Die Döcker-Turnhalle stellte Christoph & Unmack 1911 in Dresden vor

Denkmal des Monats: Die Holzturnhalle in Brackel – ein „Provisorium“ wird diesen Monat 100!

Die Holzturnhalle an der Hörder Straße 29 in Brackel wurde im August 1922 in Betrieb genommen.
Die Holzturnhalle an der Hörder Straße 29 in Brackel wurde im August 1922 in Betrieb genommen. Foto: Günther Werz

Ein „Provisorium“ wird 100! – die Holzturnhalle an der Hörder Straße 29 in Brackel ist das Denkmal des Monats August. „Provisorium“ ist hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt: es kommt auf den Blickwinkel an, ob man die Brackeler Holzturnhalle auch nach 100 Jahren noch so bezeichnen will oder ob sie vielleicht ganz im Gegenteil für Nachhaltigkeit steht. Daher stellt die Dortmunder Denkmalbehörde das unter Schutz stehende Objekt, das im August 1922 in Betrieb genommen wurde, als Denkmal des Monats August 2022 vor.

Eine Idee für magere Zeiten?

Im August 1922 war der Erste Weltkrieg knapp vier Jahre vorbei. Die wirtschaftliche Not war in diesen Nachkriegsjahren groß. Die Fa. Christoph & Unmack, Herstellerin der Brackeler Holzturnhalle, beklagte in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1922: „Das Inlandsgeschäft war sehr still, was auf die ins Ungemessene gestiegenen Preise für Holzrohstoffe zurückzuführen ist.“

Andererseits empfahl die Reichsschulkonferenz 1920 der neu gegründeten Weimarer Republik eine tägliche Sportstunde zur besseren Gesundheitserziehung. An der damaligen Hindenburgschule in Brackel fehlte noch eine angemessene Unterrichtshalle.

Trotz der hohen Holzpreise war die „zerlegbare, transportable Döcker-Turnhalle“ eine kostengünstigere und vor allem schneller zu realisierende Alternative zu einem Massivbau. Dortmund hatte bereits gute Erfahrungen mit einer ähnlichen, Anfang 1922 in Betrieb genommenen Halle an der alten Reinoldischule in der Innenstadt gemacht.

Vom Lazarett zur Gefangenen-Baracke

Foto: Günther Werz

Am Anfang stand eine transportable, aus hölzernen Fertigteilen zu bauende Lazarett-Baracke. Rittmeister Döcker hatte sie nach den Kriegserfahrungen 1870/71 für das Sanitätswesen des preußischen Militärs entwickelt. Fabriziert wurde sie ab den 1880er Jahren von den Holzbauern Christoph und Unmack.

Sie stellten bald auch einfache Holzhäuser aus Fertigbauteilen her, ab 1900 zudem komfortablere Land- und Familienhäuser. Einige entwarfen bekannte Architekten wie Hans Scharoun, Henry van de Velde, Hans Poelzig oder Konrad Wachsmann, so das Sommerhaus für Albert Einstein in Caputh oder das erste deutsche Botschaftsgebäude in Ankara.

Aufschwung erlebte die nie ganz eingestellte „Baracken-Produktion“ während der nationalsozialistischen Herrschaft. Baracken von Christoph & Unmack dienten sowohl als Unterkünfte für den Reichsarbeitsdienst als auch in Konzentrations-, Gefangenen- und Arbeitslagern. Konsequenterweise konfiszierte und demontierte die sowjetische Besatzungsmacht 1945 die Betriebsanlagen.

Eine Turnhalle im Komplett-Paket mit Sportgeräten

Foto: Judith Nahler

Die Döcker-Turnhalle stellte Christoph & Unmack zum ersten Mal auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden vor.

Mit den Vereinigten Turngeräte-Fabriken A. Zahn – Christoph & Unmack präsentierten sie „die erste vollständig gebrauchsfertig eingerichtete Turnhalle“ mit bereits fest eingebauten Turngeräten wie Kletterstangen, Recks, Klettertauen, Ringen an Schaukeln und einer Kletter-Sprossenwand.

Nach Vorgaben der Deutschen Turnerschaft lieferte die Firmengemeinschaft auch transportable Geräte wie Barren, Springböcke und selbst Matratzen, Hanteln und Bälle mit. Neben Umkleide- und Sanitärräumen sowie einem Lehrerzimmer gab es auch einen „Samariterraum“ mit zwei Betten, eins auch als „Tragbahre“ verwendbar.

Diese Musterhalle stellte die aufwendigste Ausstattungsvariante dar. Besteller konnten aber Größe und Einrichtung nach eigenen Wünschen anpassen lassen. Christoph & Unmack warb auch mit der Möglichkeit, die Turnhalle schnell abbauen und an einen anderen Platz versetzen zu können.

Die Brackiger Turnhalle ist die einfachere Variante

Schon am einfachen Satteldach erkennt man die bescheidenere Variante der Brackeler Turnhalle im Gegensatz zur Musterhalle von 1911 mit ihrem repräsentativ-dominanten Walmdach. Ein steinernes Pfeilermauerwerk bildet das Fundament der aus zweischalig hergestellten Nadelholz-Wänden mit dazwischen liegender Rahmenkonstruktion aufgerichteten Halle.

Stabilität erhält sie durch vier innenliegende und damit vor äußeren Einflüssen geschützte Holzbinder. Den Boden deckt ein Vollholz-Parkett im Fischgratmuster. Ein niedriger Anbau an der Nordseite bietet ein einfacheres Programm von Nebenräumen: Sanitär- und Umkleideräume für Schüler:innen und Lehrer:innen sowie einen Geräteraum. Welche der heute vorhandenen Sportgeräte zur Erstausstattung gehörten, lässt sich nicht mehr ohne weiteres bestimmen.

Stabil und intensiv genutzt

Nach Schließung der Schule Anfang der 1990er Jahre nutzten VHS, Bibliothek und das Kultur- und Bildungszentrum „balou“ die verschiedenen Gebäude. Auch die Turnhalle blieb nicht leer. Inzwischen vom Verein Takemusu Aidkido Dortmund gepachtet und verwaltet, werden neben Kursen dieser japanischen Kampfsportart von anderen Vereinen wie dem balou, Sportkurse für ein breites Publikum angeboten. Die Palette reicht von Akrobatik und Jonglage für Kinder über Fitnesskurse, Body Workout, Zumba bis zum Mobilitätstraining für Senioren und Reha-Sport.

Zwar waren kürzlich einige Reparaturarbeiten erforderlich wie die Sanierung der Dachdeckung und der Fenster an der südlichen Fassadenseite – so wie bei Bauten dieses Alters üblich, auch wenn sie in anderer Bauweise errichtet wurden. Aufgrund der sorgfältigen und handwerklich soliden Bauausführung ist die Holzturnhalle Brackel schon lange kein Provisorium mehr, auch wenn sie vielleicht als solches gedacht war.

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