Der Kommunalpolitik stößt der Alleingang von OB Westphal sauer auf

Das Amt für Stadterneuerung soll ins Amt des Oberbürgermeisters integriert werden

Visualisierung des neuen Wohngebietes Stahlwerkstraße auf der Westfalenhütte mit Grünem Ring und grüner Lärmschutzwand.
Die Planungen auf der Westfalenhütte mit dem Grünem Ring sind eines der aktuellen Großprojekte der Stadterneuerung. Visualisierung: Stahm Architekten

Wenn man über das „Stadtamt 67“ redet – das Amt für Stadterneuerung – redet man über zentrale Projekte der Stadtentwicklung. Zu ihrer Aufgabe gehört neben der Quartiersentwicklung und Betreuung von zahlreiche Leuchturmprojekten auch das Schreiben von Förderanträgen, mit denen zentrale Vorhaben wie die Internationale Gartenausstellung (IGA 2027) oder der Bau des „Grünen Rings“ auf der Westfalenhütte finanziert werden (sollen). Das Stadtamt steht aber derzeit ohne Chefin da: Susanne Linnebach übernimmt im April 2024 eine neue Führungsaufgabe bei der Emschergenossenschaft. Eine Nachfolge für sie soll es aber nicht geben – Oberbürgermeister Thomas Westphal will die Stadterneuerung in sein „Stadtamt 01“ eingliedern.

Für Westphal fällt das unter die Organisationshoheit als Chef der Verwaltung

Westphal merkt man an, dass ihm die vorgezogene Öffentlichkeit nicht schmeckt. Die Pläne waren geleakt worden, bevor der OB die Beschäftigten informieren und mit den Fraktionsspitzen über seine Pläne hat sprechen können. 

Die bisherige Amtsleiterin Susanne Linnebach ist von der Stadterneuerung zur Emschergenossenschaft gewechselt. Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Beschäftigte und Fraktionen wurden am Mittwoch (6. März 2024) persönlich über seine Pläne informiert. Das Echo ist offenbar gespalten. Insbesondere der Kommunalpolitik stößt es sauer auf, dass sich Westphal das wichtige Amt einverleiben will, ohne darüber die Politik entscheiden zu lassen. ___STEADY_PAYWALL___

Doch Westphal sieht das als seine ureigene Entscheidung an: „Nach Kommunalrecht kann OB jede Aufgabe an sich ziehen. Das ist auch Inhalt des Ganzen und meine Organisationshoheit als Chef der Verwaltung“, stellt der OB klar. 

Der erwartete massive Bevölkerungszuwachs zwingt die Verwaltung zum Handeln

Auf Nachfrage von Nordstadtbblogger nennt er Gründe für seine Entscheidung: Dies geschehe von dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung. Die neuen Szenarien prophezeien einen deutliches Wachstum der Bevölkerung. „Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass bereits im Jahr 2035 die Zahl der Menschen in Dortmund auf 650.000 steigen könnte. 

Dortmund wächst und wird jünger: Bis 2035 werden schätzungsweise 500 (!) zusätzliche Kitagruppen benötigt. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Im vergangenen Jahr war die Zahl auf über 612.000 Bewohner:innen angestiegen. „Wir haben ein erhebliches Wachstum vor uns“, so Westphal. Das komme durch Geburten, aber auch durch Zuzug aus dem Umfeld und international. Damit einher gehe ein großer Bedarf an Infrastruktur – vor allem Kitas, Schulen und Wohnungsbau. 

Das würde beispielsweise 500 (!) neue Kitagruppen bedeuten, aber auch zahlreichen neue Klassen und Schulzüge an Grundschulen sowie weiterführenden Schulen. Zudem rechnet die Stadtspitze mit 17.000 bis 20.000 zusätzlichen Haushalten – und dem damit verbundenen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum.

Das bisherige Team der Stadterneuerung versteht sich auf Netzwerkarbeit

Doch was hat das mit dem Amt für Stadterneuerung zu tun? Vieles – um nicht zu sagen alles: „Wir haben uns im Verwaltungsvorstand intensiv unterhalten. Wir wollen das Thema nicht auf die lange Bank schieben, sondern verwaltungsmäßig reagieren.“ 

Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD)
Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Dieser Kraftakt benötige ein erfahrenes Team, welches sich auf Netzwerkarbeit verstehe – eben das Amt für Stadterneuerung. Es sei schon jetzt mit den entsprechenden Themen befasst und koordiniere eine Vielzahl von Themen mit den verschiedensten Stadtämtern und Fachbereichen. 

Durch den anstehenden Wechsel in der Amtsleitung sei der richtige Zeitpunkt gekommen, die „67er“ ins OB-Amt zu integrieren. Es gehe darum, „diejenigen, die das bestens können, ins Amt des Oberbürgermeisters zu holen“. 

Dort soll bis zum Jahresende eine Einheit entstehen, die sich koordinativ u.a. mit Jugend-, Schul-, Planungs- und Wohnungsamt sowie der Kämmerei verständigt, um die Zahlen zu validieren und einen konkreten Ausbau- und Flächenplan zu machen, um den dann mit dem Rat abzustimmen, erklärt Westphal seine Strategie.

Die neu entstehende Einheit soll „die Spinne im Netz sein“

Die Kritik, dass es Reibungsverluste und Abstimmungsprobleme geben könnte, wenn die Stadterneuerung aus dem Planungsdezernat herausgelöst werde, lässt Westphal nicht gelten. Diese Zukunftsaufgabe sei zu groß: „Das kann kein Dezernent alleine, er braucht immer den OB an seiner Seite“, so Westphal auf Nachfrage von Nordstadtblogger. Ein solches Team „muss ich kompakt zusammenhalten und führen“.  

Ebenfalls ein Zukunftsprojekt der Stadterneuerung: Stolze 3,3 Millionen Euro soll die „Wolke“ für die IGA 2027 kosten. Sie ist eine begehbare Spiel- und Erlebnisskulptur mit einem Durchmesser von bis zu 27 Metern. Quelle: bbz landschaftsarchitekten/ msing officium/ julia kattinger

Die neu entstehende Einheit müsse „die Spinne im Netz sein“: „Sie müssen ja mit allen Stadtämtern zusammenarbeiten – das können sie jetzt schon. Zu vielen Stadtämtern gibt es sehr enge Kontakte. Die Stadterneuerung versteht sich ja jetzt schon als Querschnittsaufgabe.“

Abgesehen davon, passe die „hervorragende Quartiersarbeit“ gut zur Nachbarschaftsarbeit, die im Stadtamt 01 geleistet werde. „Und wir wollen ja die Quartiere weiterentwickeln. Schon jetzt gibt es viele Förderprogramme. Und die werden wir ja weiter brauchen – wir werden ihre Aufgaben ja nicht fallen lassen.“ 

Insbesondere dem Thema Fördermittel-Akquise kommt zukünftig eine noch größere Aufgabe zu. Das ist ein Thema, dem sich die Stadterneuerung maßgeblich widmet. Allerdings werde das Amt für Stadterneuerung nicht „1:1“ in das Stadtamt überführt. gemeinsam werde man über die entsprechenden Prozesse und Strukturen sprechen. „Das wird ein partizipativer Prozess“, kündigte Westphal an, der bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll. 

Grüne befürchten massive Reibungsverluste und die Zerschlagung funktionierender Strukturen

Ob das so reibungslos gelingen wird, darf bezweifelt werden. Schon vor dem Termin mit den Fraktionen hatten beispielsweise die Grünen die Pläne scharf kritisiert, die Stadterneuerung aus dem „grün geführten“ Dezernat für Umwelt, Planen und Wohnen herauszulösen. 

Bisher sitzt die Stadterneuerung mit der VHS an der Kampstraße. Wo sie künftig untergebracht werden, ist noch offen. Foto: Thomas Engel

„Die Idee des Oberbürgermeisters, das Amt für Stadterneuerung aufzulösen, halten wir schlichtweg für falsch. Für diese Entscheidung gibt es aus unserer Sicht keinen sachlich nachvollziehbaren Grund. Im Gegenteil: Das Amt ist ein wichtiger Teil der Stadtplanung. Dort ist es inhaltlich und fachlich auch richtig angebunden“, heißt es in einer ersten Stellungnahme 

„Ein Herauslösen aus diesem originären Kontext halten wir für falsch, weil dadurch neue Schnittstellen mit entsprechenden Reibungsverlusten entstehen. Bei den aktuell anstehenden Aufgaben, die in diesem Amt bewältigt werden, sollten gut funktionierende Strukturen nicht ohne Not auseinandergerissen werden“, heißt es weiter. 

„Neben dem Verlust an für alle Seiten wertvollen Synergien wird eine Auflösung des Amtes auch den fachlich bestens ausgebildeten Mitarbeitenden nicht gerecht. Eine unklare zukünftige Struktur, verbunden mit einer Aufteilung auf verschiedene Bereiche im Amt des Oberbürgermeisters, ist sicher kein Motivationsschub für die Mitarbeiter:innen“, schreiben die Grünen.

Auch der Fachausschuss hatte kurzfristig das Thema auf der Tagesordnung

Auch der Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen (AKUSW) setzte auf gemeinsame Initiative von Grünen, CDU und Linke+ einen Zusatz- und Ergänzungsantrag auf die Tagesordnung, um den Vorstoß des OB im Keim zu ersticken. Darin heißt es: Der AKUSW zeigt sich irritiert darüber, dass die FachpolitikerInnen über Pläne einer Auflösung und Umstrukturierung des Amtes für Stadterneuerung (FB 67) durch eine Berichterstattung in den Medien informiert werden.“

Stefan Szuggat ist Dezernent für Umwelt, Planen und Wohnen der Stadt Dortmund.
Bislang ist die Stadterneuerung bei Stefan Szuggat im Dezernat für Umwelt, Planen und Wohnen der Stadt Dortmund angesiedelt. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Weiter heißt es: „Der AKUSW stellt fest, dass das Amt für Stadterneuerung als Teil der Stadtplanung sowohl inhaltlich, als auch fachlich organisatorisch im Dezernat 6 richtig angebunden ist. Der Ausschuss hat keinerlei Hinweise darauf, dass eine Neustrukturierung der bisherigen außerordentlich erfolgreich arbeitenden Strukturen notwendig ist.“

„Der Fachausschuss spricht sich dafür aus, vor dem Hintergrund der aktuellen und zukünftigen Herausforderung im Bereich Stadterneuerung und – entwicklung die bisherigen, sehr gut funktionierenden Strukturen zu erhalten und keine zusätzlichen Schnittstellen mit daraus entstehenden Reibungsverlusten zu schaffen. Der Ausschuss lehnt es deshalb aus fachlicher Sicht ab, das Amt für Stadterneuerung aufzulösen und/oder in andere Organisationsformen/Dezernate/Ämter zu überführen.“

Dieser Antrag fand eine große Mehrheit – alle Fraktionen stimmten zu. Lediglich die SPD-Fraktion stärkte ihrem OB den Rücken. Kurz vor der Sitzung hatte der Oberbürgermeister die Fraktionsspitzen über sein Vorhaben informiert. Doch das änderte nichts an der Ablehnung der meisten Fraktionen. Das Thema wird also weitergehen…


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