Von Alexander Völkel
Die Sanierung von Schrott- und Problemimmobilien mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zu verbinden, das ist der erfolgreiche und bereits praktizierte Ansatz der Stiftung Soziale Stadt. Mit dem „Viertelwerk“ gehen Stiftung und die Stadt Dortmund noch einen Schritt weiter: Sie haben im vergangenen Jahr ein gemeinnütziges Wohnprojekt ins Leben gerufen, das sich auch intensiv um die Bewohner*innen in den Problemimmobilien kümmert. Mittlerweile sind die Arbeiten im ersten Bauabschnitt weit gediehen. Im Herbst wird das erste Haus fertig. Nordstadtblogger hat sich vor Ort umgesehen.
Soziale Stabilisierung und berufliche Qualifizierung arbeitssuchender Menschen
Sanierungsprojekte gibt es in der Nordstadt in den vergangenen Jahren relativ viele – die Zahl der Problemimmobilien sinkt deutlich. ___STEADY_PAYWALL___
Doch dabei – und das ist auch eine Erfahrung – werden mitunter die Menschen verdrängt, die vor einer Sanierung dort teils unter widrigen Umständen gelebt haben. Insbesondere Roma-Familien haben nach einer Sanierung kaum eine Chance, wieder dort einzuziehen. Dem trägt Viertelwerk auch Rechnung.
Im Zuge der Förderung bezahlbaren Wohnraums haben die Dortmunder Stadtverwaltung und die Viertelwerk gGmbH ein Wohnprojekt mit umfassendem Sozialkonzept initiiert. Es zeichnet sich vor allem durch die Integration des Einzelnen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt aus. Denn, eine eigene Wohnung als Rückzugsort zu haben, sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen zu können – das ist für viele selbstverständlich, doch noch lange nicht für alle.
Seit den 1990er Jahren engagiert sich die GrünBau gGmbH vorwiegend in der Nordstadt im Projektverbund mit der Stiftung Soziale Stadt und weiteren NetzwerkpartnerInnen für die soziale Stabilisierung und berufliche Qualifizierung arbeitssuchender Menschen. Dies mit der Sanierung von Problemhäusern zu verknüpfen, hat ebenfalls gut funktioniert. In der Brunnenstraße hatte die Stiftung eine Immobilie saniert und dann an die DOGEWO verkauft.
Bisher dort lebende Menschen sollen nicht durch eine Sanierung vertrieben werden
In dem deutlich größeren Gebäudekomplex Nordmarkt 3 und Mallinckrodtstraße 55-59 gehen die Akteure einen deutlichen Schritt weiter. Denn das „Viertelwerk“ saniert nicht nur die Gebäude, sondern kümmert sich auch um die bisherigen und zukünftigen Bewohner*innen.
Denn eine Verdrängung wie beispielsweise in der Brunnenstraße soll es nicht mehr geben. „Dort waren die Menschen, die auf den Matratzen übernachtet haben, anschließend nicht mehr da“, erinnert Andreas Koch. „Wir wollen jetzt versuchen, mit den Bewohner*innen, die in den Häusern gelebt und gelitten haben, einen Weg zu finden, dass sie bleiben können“, betont der Grünbau-Geschäftsführer.
Ihren Ansatz verstehen sie nicht als Kritik an anderen teils privaten Eigentümer*innen, sondern als ergänzendes Modell. Daher setzen sie voll darauf, dass die Wohnungen auch nach der Sanierung mietpreisgebenden und auch für arme Menschen erschwinglich sind. Dabei hat das Viertelwerk nicht nur die hier lebenden Roma, sondern auch Wohnungslose, Arbeitslose, Jugendliche oder andere Menschen im Blick, die auf dem „normalen“ Wohnungsmarkt Probleme haben.
„Wir wollen gutes Wohnen für Alle – im Gegensatz zu dem Schrott, in dem sie vorher gewohnt haben“
„Wir wollen gutes Wohnen für Alle – im Gegensatz zu dem Schrott, in dem sie vorher gewohnt haben“, betont Koch. Dabei setzt das Viertelwerk durchaus auch auf Durchmischung.
