inzwischen hat der Heimatverein das Gebäude, das er 2022 auch als Eigentümer übernehmen wird, intensiv erforscht. So wurde auf dem Dachboden hinter abgestellten Dingen aus vielen Jahrzehnten eine Räucherkammer entdeckt, zu der eine Tür mit kleinem Fenster führte. Selbst die alten Fleischhaken und Ketten an den Wänden sind noch vorhanden.
An anderer Stelle gibt es einen kleinen Raum, vermutlich eine Gesindekammer, deren Decke mit angenagelten Lederstreifen notdürftig wasser- und staubdicht gemacht wurde.
Um diese Räume sowie den ursprünglichen Bierkeller und das Treppenhaus sachgerecht zu sanieren und mit historischen Exponaten für Besucher:innen erlebbar zu gestalten, war man auf den Einsatz verschiedener Handwerker aus der Region und entsprechende finanzielle Förderung angewiesen.
Großzügige Förderung aus dem Förderprogramm „Heimat-Zeugnis“ des Landes NRW
Die zuständige Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung Ina Scharrenbach persönlich überbrachte einen Scheck über 130.000 Euro aus dem Förderprogramm „Heimat-Zeugnis“ des Landes Nordrhein-Westfalen, der 90 Prozent der Kosten abdeckt.
Stolz ist der Heimatverein darauf, dass alle Arbeiten noch in den nächsten Monaten erledigt sind und die Fördermittel schon ein Jahr eher abgerechnet werden können. Weitere Arbeiten warten in der Zukunft: Wenn eine der beiden vermieteten Wohnungen im Haus frei wird, soll sie saniert und historisch eingerichtet werden, um als Musterwohnung das Leben in vergangenen Zeiten zu veranschaulichen.
So bewahrheitet sich eine Stellungnahme der Dortmunder Denkmalbehörde von 2012: Die Umnutzung des damals leer stehenden Baudenkmals durch den 2002 gegründeten Heimatverein Mengede sah man „als durchweg positiv: für das Baudenkmal, seine geschützte Umgebung und nicht zuletzt auch für die Umsetzung der Vereinsziele, die indirekt der Denkmalpflege zugutekommen.“
Verborgenes Fachwerk am Heimathaus am Widum
Wer das Heimathaus am Widum – vor allem aus der Ferne – zum ersten Mal sieht, wird überrascht sein. Fachwerk? Das ist nur an einer Seite zu sehen, und zwar am östlichen Giebel, dessen oberes Dreieck mit einer Holzverbretterung verkleidet ist, wie man sie häufiger an Gebäuden aus dieser Bauzeit findet.
Der gegenüberliegende westliche Giebel war ursprünglich zum Wetterschutz verschiefert. Die Hauptfassade an der Straße scheint dagegen aus Stein zu sein. Macht man eine „Klopfprobe“ klingt es aber nicht steinern, sondern hölzern. Und tatsächlich sind hier dem Fachwerk breite Holzbohlen vorgeblendet, die in etwa die Höhe von üblichen Natursteinen haben. Senkrechte Nuten in den Bohlen erzeugen das Bild von einzelnen Natursteinquadern.
Selbst auf ein Gesims, das zum Dach überleitet, ein sogenanntes Kranzgesims, wurde nicht verzichtet. Ein unterlegter Zahnschnitt, ein der griechischen Tempelarchitektur übernommenes Schmuckelement, vervollständigt das Erscheinungsbild einer klassizistischen Architektur.