Das Ungleichverhältnis von Frauen und Männern als Ausgangspunkt der Ausstellung „praesenz“ im Kunstbetrieb

Anne Yannik hat die Natur als Kraftquelle künstlerisch umgesetzt.
Anne Yannik hat die Natur als Kraftquelle künstlerisch umgesetzt. Fotos: Alex Völkel

Frauen sind auch 2016 in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen benachteiligt, das gilt genauso für Kultur und Kunst. Der Kunstbetrieb in der Gneisenaustraße 30 hat daher ganz bewusst nur Frauen zur Teilnahme an der neuen Gruppenausstellung aufgerufen. Unter dem Titel „praesenz“ zeigen fünf Frauen ihre aktuelle Kunst.

Es gibt mehr Frauen an Kunstakademien, aber wenig Chefinnen in Unis und Museen

„Das Ungleichverhältnis war der Ausgangspunkt für unsere Ausstellung“, erklärt Sabine Spieckermann.
„Das Ungleichverhältnis war der Ausgangspunkt für unsere Ausstellung“, erklärt Sabine Spieckermann.

Ihnen wird Gelegenheit gegeben, Stellung zu beziehen, ihre Sichtweise zu zeigen – auf sich, auf die Gesellschaft, auf die Gegenwart. Paola Manzur, Sylvia Reusse, Almut Rybarsch, Anke Droste und Anne Jannick nehmen die Räumlichkeiten des Kunstbetriebs mit Malerei, Installation, Grafik und Objektkunst in Besitz.

Worin besteht die Benachteiligung des weiblichen Geschlechts? Frauen verdienen im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer.

Bei den Bildenden Künstlerinnen ist der Unterschied noch größer: Nach Angaben der Künstlersozialkasse liegen die Einnahmen von Männern nach Steuern bei 16.000 Euro im Jahr. Frauen hingegen verdienen sogar nur 11.000 Euro, hat sie bei einer Erhebung basierend auf den Zahlen von 2014 festgestellt.

„Das hat aber nicht mit der Qualität der Arbeit, sondern mit anderen Gründen zu tun“, ist sich Kunstbetrieblerin Sabine Spieckermann sicher.

Benachteiligung von Frauen als Ausgangspunkt der neuen Ausstellung

Sind Frauen im Kunstwelt unsichtbar oder müssen sich verstecken? Selbstbildnis der Künstlerinnen. Foto: Kunstbetrieb
Sind Frauen in der Kunstwelt unsichtbar? Ein Selbstbildnis der Künstlerinnen zum Thema. Foto: Kunstbetrieb

Auch bei exponierten Stellen sind die Frauen unterrepräsentiert: Obwohl es an den Akademien mehr Frauen gibt, sind die Stipendien ungefähr gleich verteilt. Doch bei den Spitzenjobs kippt das Verhältnis deutlich: 19 Männer, aber nur drei Frauen leiten Akademien und Kunsthochschulen.

Bei Kunstmuseen haben 18 Männer die Leitung, aber nur bei vier sind es Frauen. Bei den KuratorInnen sieht es etwas anders aus: Hier sind 23 Prozent Frauen.

Und noch ein Beleg für die Ungleichheit: Nach der Studie des Deutschen Kulturrates stammt jedes dritte Kunstwerk, das die Museen erwerben, von einer Frau. Während ein Künstler 10.000 Euro verdient, erhält eine Künstlerin jedoch im Schnitt nur 6.400 Euro.

„Das Ungleichverhältnis war der Ausgangspunkt für unsere Ausstellung“, erklärt Spieckermann. Die Nordstadt-Einrichtung hat daher alle Künstlerinnen angefragt, die bereits eine Einzelausstellung im Kunstbetrieb hatten – und alle hatten Interesse, sich zu beteiligen.

Großflächiger Stammbaum und interessante Ausblicke in die Wüste

Sylvia Reuße hat einen Stammbaum gestaltet. Ergänzt wird die Wandgestaltung durch die Anordnung des Tischchens mit alten Briefen und Fotos.
Sylvia Reuße hat einen Stammbaum gestaltet.

Das erste Treffen der Künstlerinnen für die neue Ausstellung fand übrigens am Weltfrauentag statt – dort entstand auch das Selbstbildnis.