Auch wenn in einem der Häuser derzeit fast nur Roma leben, muss das anschließend nicht so sein. Ziel müsse es sein, am Ende möglichst allen Menschen wieder eine Bleibe anbieten zu können – auch an anderen Standorten und in anderen Gebäuden.“
Doch das ist eine große Herausforderung: Das Viertelwerk braucht daher noch sogenannte „Umsetzwohnungen“, in denen die Familien unterkommen, während die bisherige Bleibe saniert wird. Weil der Zustand der Gebäude teils so schlecht ist, muss kernsaniert werden. „Wir haben ein Junkieparadies übernommen“, sagt Koch achselzuckend. Teils gibt es auch Brandschäden in Wohnungen – sie waren nicht mehr bewohnbar.
Das Viertelwerk setzt auf soziale Durchmischung und gegenseitige Hilfestellung
Die Bewohner*innen können daher während der Bauzeit nicht bleiben. Und auch das abschnittsweise Umziehen in bereits fertig sanierte Wohnungen reicht nicht aus – die Zahl und Größe der ersten Wohnungen, die am Nordmarkt fertig werden, reichen nicht aus. Denn allein in dem einen großen Gebäude an der Mallinckrodtstraße leben zehn Familien mit 80 Menschen – der größte Teil davon sind Kinder und Jugendliche.
Sie sollen sich nach der Sanierung möglichst auf verschiedene Häuser verteilen. „Wir wollen kein Roma-Haus, sondern eine Durchmischung“, macht Jan-Christopher Bremer deutlich. Er ist seit Juli 2017 für das begleitende und stabilisierende Angebot verantwortlich.
Das Programm für soziale Wohnraumbegleitung und Akquise wird vom Land mitfinanziert. Sie haben Kinder- und Jugendangebote aufgebaut, einen Billardtreff, eine Mädchengruppe, Hausaufgabenbetreuung und eine Nähmanufaktur, bei der sich die Frauen etwas dazuverdienen können.
Sie helfen bei der Wohnraum- und – das ist ganz entscheidend – auch bei der Arbeitssuche. Denn nur dann sind die Menschen auch in der Lage, ihre Mieten zu bezahlen. Dabei können schon die geringfügigen Beschäftigungen helfen. Die Frauen sind dabei der Schlüssel, weiß Ute Lohde. „Sie sind der Schlüssel für Veränderungen, man kann über Frauen viel mehr erreichen als über die Männer, das ist unsere Erfahrung“, ergänzt Andreas Koch.
Erfolgreiche Vermittlung von Roma in Arbeit – alle Familien haben jetzt Ernährer*innen
Anders als oft in Klischees und Vorurteilen behauptet, kommen die meisten der Zuwanderer*innen aus Südosteuropa außer dem Kindergeld nicht in den Genuss von Sozialleistungen.
„Die Familien haben daher existenzielle Probleme, deshalb versuchen wir immer direkt in Arbeit zu vermitteln“, berichtet Lohde. Denn auch bei Qualifizierungen und Sprachförderungen fallen sie zumeist durchs Raster.
Umso wichtiger kann dabei die Durchmischung sein. Die Vorstellung des Viertelwerks ist, dass auch Studierende mit in die Häuser einziehen.
Sie könnten dann auf Basis von Honorarjobs bzw. günstigerer Miete ihre Nachbar*innen unter ihre Fittiche nehmen. Entsprechende Programme seien in Duisburg und Bochum erfolgreich gelaufen.
Begleitung bleibt Daueraufgabe
Die Vermittlung in Arbeit läuft übrigens ausgesprochen erfolgreich: Hatten zu Beginn maximal 20 Prozent der Bewohner*innen einen Job, haben jetzt mehr oder weniger alle Familien einen oder mehrere Verdiener*innen.
Dies zu begleiten und unterstützen ist eine Daueraufgabe. „Die meisten haben ja keinen dauerhaften Job über Jahre, sondern Zeit- und Saisonarbeit.“
Auch innerhalb des Projekts gibt es Stellen: So sind beispielsweise der Hausmeister und auch Vorarbeiter aus der Roma-Community. Auch eine Fachkraft – eine Roma-Frau – ist über das Duale Studium Flucht und Migration zu Grünbau gekommen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass wir mal so viele Arbeitsplätze für Menschen aus der Community schaffen können“, freut sich der Grünbau-Geschäftsführer.
Erfolgreiche Qualifizierung im Baubereich – Teilnehmer*innen finden dauerhafte Arbeit
Beim eigentlichen Bau- und Sanierungsprojekt setzt die Stiftung nicht explizit auf Roma. Das wäre noch eine ganz andere Herausforderung – für die Zukunft will aber niemand auch ein solches Projekt nicht ausschließen.
„Doch dafür reicht unsere Pädagogik noch nicht aus“, sagte Koch mit Blick auf die Fachfirmen aus der lokalen Wirtschaft, mit denen Stiftung und Grünbau seit Jahren zusammen arbeiten.
Dadurch sei es gelungen, ehemals Langzeitarbeitslose im Baubereich zu qualifizieren und teils sogar bei den beteiligten Unternehmen in feste Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Daran will man nun auch bei dem großen Vorhaben an Nordmarkt und Mallinckrodtstraße anknüpfen. Das passiert in mehreren Abschnitten und wird mehrere Jahre dauern. Schätzungsweise sechs bis sieben Millionen Euro werden für die Sanierung der vier Gebäude gebraucht.
Sozialer Wohnungsbau: Sanierung wird mit öffentlichen Mitteln gefördert
Vielleicht wird sogar mehr Geld aus dem Etat für sozialen Wohnungsbau benötigt – denn das Viertelwerk hofft darauf, dass sie auch das Nachbargebäude Nordmarkt 5 von der Stadt übertragen bekommt.
Der Rat hatte vor wenigen Wochen den Ankauf beschlossen. Diesen in die Sanierung und vor allem das Raumkonzept miteinzubeziehen, wäre nach Ansicht der Aktiven nur logisch.
Denn es bildet einen gemeinsamen baulichen Rahmen, grenzt den Hof ab und das Erdgeschoss würde dringend benötigt, um die Nachbarschafts- und Beratungsangebote unterzubringen. Denn die müssen weichen, weil in den Ladenlokalen an der Mallinkrodtstraße eine neue FABIDO-Kita entstehen soll.
Doch noch möchte sich die Stadt nicht in die Karten gucken lassen: „Das Objekt ist Teil des Modellvorhabens Problemimmobilien. Ankauf und Wiederherstellung einzelner Immobilien werden dabei zu 95 Prozent von Bund und Land gefördert“, erklärt Stadtsprecher Frank Bußmann auf Nachfrage. Ob das „Viertelwerk“ zum Zug kommt, lässt er offen. „Auf jeden Fall wird dort Wohnraum geschaffen, den die Stadt entweder selbst bewirtschaftet oder wieder veräußert“, so Bußmann.
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Neue FABIDO-Kita geht im Januar in der Nordstadt an den Start – Jetzt für freie Plätze anmelden (PM)
Ab Mitte Januar können 40 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren in einer neuen FABIDO-Kita betreut werden. Ab sofort können Erziehungsberechtigte ihr Kind anmelden – oder Mitte Dezember persönlich vorsprechen.
Ab 15. Januar 2024 geht die neue FABIDO-Kita an der Mallinckrodtstraße 55 – 59 in Betrieb. Wer im Stadtbezirk Dortmund-Nord noch einen Kita-Platz für sein Kind sucht, kann sich ab jetzt anmelden. Dies geht online über das KiTa-Portal des Jugendamtes der Stadt Dortmund. Persönliche Anmeldungen vor Ort sind ebenfalls vom 4. bis zum 8. Dezember möglich.
Die Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren werden dort in zwei Gruppen von sieben pädagogischen Fachkräften liebevoll und kompetent gefördert. Für Fragen zur neuen FABIDO-Kita Mallinckrodtstraße 55 – 59 ist deren Leitung, Nicole Walkenhorst, per E-Mail unter nwalkenhorst@stadtdo.de und telefonisch unter 01 52 24 57 88 76 zu erreichen.