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Aufbrausende Kommentare auf Online-Plattformen sind keine Seltenheit. Auf Facebook oder X wimmelt es nur so von mindestens herausfordernden Äußerungen, die Nutzer:innen unter anderem an Politiker:innen richten. Doch wann wird eine Meinungsäußerung zur Beleidigung? Darum ging es jetzt vor dem Dortmunder Landgericht.
Dortmunder bezeichnete FDP-Politikerin Strack-Zimmermann als „widerwärtige Kriegshexe“
Anzeigen und Verfahren gab es schon viele. Bei einigen der bekanntesten Vorfälle ging es um prominente Grüne: Renate Künast, Leiterin der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft, und Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, sind gegen die öffentlich verbreiteten Beleidigungen juristisch vorgegangen. Nutzer:innen hatten Künast unter anderem als „Pädophilen-Trulla“ und Habeck als „Schwachkopf“ bezeichnet.
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Auch Politiker:innen der FDP waren und sind Ziel von Hass-Kommentaren: Ein Mann aus Dortmund veröffentlichte am 3. April 2023 einen Beitrag auf Twitter (heute „X“) und richtete ihn unter anderem an den offiziellen Account der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, damals Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags.
Im Kommentar schrieb er: „In Deutschland gibt’s ja bekanntlich keine Kriegshetze. Aber dafür haben wir diese wirklich widerwärtige #Kriegshexe“. Daraufhin erstattete Strack-Zimmermann Anzeige – sie empfand die Äußerung als Beleidigung. Die Justiz sah das ebenso. Daraus erwuchs ein Strafbefehl mit einer Geldstrafe, den der Dortmunder nicht akzeptieren wollte.
Es kam dann zur Verhandlung vor dem Amtsgericht Dortmund. Der Kommentator wollte erreichen, dass sein Kommentar als Meinungsäußerung gewertet wird und nicht als Beleidigung. Doch erfolgreich war er nicht – die Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 50 Euro wurde lediglich reduziert – auf 40 Euro pro Tag.
Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Schutz der Persönlichkeitsrechte
Damit wollte sich der heute 60-Jährige wiederum nicht abfinden und ging in die Berufung vor dem Landgericht in Dortmund. Dort machte sein Verteidiger deutlich, dass die Äußerung seines Mandanten durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei.
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Zum Hintergrund: Die Meinungsfreiheit wird in Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert. Darin heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]“. Jedoch dürfen diese Äußerungen nicht gegen andere Grundrechte und Gesetze verstoßen.
Im konkreten Fall geht es um den möglichen Verstoß, dass durch den Kommentar die Persönlichkeitsrechte von Marie-Agnes Strack-Zimmermann verletzt worden sein könnten. Dieses Recht sichert ihr Artikel 2 des Grundgesetzes zu: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt […].“
Dieses Grundrecht soll Personen vor Eingriffen in ihren persönlichen Bereich schützen. Das Dortmunder Landgericht hatte also abzuwägen, ob das Recht auf freie Meinungsäußerung schwerer wiege als das Persönlichkeitsrecht.
Verteidiger: Der Kommentar ist eine „sachlich fundierte Kritik“
Verteidiger Lutz Pinner verwies darauf, dass Strack-Zimmermann eine „bekanntermaßen umstrittene Person“, die sich für die Waffenlieferung an die Ukraine ausgesprochen habe. Sein Mandant sei Pazifist und vertrete nicht die Ansichten der Politikerin im Bezug auf die Kriegsführung.
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Denn sein Mandant unterstütze nicht Krieg und Tod, der mit der Kriegsführung Strack-Zimmermanns einhergehe. Aufgrund dieses Kontextes sei die Äußerung deshalb auch keine „schlimmste Beleidigung“, sondern eine „sachlich fundierte Kritik“, argumentierte der Verteidiger.
Außerdem müsse sich die Politikerin als Person des öffentlichen Lebens mehr gefallen lassen als beispielsweise Privatpersonen. Strack-Zimmermann selbst habe sich schon mehrmals auf eine drastische Weise geäußert. Sie habe die AfD als „Scheißhaufen“ und ihre Wähler:innen als „Fliegen“ bezeichnet, erklärt der Anwalt.
Gericht: „Hexe“ gilt als frauenfeindliche Beleidigung
Diese Argumentation wollte die zuständige Staatsanwältin der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime mit Sitz in Köln nicht folgen. Denn der verwendete Hashtag „#Kriegshexe“ stehe in direktem Zusammenhang mit einer frauenfeindlichen Ansichtsweise. Schließlich wurden früher Frauen als „Hexen“ bezeichnet, verfolgt und verbrannt.
