Ein Gastbeitrag von Rainer Roeser
Seiner Parteifunktionen sollte der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich enthoben und zwei Jahre auch nicht mehr in Ämter der AfD wählbar sein. So hatten es Bundes- und Landesvorstand seiner Partei verlangt. Nun gibt es ein Urteil des Landesschiedsgerichts gegen Helferich. Seine Gegner in der Partei, von denen es nicht wenige gibt, würden sagen: ein Urteil für Helferich.
Chateinträge „als – im hohen Maße missglückte – Scherzerklärungen gemeint“
Die Ämtersperre soll statt zwei Jahren nur drei Monate währen. Komplett ist die Sperre auch nicht. So darf Helferich weiterhin Delegierter sein, weil „ein Delegiertenamt kein Parteiamt im Sinne des § 7 Abs. 4 AfD Bundessatzung ist“, wie es im Urteil vom 31. Mai heißt.
Auch das Amt eines Landesschiedsrichters darf er behalten, weil es sich „um ein (soziales) Amt handeln dürfte, dessen Ausübung der Partei AfD zu Gute kommt“, wie die Parteirichter formulieren.
Helferich reagierte auf das Urteil mit einer Mischung aus Triumph und Reue. Triumph, weil er sich gegen die Versuche „aus destruktiven Kreisen der Partei“ durchgesetzt habe, die seine Kandidatur für den Bundestag „mit unredlichen Mitteln“ hätten verhindern wollen.
Reue, weil er um die Wirkung seiner, wie er schreibt, „ironischen und teils geschmacklosen privaten Chatnachrichten“ weiß, die im Sommer 2021 die Runde machten: Helferich als das selbsternannt „freundliche Gesicht des NS“; Helferich als einer, der den „demokratischen Freisler“ geben wollte.
„Töricht“ seien solche Äußerungen gewesen, sagt er. „Bei den zahlreichen Mitgliedern, die sich für mein Fehlverhalten rechtfertigen mussten, entschuldige ich mich in aller Demut.“
AfD: Helferich stehe „fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“
Das Schiedsgericht teilt Helferichs Argumentation, dessen Chateinträge seien „als – im hohen Maße missglückte – Scherzerklärungen gemeint gewesen“. Helferich habe „jedenfalls im Jahr 2016/2017 ein dilettantisches, unreifes und unsensibles Verhalten an den Tag“ gelegt.
Aber: „Die streitgegenständlichen Chat-Auszüge lassen als solche keine Rückschlüsse auf eine fehlende Verfassungstreue zu.“ Die Kammer sei überzeugt, dass Helferich „fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht und die nationalsozialistische Ideologie zutiefst ablehnt“.
Dass das Verfahren vor dem Landesschiedsgericht für Helferich glimpflich ausgehen würde, hatte sich seit Monaten angedeutet. Vor allem aus Kreisen sich „gemäßigt“ gebender AfD-Politiker:innen war Kritik an der Dauer des Verfahrens laut geworden, aber auch daran, dass die zuständige Kammer des Schiedsgerichts erkennbar dem Antrag des Bundesvorstands nicht folgen mochte.
Zwei Mal stellte der Bundesvorstand wegen der Besorgnis der Befangenheit gar Ablehnungsanträge gegen alle Richter der Kammer – erfolglos.
Derweil peilt Helferich das nächste Ziel an: die Aufnahme in die AfD-Bundestagsfraktion. Im vorigen Herbst hatte er noch auf eine Mitgliedschaft verzichtet. Zu groß war der Widerstand unter vielen anderen AfD-Abgeordneten gegen seine Person gewesen.
„Mit dem Urteil im Rücken werde ich mich weiter im Dienste der Partei im Bundestag einsetzen“, schreibt er nun. Die Entscheidung der Parteirichter auf Landesebene kann der Bundesvorstand beim Bundesschiedsgericht überprüfen lassen.
Reaktionen
Ulrich Sander
Ergänzend einige Infos zu „Helferich als Bundestagsabgeordneter“:
#MdB der AfD Matthias Helferich hat ab Juni auf 90 qm2 ein Wahlkreisbüro, das er ein „patriotisches Nest“ nennt. Eine erste Aktion wird die Besucherfahrt nach Berlin auf Kosten des Bundestages sein – seine Anhänger dürfen sich freuen.
# Er hält im Rat und im Bundestag Reden zur „Nahrungsmittelknappheit“ infolge des Migrationsdrucks.
# Er fordert nationale Kraftanstrengungen zur Abschiebung „krimineller und illegaler“ Migranten. Die rassistischen Aktionen des NRW-Innenministeriums gegen Clans finden seine Zustimmung.
# Er dankte BILD für seinen Kampf gegen „antiweißen Rassismus“.
# Trittbrettfahrer mit gefälschten ukrainischen Papieren hat er in Dortmund ausgemacht. Sie müssen abgewiesen werden – wer kein Ukrainer ist, soll ohnehin kein Asylrecht haben.
# Ein Gräuel sind ihm islamische Verbände, die z.B. in Dortmund und Wuppertal „muslimische Viertel“ schaffen wollen.
# Die „Spaziergänger“ der rechten, Impfgegner und Gegner der Massenmigration werden von Helferich besonders unterstützt. Oft geht er mit.
# Nancy Faeser (SPD, Bundesinnenministerin) ist Ziel häufiger Hasskommentare von Helferich seit dem sie in der VVN-Zeitschrift „antifa“ einen antifaschistischen Beitrag veröffentlichte und den Kampf gegen Rechtsextremismus zu einer Hauptaufgabe der Regierung erklärte.