Bei Schachtarbeiten in der Schwarzen-Brüder-Straße an der Probsteikirche gelang es Archäologen, mittelalterliche Körpergräber zu dokumentieren. In der Innenstadt werden heutzutage die Plätze um die Kirchen kaum noch als Friedhöfe wahrgenommen. Grund genug für die Denkmalbehörde, die spannenden Grabbefunde vorzustellen.
Bei Schachtarbeiten stoßen Archäologen auf mittelalterliche Körpergräber
Etwa ein halber Meter. Soviel liegt in der Innenstadt von Dortmund zwischen der Gegenwart und der wechselvollen und Jahrhunderte alten Vergangenheit der Stadt. Um diese Zeugnisse der Frühen Neuzeit, dem Mittelalter oder längst vergangener Kulturen aus der Vorgeschichte zu sichern, werden alle Erdarbeiten durch Archäologen begleitet. ___STEADY_PAYWALL___
So auch die aktuellen Tiefbauarbeiten der DEW21, die seit Anfang des Jahres an zahlreichen Stellen in der Innenstadt die neuen Leitungen für das moderne Fernwärmenetz verlegt. Bei den Schachtarbeiten in der Schwarzen-Brüder-Straße an der Probsteikirche gelang es den Archäologen der Firma LQ Archäologie, nun mittelalterliche Körpergräber zu dokumentieren.
In der pulsierenden Innenstadt werden heutzutage die Plätze um die Kirchen kaum noch als Friedhöfe wahrgenommen. Grund genug für die Denkmalbehörde, einen kurzen Moment am Ort des Geschehens zu verweilen und die spannenden Grabbefunde vorzustellen.
Knochen auf geweihtem Boden
„Wir haben menschliche Knochen gefunden. Womöglich ist es ein Grab“, so informierte der Archäologe der Firma LQ Archäologie die Denkmalbehörde der Stadt über die neuen Ereignisse an der Probsteikirche. Zwar war diese Meldung grundsätzlich keine große Überraschung, denn mit der Christianisierung seit Karl dem Großen erfolgten die Bestattungen meist auf den, an die Kirchen angrenzenden, Kirchhöfen bzw. hinter den Klostermauern.
Aus der ersten Meldung von „nur“ ein paar Zähne und stark zerdrückte Schädelteile, die wahrscheinlich im Zuge von einem Bodeneingriff des vergangenen Jahrhunderts beschädigt und verlagert worden waren, wurden am Ende jedoch die Bestattungen von 19 Individuen, die das Archäologenteam frei legte. Nahezu alle Skelette befanden sich noch in ihrem anatomischen Verband, waren also seit der Bestattung nicht durch Umbettungen oder moderne Bodeneingriffe gestört worden.
Eine wichtige Erkenntnis, denn die einzelnen, annähernd Ost-West orientierten Bestattungen lagen nicht geordnet nebeneinander. Stattdessen konnten die Experten zahlreiche Überschneidungen unter den Grablegen feststellen. Ein Beleg für den sehr begrenzten Bestattungsraum innerhalb des geweihten Areals. Die Beobachtungen bezeugen aber auch die Unwichtigkeit eines individuellen Bestattungsplatzes, wie es für uns in der heutigen Zeit geläufig ist. Wichtig für die Verstorbenen war allein der Verbleib im Kirch- oder Klosterhof, denn dieser war in die gottesdienstlichen Feiern mit einbezogen und die Reliquien entfalteten hier ihre Wirkung.
Gegen allen Widerstand
Es ist der 30. Mai im Jahre 1309, an dem der Ordo fratrum Praedicatorum (Orden der Predigerbrüder), besser unter dem Namen Dominikanerorden bekannt, von Heinrich VII das Privileg erhält, in Dortmund ein Kloster zu gründen. Doch in der freien Reichs- und Hansestadt regt sich heftiger Widerstand gegen die Niederlassung der Mönche.