Aus diesem Grund habe der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft den Sachverhalt verlassen und demnach gezielt eine Person angegriffen. Außerdem müsse sich nicht jeder politische Person angreifen lassen, denn ab einem gewissen Punkt würden Äußerungen „die Grenze des Strafbaren“ erreichen, argumentierte die Staatsanwältin.
Dieser Argumentation folgte auch das Gericht. Denn der Vorsitzende Richter las die Einträge zu „widerwärtig“ und „Hexe“ aus dem Duden vor: „([H]ässliche) bösartige, zänkische, unangenehme weibliche Person,“ heißt es dort unter anderem. Der Kommentar sei demnach eine Beleidigung und laut Strafgesetzbuch eine „gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“, so die Strafkammer.
Da der Angeklagte dem Vorschlag, das Verfahren gegen Zahlung von 1000 Euro Geldstrafe nicht akzeptieren wollte, wurde er – wie schon vor dem Amtsgericht – zur Zahlung von 30 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt. Zu den 1200 Euro Geldstrafe muss er auch die Kosten für das Verfahren tragen. Der Angeklagte zeigte sich nach der Verhandlung gegenüber den Medien als „erschüttert“ über das Urteil. „Dass ich mich hier wiederfinde als Straftäter und Hasskrimineller, sprengt mein Fassungsvermögen.“
Reaktionen
Hayek
Ist natürlich ein nettes Nebeneinkommen für Berufspolitiker und gleichzeitig ein wichtiger Hinweis, wem man Macht anvertrauen kann und wem nicht. Da muss man als Politiker drüber stehen können.
Carsten Klink
Das ist ja wie verhext. Die FDP ist kein Bollwerk mehr für die Bürger- und Freiheitsrechte. Bei der Kriegshexerei setzt die FDP offensichtlich wie bei der Verkehrswende auch auf eine veraltete Antriebstechnik.
Hatte sich Frau Strack-Zimmermann eigentlich auch selber verklagt, nachdem sie sich offensichtlich ganz frei von Ironie als Oma Courage im Europawahlkampf hat plakatieren lassen, der mit ihr als Spitzenkandidatin für die FDP noch katastrophaler endete als das FDP-Debakel bei der Bundestagswahl? Bert Brechts Mutter Courage verdient skrupellos an der Not und dem Elend des Krieges und verliert dabei ihre eigenen drei Kinder. Schon mal darüber nachgedacht, dass es von „uninformiert“ kein langer Weg zu „uniformiert“ ist?
Dem Vernehmen nach wird der beklagte Dortmunder wohl in Revision gehen. Diese Posse des Rechtsstaates ist also noch nicht beendet.
Mit dem von mir sehr geschätzten Gerhart Baum verstarb im Februar 2025 nach Burkhard Hirsch und Hildegard Hamm-Brücher der letzte echte Liberale in der FDP. Dort verbleiben nun nur noch Marktradikalismus, Wirtschaftsextremismus und Kriegshexerei.
Ulrich Sander
All dies lenkt ab von dem was notwendig gesagt werden muss:
Der verdi-Bundesvorsitzende Frank Werneke: „Deshalb sage ich ganz klar: Die Schuldenbremse muss weg. Und auch Reiche und Superreiche müssen endlich durch höhere Steuern einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Es darf keinen Sozialabbau geben, um Steuergeschenke für Reiche und Unternehmen zu verteilen und den Verteidigungshaushalt immer weiter nach oben zu schrauben.“ (Frank Werneke in ‚publik‘, die Mitgliederzeitung) – Botschaft aus der Friedensbewegung: Nur mit dir stoppen wir das Sondervermögen 2.0! JETZT MITMACHEN und Protestmail schreiben! – Erst drei Jahre ist es her, dass die Bundeswehr mit einem schuldenfinanzierten Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro massiv aufgerüstet wurde. Doch jetzt soll möglicherweise schon das nächste Aufrüstungspaket kommen, wie verschiedene Medien berichten. Diesmal soll es sich sogar um ein Sondervermögen in Höhe von voraussichtlich 200 Milliarden Euro handeln! Ein massiver Geldregen für die Bundeswehr und die Rüstungsindustrie! – Um das Aufrüstungspaket zu stoppen, ist dein Einsatz gefragt: Beteilige dich an unserer neuen Aktion gegen das „Sondervermögen 2.0“ und schreibe eine Protestmail an Friedrich Merz, Lars Klingbeil und/oder Robert Habeck über unsere Aktionsplattform „Lobbying4Peace“!