Denn Wahrnehmung ist die Währung im Kunstbetrieb: „Die wollen wir mit den Frauen fördern.“ Die Teilnehmerinnen konnten nicht nur Werke hängen oder aufstellen, sondern auch die Wände gestalten.

Sylvia Reuße hat dies sehr großflächig mit einem Stammbaum ausgenutzt. Sie arbeitet mit dem Werden und Vergehen. Ergänzt wird die Wandgestaltung durch die Anordnung des Tischchens mit alten Briefen und Fotos.

Dazu gibt es in Einmachgläsern ihren Zopf aus Jugendjahren und graue Haare von heute. „Das Tischchen hat etwas Geheimnisvolles. Jeder kann seine eigene Familiengeschichte dabei aufleben lassen.“

Einblicke und Ausblicke gibt Paola Manzur: Sie hat zwei großformatige Bilder aus Mexiko ausgewählt, die passenderweise vor dem Fenster hängen. Zu sehen ist ein verlassenes Schwimmbad in der Atacama-Wüste – das eine Foto ermöglicht einen Blick ins Schwimmbad, das andere den Ausblick an selber Stelle.

Lieber Pandoras Box und als Eva, der Apfel und die Schlange

Almut Rybarsch zeigt „Pandoras Box“ im Kunstbetrieb.
Almut Rybarsch zeigt „Pandoras Box“ im Kunstbetrieb.

Almut Rybarsch hat sich für eine große Skulptur entschieden, deren Schattenwurf sie auf der Wand mit Farbe unterstrichen hat. „Pandoras Box“ heißt die Arbeit. Sie hat sich bewusst für die Frau mit der Box entschieden, die alle Übel der Welt in sich trägt.

„Ich hätte auch Eva nehmen können – sie ist das Pendant zu Pandora in der griechischen Mythologie“, betont die Nordstädterin. „Die Frau bringt das Übel – das ist spannender als die Geschichte mit Apfel und Schlange.“

Zumal für sie die christliche Religion weit weg ist. Außerdem gab es eine praktische Erwägung: Sie wollte eine Urne künstlerisch verarbeiten. Bei Eva und dem Apfel wäre das nicht gelungen.

Anne Yannik hat die Natur als Kraftquelle künstlerisch umgesetzt. „Ich gehe gerne in den Wald und lade mich auf. Die Natur ist der Ursprung von allem – da kommen wir her, da gehen wir hin“, so Yannik.

Multimedial hat Anke Droste ihre Arbeit gemacht: Sie hat die ganze Wand als Zusammenspiel aus klassischer Malerei, Text, Foto und Video gestaltet. Die Arbeit heißt „In die Ferne heimwärts“ und beschäftigt sich mit dem Thema Flucht, aber auch dem (neuen) Leben in Dortmund und der Nordstadt.

Eröffnung der Ausstellung im Rahmen des Hafenspaziergangs 

Plakat zur AusstellungVom 27. August bis zum 1. Oktober 2016 wird die Ausstellung zu sehen sein. Die Eröffnung findet am Samstag, 27. August, um 15 Uhr im Rahmen des Hafenspaziergangs statt.

Es singt das Frauentrio „Skjella“ aus Dortmund. „Skjella“, das sind Sigrid Pettrup, Ute Schüwer und Anne Jannick. Sie singen dreistimmig alte Gesänge aus verschiedenen Regionen der Welt neu interpretiert.

Auch während der Museumsnacht am 17. September kann die Schau besucht werden. Dann wird die Galerie mit noch mehr Frauen gefüllt sein, denn der traditionsreiche Frauenchor „belcando“ wird in der Museumsnacht ein exklusives Konzert geben. „belcando“ – längst über die Grenzen Dortmunds bekannt und beliebt – hat sich in diesem Jahr zum zweiten Mal die Auszeichnung „Meisterchor“ erarbeitet.

Mehr Details:

  • der kunstbetrieb, Gneisenaustraße 30, 44147 Dortmund
  • geöffnet: mo bis fr: 11.00 Uhr bis 13.00 Uhr und 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr, sa: 11.00 Uhr bis 13. 00 Uhr;Web:
  • www.derkunstbetrieb.de Mail: info@derkunstbetrieb.de, 0231-5348205
  • Ausstellungsdauer: 27. August bis 1. Oktober
  • Ausstellende: Almut Rybarsch, Anne Jannick, Anke Droste, Sylvia Reuße,Paola Manzur, (Gastkünstlerin: Vanessa von Wendt)

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