Ein Mittel, das deine Emotionen unterdrückt, dich bei Liebeskummer nichts fühlen lässt und deine Angststörung wie im Wind verwehen lässt. Genau das versprechen sich derzeit viele junge Menschen auf der Plattform TikTok von Ashwagandha. In Videos werben sie für ashwagandhahaltige Präparate und schwören darauf, weniger Stress zu verspüren, nicht mehr ängstlich und emotionslos zu sein. Doch warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor der Einnahme von Ashwagandha-Präparaten. Auch Dr. phil. Syal Kumar, Experte für Traditionelle Indische Medizin, warnt vor der leichtsinnigen Einnahme des gehypten Wundermittels.
Ashwagandha nicht gut erforscht Bundesinstitut für Risikobewertung warnt vor Einnahme
Auf TikTok tauchen immer wieder neue Wundermittel auf, die für eine Zeit lang einen großen Hype erleben. Zuerst war es Rosmarinöl, von dem sich User:innen schönes, langes Haare versprachen. Dann folgte Schwarzkümmelöl, das gut für das Immunsystem, Haut und Haar sein soll. Jetzt ist Ashwagandha das neuste gehypte Wundermittel auf TikTok.
Die Heilpflanze wird traditionell in der ayurvedischen Medizin verwendet. Hierzulande wird sie auch die Schlafbeere genannt, da sie Menschen bei Schlaflosigkeit helfen soll. „In einigen Fällen verwenden wir die Ashwagandha bei psychischen Problemen, manchmal zur Unterstützung der Muskelentwicklung, aber auch zur Stärkung des Immunsystems“, sagt Dr. phil. Syal Kumar, Experte für Traditionelle Indische Medizin.
Hier in Deutschland ist Ashwagandha sowohl im herkömmlichen Handel als auch im Internet als Nahrungsergänzungsmittel in Form von Pulver, Kapseln, Tropfen oder Tee erhältlich. Die Hersteller bewerben es als „Wunderkraut“ gegen Stress, zur Leistungssteigerung und für besseres Einschlafen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät jedoch zur Vorsicht bei der Einnahme dieser Mittel aufgrund mangelnder Daten und Wissenslücken.
Die versprochenen positiven Wirkungen seien wissenschaftlich nicht belegt, und die gesundheitlichen Risiken, die mit der Einnahme dieser Pflanzenzubereitungen verbunden sein können, bisher nicht ausreichend untersucht. Insbesondere Kindern, Schwangeren
und Stillenden sowie Personen mit einer bestehenden oder früheren Erkrankung der Leber empfiehlt das BfR, keine Ashwagandha-Präparate einzunehmen.
Auch Kumar schaut besorgt darauf, wie viele Menschen das gehypte Wundermittel, unbedacht einnehmen: „Ashwagandha ist eine Heilpflanze. Hier kaufen Menschen sie als Nahrungsergänzungsmittel, doch egal, ob sie aus China oder Indien kommt, sollte sie nicht einfach so eingenommen werden. Sie muss von einem Facharzt oder Fach ayurvedischen Arzt verschrieben werden, da sie auch Nebenwirkungen hat“.
Die Akutfolgen der Ashwagandha-haltigen Präparate sind Übelkeit, Erbrechen und Durchfall
Der Experte für Indische Medizin erklärt, dass Heilpflanzen nicht allein verschrieben werden. Ein Präparat, das Patient:innen erhalten, kann aus einer Kombination von bis zu 20 Pflanzen bestehen. Zuvor untersucht er jedoch die Patient:innen und analysiert die Richtung des Krankheitszustands.
„In der ayurvedischen Medizin gucken wir bei der Krankheit in welche Richtung sie geht. Wir haben drei Faktoren: Vata, Pitta und Kapha. Jeder anatomische oder psychologische Vorgang im Körper wird von diesen dreien unterstützt. Wenn einer dieser drei Funktionen aus dem Gleichgewicht gerät, entwickelt sich die Krankheit. Deshalb analysieren wir, welches dieser Doshas das Ungleichgewicht verursacht“, erklärt Kumar stark vereinfacht.
Viele Menschen sind falsch aufgeklärt und und beschäftigen sich damit, welcher „Ayurveda-Typ“ sie sind, ob „Vata, Pitta oder Kapha“. Diese drei Faktoren werden in der ayurvedischen Medizin „Doshas“ genannt. Ayurveda-Ärzt:innen analysieren die Qualität der „Doshas“ mit verschiedenen Methoden, um Ungleichgewichte der Doshas, die Krankheiten verursachen können, zu erkennen.
„Zum Beispiel, wenn eine Person mit Schlafproblemen kommt, wird überprüft, ob es ein Vata-, Pitta- oder Kapha-Ungleichgewicht ist. Je nachdem, welches Ungleichgewicht vorliegt, passen wir die Behandlung an“, sagt der Experte. Nutzer:innen wüssten oft nicht, welches der drei „Doshas“ ausgeglichen werden muss, und eine falsche Anwendung von Ashwagandha kann zu weiteren Problemen führen.
Laut BfR sind die akuten Folgen Beschwerden des Verdauungstrakts wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie Benommenheit, Kopfschmerzen, Schwindel, Schläfrigkeit und Hautausschläge. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die Präparate das Immunsystem sowie den Blutzuckerspiegel, die Schilddrüsen- und Sexualhormone beeinflussen können.
Oft sind in der Kapseln nicht die richtigen Pflanzenteile für die gewünschte Wirkung
Die Einnahme von Ashwagandha empfiehlt Kumar im Normalfall nur, wenn er ein Vata-Ungleichgewicht feststellt. „Ashwagandha ist vor allem für Vata-Probleme geeignet, jedoch nicht für Pitta- und Kapha-Probleme“, sagt der Arzt.
In der ayurvedischen Medizin wird vor allem die Wurzel der Ashwagandha-Pflanze verwendet. Ihr wird eine beruhigende Wirkung zugeschrieben. Kumar berichtet von Patient:innen, die sich Ashwagandha im Internet bestellt haben, bei denen jedoch statt der Wurzel die Blätter der Pflanze im Präparat enthalten waren.
„Die Blätter haben eine ganz andere Wirkung als die Wurzel“, sagt der Experte, der darauf aufmerksam machen möchte, dass viele Menschen gar nicht wissen, was sie einnehmen. Auch das BfR weist darauf hin, dass die verwendeten Pflanzenteile die Konzentration eines Präparats beeinflussen können und damit vermutlich auch die biologische Wirkung der Präparate.
Kumar blickt besorgt auf die immer wiederkehrenden Trends, die die Gesundheit der Menschen betreffen: „Viele Menschen ohne Expertise haben einmal gehört, dass etwas gesund ist, und verbreiten dies, ohne die Nebenwirkungen und die richtige Einnahme zu beachten“.
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung