Demonstration gedachte zum 20. Jahrestag dem ermordeten Thomas „Schmuddel“ Schulz

350 Teilnehmende zogen am Samstag friedlich durch Teile der City

Am gestrigen Abend fand bereits eine Gedenkkundgebung für Thomas Schulz statt. Foto: Leopold Achilles für Nordstadtblogger.de

Der Mord an dem Punker Thomas Schulz jährte sich heute (28. März) zum 20. Mal. Eine Demonstration gedachte dem Opfer rechtsextremer Gewalt in der Dortmunder City. Redner:innen machten auf die anhaltende Gefahr durch Rechtsextremismus aufmerksam und kritisierten den Umgang der Sicherheitsbehörden und der Justiz.

2005 erstach ein Dortmunder Neonazi den Punker Thomas Schulz an der Kampstraße

„Thomas Schulz, das war Mord, Widerstand an jedem Ort“, hallte es am Samstagnachmittag über die Kampstraße. Mehr als 300 Menschen hatten sich dort versammelt, um in einer Demonstration dem 2005 ermordeten Punker Thomas Schulz, genannt „Schmuddel“, zu gedenken. Der Familienvater hatte gemeinsam mit Freund:innen ein Konzert besuchen wollen, sich nach einem Wortgefecht mit einem bekannten Dortmunder Neonazi in der U-Bahn-Station Kampstraße aber doch dagegen entschieden.

In der U-Bahn-Haltestelle Kampstraße erstach der Neonazi Sven K. den Punker Thomas Schulz. Foto: Paulina Bermúdez

Auf dem Weg nach Hause traf der damals 31-Jährige Schulz am Bahngleis erneut auf den polizeibekannten rechten Gewalttäter Sven K.. Der Punker wollte den Nazi für seine Beschimpfungen zur Rede stellen, doch der 17-Jährige Sven K. stach mit einem Messer unvermittelt auf „Schmuddel“ ein. Ein Stich traf ihn direkt ins Herz. Thomas Schulz erlag kurz später seinen schweren Verletzungen. Er hinterließ seine Frau und drei Kinder.

Die Brutalität der Ermordung schreckte die Stadtgesellschaft auf und beschäftigt sie bis heute. Doch Thomas Schulz ist in Dortmund nicht das erste und auch nicht das einzige Todesopfer rechtsextremer Gewalt: 1992 erschoss der Neonazi Fred S. nach einem Kneipenbesuch in Westerfilde einen migrantischen Mann auf offener Straße, im Jahr 2000 erschoss der Neonazi Michael Berger drei Polizist:innen und anschließend sich selbst. Und 2006 – ein Jahr nach dem Mord an Thomas Schulz – erschoss der rechtsextreme „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) den Familienvater Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk an der Mallinckrodtstraße.

Kritik an Justiz und Polizei: Thomas Schulz ist eines von sechs Todesopfern rechter Gewalt

Wie auch in den Fällen Fred S. und Michael Berger, schloss die Justiz ein rechtsextremes Motiv des Täters K. nach dem Mord an Thomas Schulz umgehend aus. Es habe sich um „Mord aus Heimtücke“ gehandelt, verkündete Oberstaatsanwältin Dr. Ina Holznagel nach der Tat. Erst 2024 wurde der Mord an Thomas Schulz offiziell als politisch-motivierte Straftat mit rechtem Motiv anerkannt.

Der Mord des ebenfalls von Neonazis getöteten Mehmet Kubaşık war auch Thema. Foto: Paulina Bermúdez

Im Fall des NSU und des Mordes an Mehmet Kubaşık framte die Presse die Mordserie rassistisch als „Döner-Morde“ und die Polizei unterstellte den Angehörigen kriminelle Machenschaften, die als Ursache der bundesweiten Hinrichtungen migrantischer Männer gesehen wurden. Trotz Zeugenaussagen, die Angaben zu Skinheads an NSU-Tatorten – auch in Dortmund – machten, wurde nicht in Richtung der rechtsextremen Szene ermittelt. Der rechtsextreme Mord an Mehmet Kubaşık gilt erst seit 2011 als solcher, nachdem sich die rechtsextremen Täter:innen mit einem Bekennervideo selbst enttarnten.

Dass die rechtsextremen Morde teils bis heute nicht offiziell als solche betitelt werden, dass Angehörige kriminalisiert wurden, dass gezielt nicht in Richtung der (hiesigen) rechten Szene ermittelt wurde, beanstandeten die Redner:innen. Zu Beginn der Demonstration richtete die Tochter des ermordeten Mehmet Kubaşık, Gamze Kubaşık, einige Worte in einer Sprachaufnahme an die Demonstration.

Gamze Kubaşık: Schulz‘ Tod als Symbol der bis heute anhaltenden Gewalt und Intoleranz

„Thomas war ein Punk, ein Mensch, der für seine Überzeugungen einstand und sich für die persönliche Freiheit jedes Einzelnen aussprach“, sagte sie und fuhr fort: „Der schreckliche Verlust von Thomas ist nicht nur ein tragisches Ereignis in der Geschichte unserer Stadt, er steht symbolisch für die Gewalt und Intoleranz, die immer noch in unserer Gesellschaft existiert. Sein Tod durch die Hand eines Neonazis erinnert uns daran, dass der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und jede Form von Diskriminierung niemals enden darf.“

Die Demonstration zog mit Transparenten durch die Innenstadt. Foto: Paulina Bermúdez

Nach ihrem Redebeitrag startete die Demonstration um 14.30 Uhr an der Kampstraße und zog über die Reinoldikirche und den Schwanenwall zum Ostentor. Am Landgericht angekommen fand eine Zwischenkundgebung statt. Anschließend ging es zurück in die City, wo auf dem Hansaplatz eine zweite Zwischenkundgebung abgehalten wurde. Endpunkt der Demonstration war das Polizeipräsidium. Gegen 17.30 Uhr wurde die Veranstaltung durch die Organisator:innen, die „Autonome Antifa 170“ und die „Antifaschistische Union“ beendet.

Die Polizei bewertete die Demonstration als friedlich, der Ablauf sei weitestgehend störungsfrei verlaufen. Eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch stellte die Polizei aber, denn am Wall, auf Höhe des Fritz-Henzler-Hauses, ertönten gegen 15.30 Uhr laute Knallgeräusche und ein Transparent wurde von einem Baugerüst hinabgerollt. Die Aufschrift des Transparents war jedoch nicht zu lesen, da es sich nicht vollständig ausbreitete.


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Reaktionen

  1. 500 Antifaschist*innen ziehen mit einer Gedenkdemo durch die Dortmunder Innenstadt (PM Autonome Antifa 170)

    Am heutigen Samstag zogen rund 500 Antifaschist*innen von der Kampstraße
    am Landgericht vorbei durch die Innenstadt bis zum Polizeipräsidium. Die
    Demonstration fand anlässlich des 20 Todestag von Thomas Schulz statt,
    der 2005 von einem Neonazi in der U-Bahn-Haltestelle Kampstraße
    erstochen wurde.

    „Wir sind zufrieden, dass wir heute mit einer kämpferischen Demo an
    Thomas Schulz und die Kontinuität rechter Gewalt erinnern konnten“,
    resümiert Kim Schmidt, Pressesprecherin der Autonomomen Antifa 170.

    Am Startkundgeung hielt die Gruppe Erinnern.Verändern eine Rede
    Erinnerungspraxis an Opfer Rechter Gewalt. Auch ein Grußwort vom Gamze
    Kubasik wurde abgespielt. Die Tochter des vom NSU ermordeten Mehmet
    Kubasik machte deutliche, dass wir für eine Gesellschaft ohne Hass und
    Rassismus einstehen müssen.

    Am Landgericht wies die Antifaschistische Union Dortmund auf die
    Entpolisierung rechter Gewalttaten durch Stadt, Polizei und Justiz hin.
    „Dass der Mord an Thomas Schulz erst 19 Jahre später offiziell als
    politisch motivierte Tat anerkannt wude, bleibt an Skandal. Die
    Dortmunder Justiz hat über Jahre dazu beigetragen, dass Neonazis
    Gewalttaten in dieser Stadt ausüben konnten“, schließt sich Schmidt der
    Kritik an.

    Am Hansaplatz wies die Autonome Antifa 170 daraufhin, dass Dortmund
    weiterhin ein Naziproblem hat. Schmidt fasst zusammen: „Die Aussage vom
    Polizeipräsidium, dass die Naziszene in Dortmund zerschlagen sei, ist
    eine massive Fehleinschätzung. Im Gegenteil: wir sehen, dass sich
    Neonazis neu organisieren und auch wieder junge Leute an sich binden“.

    Am Polizeipräsidium fand die Abschlusskundgebung statt. Dort wurde in
    einem Redebeitrag nochmal darauf hingewiesen, dass auch die Polizei, die
    rechte Gewalt in Dortmund jahrelang unterschätzt und verharmlost haben.
    Ebenso wurde eine Redebeitrag vom Bündnis „Tag der Solidarität“
    verlesen, der die Ermordung von Mehmet Kubaşık thematisierte und die
    Gedenkveranstaltung an dessen Todestag am 4. April bewarb.

    Mit dem Verlauf der Demonstration sind die Organisator*innen zufrieden.
    „Zwischendurch wurde von Unbekannten von einem Dach ein Transparent
    entrollt und Pyrotechnik gezündet, was auf der Demonstration für gute
    Stimmung sorgte. Vereinzelt gab es, rechte Provokationen von
    Passant*innen, überwiegend haben wir aber sehr positive Reaktione für
    unser Anliegen erfahren“, fasst Kim Schmidt zusammen.

    So konnte sich die Demonstration dafür einsetzen, dass der traurige Mord
    an Thomas Schulz in Dortmund nicht in Vergessenheit gerät.

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