
Von Horst Delkus
Er gilt als einer der bedeutendsten Pressezeichner der Weimarer Republik: Emil Stumpp. Als Portraitgrafiker zeichnete er mit seinen Kohlestiften alles, was damals Rang und Namen hatte: Politiker aus dem In- und Ausland, Literaten, Künstler, Sportler, Wissenschaftler und Journalisten.
Im Exilarchiv liegen rund 10.000 Originallithographien sowie Ölgemälde und Aquarelle

Sein künstlerischer und privater Nachlass, darunter Tagebücher und Briefe, befindet sich in Teilen im Dortmunder Institut für Zeitungsforschung und im Fritz-Hüser-Institut. Der weitaus größte Teil ist jetzt im Deutschen Exilarchiv 1933-1945. Er umfasst laut einer Mitteilung des Archivs rund 10.000 Originallithographien sowie Ölgemälde und Aquarelle.
Der Nachlass beinhaltet thematische Berichte zu Musik, Theater und Wissenschaft sowie Reiseberichte, Tagebücher aus den 1920er Jahren und Aufzeichnungen aus der Haft, Geschäfts- und Familienkorrespondenz, Familienfotografien und Unterlagen zu seinem Prozess 1940.
Der Bestand wurde aus Besitz eines Neffen von Emil Stumpp übernommen. „Ab jetzt steht er auch zur Nutzung zur Verfügung“, so Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933 – 1945, einem Spezialarchiv der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main, auf Anfrage von Nordstadtblogger.
Stumpps Portraits waren von herausragender Qualität, treffsicher und durch und ehrlich
Berühmt waren vor allem Stumpps zahlreiche Portraits, die er für Zeitungen in Berlin, im Ausland und von 1926 bis 1933 vor allem für den Dortmunder Generalanzeiger anfertigte, einem Vorläufer der heute ebenfalls nicht mehr als eigenständigen Redaktion existierenden „Westfälischen „Rundschau“, die diesen Namen im Untertitel weiterführte.
Mit einer Auflage von bis zu 350.000 Exemplaren war der Generalanzeiger bis 1933 die zweitgrößte Tageszeitung in Deutschland. Stumpps Portraits waren von herausragender Qualität, treffsicher und durch und ehrlich, ohne irgendjemand zu schmeicheln. So oft es ging, ließ er sich seine Zeichnungen von den Portraitierten mit ihrer Unterschrift signieren.
„Dem Kanzler zum Gruß“ – der GA wurde besetzt, übernommen und gleichgeschaltet
Am 20. April 1933 veröffentlicht der Dortmunder Generalanzeiger auf seiner ersten Seite aus Anlass des Führergeburtstages unter der Überschrift „Dem Kanzler zum Gruß“ ein von Stumpp angefertigtes Hitlerportrait. Es war wenige Tage zuvor im Berliner Sportpalast während einer Hitlerrede gezeichnet.

Die Nazipartei in Dortmund skandalisiert diese Zeichnung, der Zeichner habe dem Portrait „in böswilliger Absicht einen entstellenden und ins Gemeine ziehenden Ausdruck verliehen“.
Das reicht aus, um die Redaktionsräume des Generalanzeigers in der Dortmunder City und die Druckerei in der Bremer Straße auf Befehl des Dortmunder Polizeipräsidenten durch SA zu besetzen, die Zeitung zu verbieten – und als Organ der NSDAP erscheinen zu lassen.
Der Generalanzeiger wurde mit der NS-Parteizeitung „Rote Erde“ vereint und in „Westfälische Landeszeitung – Rote Erde“ umbenannt. So erschien das Blatt am darauffolgenden Tag mit einem Hakenkreuz und einer „Gegendarstellung“ in Form eines Hitler-Fotos mit dem Titel „Der Führer, wie ihn jeder kennt.“ Der Generalanzeiger war damit gleichgeschaltet.
Das Verbot des Generalanzeigers bedeutete für Emil Stumpp Berufsverbot
„Dieses Vorgehen“, heißt es in einem Beitrag zu „Leben und Werk“ von Emil Stumpp, „schien spontan zu sein, in Wirklichkeit waren die Aktionen von langer Hand vorbereitet gewesen, zumal Stumpp seit der Veröffentlichung eines früheren Hitlerportraits auf der Schwarzen Liste der Nazis gestanden hatte“.

Es gab noch ein juristisches Nachspiel. Dann wurde der Verlag durch ein eigenes, vom NS-Innenminister Frick geschaffenes „Lex General Anzeiger“ enteignet. Dieses Gesetz diente wenig später als Rechtsgrundlage für die Enteignung jüdischen Eigentums.
Für Stumpp bedeutete das Verbot des Generalanzeigers den Ausschluss aus der Reichspressekammer und damit Berufsverbot. In den Folgejahren versuchte sich der Vater von fünf Kindern vor allem mit dem Verkauf von Landschaftszeichnungen und -aquarellen wirtschaftlich über Wasser zu halten. Dazu unternahm er Reisen in zahlreiche europäische Länder und hielt sich viel im Ausland auf, hauptsächlich in Skandinavien.
In Dortmund ist Emil Stumpp inzwischen fast vergessen

Als er 1940 zur Beerdigung seiner Tochter nach Deutschland zurückkehrte, wurde er als Gegner der Nazis denunziert, verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Dort verstarb nach wenigen Monaten im Alter von 55 Jahren am 5. April 1941 an seinen Haftbedingungen, laut Totenschein an einer Lungenentzündung.
Ein Freund, der Schriftsteller Ernst Wiechert, schrieb später über ihn: „Stumpp war ein überzeugter Sozialist und ein Mensch mit eigenen Gedanken, ein furchtloser und makelloser Charakter (…). Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und ist während der Haft gestorben, aufrecht und furchtlos, und wenn ich mich seines Löwenhauptes erinnere, erinnere ich mich auch des besten, was ich auf der Erde besessen habe: der Freundschaft und Liebe der wenigen Furchtlosen, die wir in unserem Lande in den Zeiten der Furcht gehabt haben.“

In Dortmund ist Emil Stumpp inzwischen fast vergessen. Früher wurde er hier mit einer Reihe von Ausstellungen geehrt. So bereits 1931 mit einer im Rathaussaal.
Dreißig Jahre später dann in der Stadt- und Landesbibliothek: „Köpfe der zwanziger und dreißiger Jahre“, Porträtzeichnungen von Emil Stumpp. Und 1985 und 1996 mit Ausstellungen im Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Seit rund dreißig Jahren ist es still geworden um Emil Stumpp. Sein 140. Geburtstag und sein 85. Todestag im kommenden Jahr wären eine gute Gelegenheit, an diesen großen Zeichner und Chronisten der Weimarer Republik erneut zu erinnern.
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