Ein lautstarkes und farbenfrohes Zeichen für Toleranz, Vielfalt, Demokratie und gegen Homophobie und Rassismus hat die Dortmunder Stadtgesellschaft am Samstag gesetzt. Gemeinsam zeigten eine Vielzahl von Organisationen und Menschen, dass Neonazis in Dortmund nicht willkommen sind.
Neonazis hetzen gegen Demokraten, Homosexuelle und Ausländer
An der Reinoldikirche fand der traditionelle Christopher Street Day (CSD) statt, mit dem Schwule, Lesben und Transidente für Vielfalt und gleiche Rechte eintreten. Schätzungsweise 10.000 Besucherinnen und Besucher kommen nach Veranstalterangaben in jedem Jahr zu der Veranstaltung.
Nur einen Steinwurf entfernt hatte die Partei „Die Rechte“ zu einer Kundgebung an der Katharinentreppe angemeldet. Offiziell als Protest gegen das Verbot des „Nationalen Widerstands Dortmund“ (NWDO) vor zwei Jahren angemeldet, nutzten sie aber auch die Gelegenheit, gegen Homosexuelle, Ausländer und politisch Andersdenkende zu hetzen.
So forderten die Rechtsextremen die Wiedereinführung des von den Nazis im Dritten Reich verschärften § 175, der Homosexuelle kriminalisierte und vielen Schwulen in Gefängnissen und Konzentrationslagern das Leben kostete. Aber die Neonazis zelebrierten auch ihre Großmachtphantasien, in denen sie als einzige Partei in den Parlamenten säßen und Deutschland von allem „Nicht-Deutschen“ gereinigt werde…
Nur 85 Neonazis kamen zur Kundgebung und gerieten in die Defensive
Allerdings brachte die Partei „Die Rechte“ lediglich 85 Mitglieder und Unterstützer auf die Straße. Darunter waren auch Mitglieder der NPD: Mit von der Partie war NPD-Ratsmitglied Axel Thieme, der bereits wegen eines Angriffs auf einen CSD-Besucher verurteilt wurde. Er stand am Rande und plauschte mit SS-Siggi Siegfried Borchardt, der sein Ratsmandat bereits wieder niedergelegt hat.
Frühzeitig hatte das Bündnis „BlockaDO“ die Katharinentreppe besetzt: Bis zu 350 Antifaschistinnen und Antifaschisten hatten die Fußgängerzone in Besitz genommen.
Eine vom CSD-Veranstalter SLADO e.V. und dem Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus organisierte Demo führte zudem 400 Demokratinnen und Demokraten an die Nazikundgebung heran. Daher waren die Naziparolen kaum zu hören.
Neue Polizeitaktik erlaubte Begegnungen in Ruf- und Hörweite
Die Polizei ließ die Demonstranten so dicht an die die Neonazis heran, wie schon seit Jahren nicht. Dies sorgte dafür, dass es von sehr ungewöhnlicher Seite Lob für die Einsatzstrategie gab: Helmut Manz, in den früheren Jahren mehrfach Anmelder der großen autonomen Antifa-Demos gegen die Neonazi-Aufmärsche und scharfer Kritiker der Polizeibehörde, lobte die neue Taktik der Polizei.
Die Einsatzleitung habe Ermessensspielräume genutzt und dafür gesorgt, dass auf unverhältnismäßig große Aktionen gegen Sitzblockierer – zum Beispiel eine Räumung der Katharinenstraße – verzichtet wurde. Zudem seien Interaktionen zwischen Neonazis und Demokraten Auge in Auge möglich gewesen.
Neonazis waren sichtlich erzürnt – sie hatten mit den juristischen Schlappen nicht gerechnet
Sichtlich erzürnt reagierten daher die Neonazis, weil sie nicht wie erhofft Angst und Schrecken verbreiten konnten. Denn das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht hatten die Verbote der Mottohemden „StadtSchutz Dortmund“ und „Weg mit dem NWDO-Verbot“ sowie die strikten Auflagen des Dortmunder Polizeipräsidenten Gregor Lange bestätigt. Mit dieser juristischen Schlappe hatten sie nicht gerechnet.
Außerdem sahen sie sich nicht nur sprichwörtlich in die Ecke gedrängt: Denn „ihr“ Platz war besetzt und hunderte Antifaschisten waren an verschiedenen Punkten in der Innenstadt unterwegs. Daher mussten die Neonazis ihre Kundgebung 50 Meter vom bestätigten Platz entfernt abhalten. Am Ende standen sie in eine Ecke unterhalb der Petrikirche gedrängt – zwischen Bauzäunen, Hauswand und Antifaschisten.
Neonazis attackierten Journalisten – Polizisten durch Pfefferspray und Chemikalien verletzt
Daher reagierten die Neonazis äußerst aggressiv auf Gegendemonstranten und Journalisten. Mehrfach attackierten Neonazis Medienvertreter verbal und körperlich – teilweise mit Pfefferspray in der Hand. Ein Reporter wurde dabei auch zu Boden gestoßen.
Zudem wurden Polizeibeamte durch einen Neonazi verletzt, der Gegendemonstranten mit Pfefferspray attackieren wollte und dabei Beamte traf. Gegen ihn wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.
Aber auch von einigen Gegendemonstranten wurde der ungewohnte Bewegungsspielraum missbraucht: Auch hierbei wurden – unter anderem durch Einsatz einer ätzenden Chemikalie – 13 Polizisten leicht verletzt.
