Mahnendes Erinnern zum Holocaust-Gedenktag 2022

Das „Bündnis Dortmund gegen Rechts“ wünscht sich mehr gesellschaftliches Engagement

Mit der „Spur der Schuhe“ erinnerte das „Bündnis Dortmund gegen Rechts“ an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 77 Jahren und die Opfer des Holocaust. Foto: Soukayna Jriou für Nordstadtblogger.de

Von Soukayna Jriou

Auf dem Vorplatz der Dortmunder Reinoldikirche reihen sich weiße Paar Schuhe. Die politische Kunstaktion „Spur der Schuhe“ ist vom „Bündnis Dortmund Gegen Rechts“ anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages 2022 organisiert worden. Eine Referenz auf die 43.526 Paar Schuhe und 514.843 Kleidungsstücke von Kindern, Frauen und Männern, die man in Auschwitz fand. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee die letzten 2.819 Überlebenden aus dem Konzentrationslager. Zum Holocaust-Gedenktag wurde mit der Aktion den Opfern des Nationalsozialismus gedacht.

Es wurden Augenzeugenberichte und Vernehmungsprotokolle verlesen

Schauspieler Andreas Weißert las Augenzeugenberichte und Vernehemungsprotokolle vor. Foto: Soukayna Jriou für Nordstadtblogger.de

„Man denkt, das Gas wurde nur hineingeworfen und die Leute starben einfach. Aber wie starben sie? Man fand sie aneinandergeklammert; jeder hatte verzweifelt nach Luft gerungen“, so ein Bericht des Augenzeugen Shlomo Venezia aus Italien, der das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau als Angehöriger des jüdischen Sonderkommandos, das dafür zuständig war, die Ermordung der deportierten Jüdinnen und Juden vorzubereiten, sie auszuplündern und ihre Leichen im Krematorium zu verbrennen, überlebte.

Die weißen Schuhe sind auf einem schwarzen Laken ausgebreitet und von Scheinwerfern beleuchtet. Im Halbkreis stehen die Menschen drumherum und folgen den Redebeiträgen. In achtsamer Stille hören die Gäste den Worten zu.

Die Berichte von Augenzeugen und die Auszüge aus Vernehmungen, die von Schauspielerin Tirzah Haase und Schauspieler Andreas Weißert vorgetragen werden, zeigen, wie unvorstellbar grausam der Nationalsozialismus für die Opfer war. „Das Schrecklichste (Lager) von allen war Auschwitz“, erinnerte der damals den Vormarsch der Roten Armee begleitende Kameraoffizier, Alexander Woronzow, in seinem Film „OSWIECIM“, dem polnischen Namen für Auschwitz.

Industrieller Massenmord: Systematische Entmenschlichung und Ausbeutung der Opfer

Die weißen Schuhe erinnern an die 43.526 Paar Schuhe, die man in Auschwitz fand. Foto: Soukayna Jriou für Nordstadtblogger.de

„Vor der Ermordung schnitt man den Frauen das Haar ab. Berge von Frauenhaar in Ballen gelagert. 28 Kilogramm, 22 Kilogramm. Menschenhaar diente der deutschen Textilindustrie als Rohstoff.“ In Auschwitz fand man insgesamt sieben Tonnen an Menschenhaaren von den Gefangenen und Ermordeten. Gemahlene Menschenknochen wurden als Düngemittel an Firmen verkauft. Man fand 35 Lagerhallen, in denen das „Leichengut“ aufgestapelt wurde.

Die Redebeiträge wiesen zum einen auf den unvorstellbaren Massenmord hin, zum anderen auf die Profiteure der Vernichtungsmaschinerie des Holocaust. Es wurde ein Bogen gespannt von der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 zu einem Tag genau dreizehn Jahre zuvor.

Am 27. Januar 1932 trafen sich auf Schloss Landsberg große Industrielle mit Adolf Hitler. Unter ihnen der Dortmunder Industrielle Albert Vögler. Schon 1923 sprach er seine Zustimmung für die Politik der Nationalsozialisten und seine Sympathie gegenüber der Person Hitler aus.

Bündnis besorgt über Rechtsextremisten auf Corona-Demonstrationen

Die Zuschauer:innen hörten aufmerksam zu. Foto: Soukayna Jriou für Nordstadtblogger.de

Ula Richter ist Mitgründerin des vor über 20 Jahren entstandenen „Bündnis Dortmund Gegen Rechts“. Die Organisation setzt immer wieder durch solche Aktionen Zeichen gegen Faschismus. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen, sei der Kampf gegen Faschismus auch heute noch wichtig.

Die Vernetzung rechter Strukturen und die Anwendung von Gewalt, um die eigenen Ziele durchzusetzen oder Andersdenkende einzuschüchtern und mundtot zu machen, nehmen in den letzten Jahren sogar zu. „Ich denke, wenn sich mehr Menschen engagieren würden gegen Faschismus und Krieg, dann sähe es in diesem Land anders aus.“

Auch in Dortmund selbst sieht Richter Grund zur Sorge. Aktuell gibt es viel Kritik, da bekannte Neonazis auch bei Querdenkerdemos mitlaufen, versuchen, die Bewegung zu unterwandern, um den öffentlichen Protest für ihre eigenen Propagandazwecke zu missbrauchen.

Richter meint, es sei naiv zu glauben, dass sich die Lage nach dem Tod der Galionsfigur der Dortmunder Neonazis, Siegfried Borchardt, bekannt unter dem Spitznamen „SS-Siggi“, lockern würde.

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  1. Volksverhetzung in einer U-Bahn – Ingewahrsamnahme und Anzeige (PM POL-DO)

    Zwei Dortmunder haben am Sonntag in einer U-Bahn randaliert. Beide gröhlten volksverhetzende Lieder. Es folgte die Ingewahrsamnahme und eine Strafanzeige.

    Gegen 10 Uhr am Sonntag meldete sich ein Polizeibeamter, der privat unterwegs war, bei der hiesigen Leitstelle. Als die Beamten kurze Zeit später an der Haltestelle Fredenbaum eintrafen, konnten sie verhindern, dass die beiden Männer die Örtlichkeiten verließen.

    Nach Zeugenangaben haben die zwei Männer in der U-Bahn herumgeschrien und gegen die Fensterscheiben geschlagen. Beide rissen sich dann die Maske vom Gesicht und gröhlten ein Lied mit volksverhetzendem Inhalt.

    Die Beamten fanden bei der Durchsuchung eines der Männer (39 aus Dortmund) eine geringe Menge Betäubungsmittel. Der 39-Jährige war aggressiv und alkoholisiert. Zur Verhinderung weiterer Straftaten und zur Ausnüchterung brachten die Beamten ihn in das Polizeigewahrsam. Besondere Haftgründe gegen den zweiten Randalierer (44 Jahre) lagen nicht vor.

    Die Tatverdächtigen sind bis jetzt polizeilich nicht wegen politisch motivierter Delikte in Erscheinung getreten.

    Die beiden erwartet jetzt ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung.

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