475 Jahre Stadtgymnasium Dortmund: „Das Schuljahr war geil, könnten wir doch jedes Jahr ein Jubiläum haben“

Zusammen Arbeiten und zusammen Leben, die Bedeutung der Religionen für und am Stadtgymnasium Dortmund.
„Zusammen arbeiten und zusammen leben“, die Bedeutung der Religionen für das Stadtgymnasium Dortmund.

Von Gerd Wüsthoff (Text) und Wolf-Dieter Blank (Fotos)

Das Stadtgymnasium Dortmund feiert sein 475-jähriges Bestehen unter dem Motto „Zusammen arbeiten und zusammen leben“. Die SchülerInnen des Stadtgymnasiums haben in zahlreichen Arbeitsgruppen (AGs) und Seminaren, neben dem regulären Unterricht verschiedenste Themen des gemeinsamen Lebens und Arbeitens bearbeitet. „Mein Sohn war so was von begeistert“, berichtet eine Mutter. „Wenn wir doch jedes Jahr ein Jubiläum an unserer Schule hätten.“ Herausragende AGen und deren Ergebnisse wurden am „Tag der offenen Tür“ dem Auditorium, SchülerInnen, Eltern und Gästen präsentiert.

Warum „Zusammen arbeiten und zusammen leben“ notwendig wurde

Die Podiumdiskussionsteilnehmer in der Aula
Die Podiumdiskussionsteilnehmer in der Aula

Vor Jahren hatte ein „weit rechts außen stehender“ Lehrer die Schule verlassen müssen, nachdem man sich über ihn und seine Äußerungen beschwert hatte. Dieser Lehrer wiederum hat danach an zwei anderen Schulen noch gearbeitet, um dann endlich aus dem Schuldienst entlassen zu werden. Er hatte aber nach dem erzwungenen Verlassen eine „Schmutz- und Hetzkampagne“ gegen das Stadtgymnasium angezettelt, die der Schule geschadet hatte.

Das ehemals vorwiegend von den Kindern der Dortmunder Honoratioren besuchte Gymnasium erlitt einen dramatischen Einbruch der Schülerzahlen. Dem wurde damit gegen gesteuert, indem man die Schule in die „Nordstadt öffnete“.

Mit der Öffnung und Neuausrichtung der „Zielschüler“ wurde das Gymnasium zugleich multikulturell und multireligiös. Das Verlassen einer Komfortzone führt zu Neuausrichtungen und einem Neudenken. Dieser Umstand erzwang auch ein neues Konzept in der Schule für ein Miteinander ohne allzu große „Alltagsprobleme“. Das Projekt „Zusammenleben und zusammen arbeiten“ zur 475-Jahr-Feier des Stadtgymnasium trägt diesem Umstand Rechnung.

Tag der offenen Tür zum 475sten bestehen des Stadtgymnasium Dortmund

Schuldirektor Bernhard Koolen
Schuldirektor Bernhard Koolen

Zum Abschluss des „Tages der offenen Tür“ wurde in einer Podiumsdiskussion, mit anschließender „Fragestunde“diskutiert – über die Arbeitsgruppen-Ergebnisse und besonders das Thema „Wie beeinflusst die Religionszugehörigkeit das Miteinander an der Schule“.

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York hat sich das Verhältnis zwischen Islam und Christentum verschlechtert. Der in den USA geborene „Clash of Cultures“ hat sich wie ein Geschwür über die Welt ausgebreitet.

Auffällig war, dass diejenigen Schüler besonderen Beifall erhielten, die offensichtlich einen Migrationshintergrund haben. Demjenigen, der den Alltag am Stadtgymnasium nicht kennt, könnte das vielleicht fragwürdig vorkommen. Aus der Podiumsdiskussion aber war zu lernen, dass es an der Schule keinen Unterschied macht, welchen Migrations- oder Religionshintergrund ein Schüler am Stadtgymnasium hat. Also doch keine wohlfeile Schönfärberei?

Die Schülersprecher Chanel Bergen und Mikhail Özdogan diskutierten, unter der Leitung des Lehrers Riepe, mit Prof. Dr. Jan Woppowa, Paderborn, Siegfried Modenbach (Pallotiner), Ahmed Aweimer (Imam Abu Bakr-Moschee) und Andrea Auras-Reiffen über das Projekt zum gemeinsamen Religionsunterricht. Während die Schülersprecher deutlich zum Ausdruck brachten, dass Probleme unter SchülerInnen, wenn mit dem Einzelnen liegen und ausdiskutiert werden, Religion aber kein Thema in keiner Auseinandersetzung sei.

Projekt: gemeinsamer Religionsunterricht am Stadtgymnasium

Schüler des Stadtgymnasium
Schüler des Stadtgymnasium.

Einem gemeinsamen Religionsunterricht waren alle Religionsvertreter offen gegenüber, denn es gäbe viel mehr Verbindendes als Trennendes in den drei monotheistischen Religionen. Aber die Unterschiede machten doch gerade den Reiz aus: „Ein Reiz, der es spannend mache, das Andere kennen zu lernen“, sagte Aweimer.

In der „Fragestunde“ bemerkte eine Schülerin, wie Bergen, das es doch gar nicht spannend sein kann, sich immer nur unter gleichgesinnten, die einer Meinung sind, zu bewegen. „Das fördert keine Diskussion und produktive Auseinandersetzung.“ In das gleiche Horn stießen sowohl Auras-Reiffen, als auch Professor Woppowa von der Universität Paderborn. „Es ist wichtig die Gemeinsamkeiten zu suchen und zu finden. Wir sollten die Unterschiede feiern, warum nicht, sie bringen uns voran!“ sagte Aweimer.

Professor Woppowa leitet am Stadtgymnasium eine Studie von der Uni Paderborn, die sich mit dem Thema des gemeinsamen Religionsunterrichtes am Stadtgymnasium beschäftigt. „Wir wissen zu wenig voneinander, als das man sagen darf: wir gehen in der Vielfalt unter“, vertritt Modenbach gegenüber einem Einwand und bestätigt zugleich die Notwendigkeit eines gemeinsamen „Basis-Religions-Unterrichts“.

Stimmen Anspruch und Realität am Stadtgymnasium überein?

Eine Aussage von Aweimer zum Verständnis was ist Familie – Mann, Frau, Kinder, lugte eine sehr klassische Haltung durch, die die aktuelle Gesellschaft in der Bundesrepublik nicht wirklich widerspiegelt.

„Zusammen leben und arbeiten“ beinhaltet auch die Einbeziehung des Nicht-Religiösen. Das wäre aber ein weiteres Thema – aber gehört genauso dazu. Wie soll sich ein Jugendlicher unter solchen Ansichten frei entwickeln und zu einem mündigen, eigenständigen, selbstbestimmten Menschen frei entwickeln?

Im Gespräch von nordstadtblogger.de mit einigen Eltern und einem Podiumsteilnehmer traten Schatten in der Retrospektive auf. Dass etwa eine umfassende Liberalität von Aweimer angezweifelt wurde. Dass weiter deutschen Mitschülern gerne auch mal bei Problemen der Begriff „Nazi“ als Schimpfwort entgegenschallt, wie eine Mutter sich bedauernd äußerte.

Eine Schule muss neben der Bildung die SchülerInnen auch, begleitend mit dem Elternhaus, zu eigenständigen, frei denken, selbstbestimmten Menschen erziehen. Gerade unter Jugendlichen herrscht ein gewisser Gruppendruck, der das „Anders Sein“ nicht erleichtert. Um so mehr muss die Schule hier unterstützen. Allerdings sind Anspruch und Realität am Stadtgymnasium weitgehend übereinstimmend.

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