Empörung über geheim gehaltene Kundgebung in der Nordstadt
Während die Neonazis ihre Kundgebung in der City – mit 85 Teilnehmern zur ein Schatten früherer Aufmärsche – als einen Schlag ins Wasser verbuchen konnten, erzielten sie zumindest in der Nordstadt noch einen kleinen Erfolg. Denn dorthin hatten sie in der Nacht zuvor eine Demo angemeldet, um gegen die Besetzung einer leerstehenden Kirche durch Alternative und Autonome zu protestieren (nordstadtblogger.de berichtete darüber).
Im Kooperationsgespräch mit der Polizei wurde den Neonazis der Marsch von der City in die Nordstadt zwar untersagt – aber die Anmeldung einer Standkundgebung wurde ihnen bestätigt. Der Erfolg bestand darin, dass die Polizei die Stadtgesellschaft darüber nicht informierte und auch die Neonazis dies ebenfalls nicht publik machten.
So konnten sich darauf keine Gegendemonstranten einstellen – entsprechend empört reagierten daher Politiker und Antifaschisten. Vor allem auch deshalb, weil die Autonomen in der Kirche sich von den Neonazis bedroht fühlten – die Polizei sei trotz der Bestätigung der Kundgebung zu Beginn der Veranstaltung nur sehr spärlich mit Kräften in der Nordstadt vertreten, kritisierten Augenzeugen.
Migranten bereiteten Neonazis einen ungemütlichen Empfang
Allerdings sorgten die Bewohnerinnen und Bewohner im Bereich Oestermärsch und Enscheder Straße auch ohne Verstärkung von außen für lautstarke Proteste. Überwiegend Migranten stellten sich den Neonazis entgegen und machten ihnen mehr als deutlich, dass die Partei „Die Rechte“ in der Nordstadt nicht willkommen ist. Es entwickelten sich sehr lautstarke und unterhaltsame „Dialoge“, die häufig nicht jugendfrei waren.
Die Migranten machten dabei deutlich, dass die Neonazis gerne wiederkommen könnten – sie bekämen dafür dann erneut die Quittung: Sie skandierten Parolen wie „Ausländer rein, Neonazis raus“ und machten sich lautstark über die Kundgebung lustig – zum Beispiel, weil sich „nur“ 60 Neonazis in die Nordstadt getraut hätten. „Was ist denn bei euch los? Will keiner mehr mitmachen? Hier kommen ja schon aus zwei Häusern mehr Leute raus, als ihr überhaupt mitbringt“, zog einer der Anwohner die Neonazis auf.
Kritik an Aufmarsch wegen NSU-Morden – Neonazi droht Kioskbesitzer
Mit weniger Humor nahmen es ältere Migranten, die sich bei Polizisten und Journalisten über die Kundgebung beschwerten, wo doch Neonazis Migranten angegriffen und getötet hätten. In der Nordstadt wurde Kiosk-Besitzer Mehmet Kubasik von den Mördern des NSU getötet. Entsprechend sensibel reagierten Polizeibeamte, als einer der Neonazis einem protestierenden ausländischen Kioskbesitzer mit dem Spruch „Pass auf, dass Du dir keine Kugel fängst“ bedrohte. Die Beamten sorgten dafür, dass der Migrant Anzeige erstattete. Ein Nachspiel ist garantiert…
Fotogalerie: Bunt, vielfältig und lautstark präsentierten sich CSD-Gäste und Demokraten
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Anna Spaenhoff für die JUSOS
Erklärung der Jusos Dortmund zum 23. August 2014:
Erfolg an der Katharinenstraße und Provokation in der Nordstadt
Am vergangenen Samstag, dem 23. August wollte die Partei „Die Rechte“, die als Auffangbecken für die Kamerad*innen der 2012 verbotenen Kameradschaften dient, ihre Hetze und ihren Unmut über das vor zwei Jahren erfolgte Verbot an der Katharinenstraße kundtun. Dies ist ihnen dank couragierter Menschen nicht gelungen.
„Der Samstag hat gezeigt, dass vielfältige Aktionen gegen Nazis dazu führen, dass sie eingekesselt in einer Ecke verschwinden müssen und man ihren menschenverachtenden Unsinn kaum hören kann. Dafür bedanken wir uns bei allen Beteiligten, egal ob friedlich blockiert, lautstark demonstriert oder kreativ mit einer Fußball-Aktion gestört! Fraglich bleibt für uns allerdings, ob man eine friedliche Blockade die ganze Zeit über filmen muss“, erklärt Anna Spaenhoff, stellv. Juso- Vorsitzende.
Überrascht zeigen sich die Jusos jedoch über die danach angemeldete Kundgebung in der Nordstadt über die öffentlich nichts bekannt wurde, sodass Gegendemonstrationen nicht geplant werden konnten. Immerhin haben die Anwohnerinnen und Anwohner an dieser Stelle den Nazis deutlich gezeigt, dass sie dort kein Gehör finden.
„Wie man hört, hat die Polizei diese Kundgebung morgens mit den Nazis vereinbart. Da fragen wir uns doch, warum die Öffentlichkeit darüber nicht informiert wurde“, kritisiert Spaenhoff. „Auch wenn man einer Partei scheinbar diese Möglichkeit einräumen muss, zweifeln wir stark an, dass an einem Tag mit dem Christopher-Street-Day und einem BVB-Heimspiel, auch noch zwei Kundgebungen von ein und derselben Partei im Innenstadtbereich erlaubt werden müssen. Informationen für Anwohnerinnern und Anwohner sowie Bürgerinnen und Bürger sind das Mindeste, was wir erwarten, da es auch dort zu Beeinträchtigungen gekommen ist. Auf die Aufarbeitung der Polizei Dortmund zu diesem Sachverhalt sind wir sehr gespannt.“