Zweimal, 1313 und 1315 müssen sich die Ordensbrüder der vereinigten Gegenwehr aus Bürgern, Rat und Klerus beugen und Hals über Kopf die Stadt verlassen. Erst im Jahre 1330 gelingt den Mönchen durch eine List die Gründung eines Klosters im mittelalterlichen Dortmund. Will man der Chronik der Dominikaner Glauben schenken, so sollen die Ordensbrüder verkleidet die Stadt durch unterschiedliche Stadttore betreten haben.
Im Gepäck hatten sie das notwendige Baumaterial, vormontierte Bauelemente, Altäre und eine Glocke für eine Kapelle. Auch die erforderlichen Handwerker zur Errichtung des sakralen Gebäudes hatte man außerhalb von Dortmund angeheuert. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde eine kleine Kapelle errichtet und im Morgengrauen geweiht. Damit war der Grundstein für das Dominikanerkloster in Dortmund gelegt.
Gründerväter, reiche Bürger oder Mitglieder einer Gilde?
Bereits im Zuge der fortschreitenden Ausgrabung stellte sich immer wieder die Frage, um wen es sich bei den Bestatteten wohl handeln dürfte. Waren es Mönche des Bettelordens? Hatte man womöglich sogar die Gebeine der Gründerväter des Dominikanerklosters von Dortmund gefunden? In diesem Fall wären die Verstorbenen wahrscheinlich keine Dortmunder gewesen, sondern stammten ursprünglich aus der Ferne.
Zwar war es im 11. und 12. Jahrhundert noch verboten, Nichtangehörige eines Klosters auf dem Klostergelände zu bestatten. Doch spätestens seit Beginn des 14. Jahrhunderts, also zeitgleich mit der Gründung des Dominikanerklosters, wird dieses Bestattungsverbot vielerorts nach einem Generalkapitellbeschluss aufgehoben. Viele Bettelorden begannen unmittelbar nach ihrem Einzug in die mittelalterlichen Städte Laienbestattungen durchzuführen.
Dieses Bestattungsgeschäft war sehr lukrativ und spülte dringend benötigtes Geld in die Klosterkasse. Vor diesem Hintergrund darf daher auch spekuliert werden, ob es sich bei den Toten aus der Schwarzen-Brüder-Straße um wohlhabende Bürger Dortmunds oder Mitglieder einer dem Kloster nahestehenden Gilde handelt.
Des Rätsels Lösung – Naturwissenschaftliche Untersuchungen
Mittlerweile sind die Ausgrabungen in dem Bereich des Friedhofs abgeschlossen und neue Fernwärmeleitungen liegen unter dem Straßenpflaster. Doch die Fragen nach Alter, Herkunft, Geschlecht oder Todesursache der Bestatteten sind weiterhin ungeklärt. In den kommenden Monaten sollen unterschiedliche Analysen und naturwissenschaftliche Auswertungen am menschlichen Knochenmaterial Abhilfe schaffen.
Mit der sogenannten Radiokohlenstoffdatierung sollen Hinweise zum Alter der Knochenfunde gewonnen werden. Die Ergebnisse werden zeigen, ob die Verstorbenen im 14., 15. oder vielleicht auch 17. Jahrhundert gelebt haben. In einem zweiten Schritt werden Strontium-Analysen an den Zähnen vorgenommen. Das Element, welches von jedem Menschen während der ersten Kinderjahre aufgenommen wird, ist im Zahn gespeichert. Nicht umsonst nennen die Fachleute daher das menschliche Gebiss das Archiv der Kindheit.
Die Auswertungen des Strontiumgehaltes sagen den Archäologen dann, was der Mensch gegessen hat und woher er stammt. Mit etwas Glück lassen sich zudem genauere Informationen zum Alter und Geschlecht des Verstorbenen und zu Krankheiten machen, die womöglich ursächlich für den Tod waren.
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