Corona und der Glaube (Teil 5): „Religion und Pandemie – die Worte des Propheten sind fundierte Ratschläge (Gebote)“

Der Innenraum der Dortmunder Zentralmoschee ist bereits neu gestaltet.
Heute hätte in den Moscheen Dortmunds das Freitagsgebet stattfinden sollen – der Kampf gegen die Pandemie verhindert es. Foto (3): Alex Völkel

Weil durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus das öffentliche Leben nahezu zum Erliegen gekommen ist und alle Dortmunder*innen angehalten sind, soziale Kontakte zu meiden, nimmt für viele Einsamkeit zu. Während sie in ihren Wohnungen ausharren müssen, bleibt die Lage ungewiss.

 

Betroffen sind auch die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften, die allesamt keine klassischen Gottesdienste in ihren Räumlichkeiten mehr abhalten dürfen. Dieses Verbot wurde erst am Mittwoch in dieser Woche von Entscheider*innen in Berlin bestätigt: Kontaktsperre und Reisebeschränkungen bleiben mindestens bis zum 3. Mai erhalten; Lockerungen betreffen die Wirtschaft, nicht aber Religionsgemeinschaften. Auch aus diesem Grunde setzen wir unsere Serie „Corona und der Glaube“ fort.

 

Obwohl mittlerweile online viele Alternativen angeboten werden, fehlt vielen Menschen der Rückhalt, der Austausch, der Trost und die Hoffnung, die sie sonst in ihrem Glauben und in der Gemeinschaft gefunden hatten. So kommen weiterhin während der Corona-Krise regelmäßig Geistliche verschiedener Konfessionen aus Dortmund zu Wort, die Mut und Impulse geben wollen, wie wir diese Zeit gemeinsam überstehen können.

 

Den Anfang in unserer Impuls-Reihe machte der katholische Pfarrer Ansgar Schocke von der Kirchengemeinde Heilige Drei Könige (Dortmund-Nordstadt). Ihm folgte Rabbiner Baruch Babaev von der Jüdischen Gemeinde Dortmund mit dem Titel „In Zeiten, wo die Gottesdienste nicht stattfinden dürfen“. Dann wollte die evangelische Pfarrerin Andrea Auras-Reiffen Menschen in der Krise Mut machen. Für ein Osterwort konnten wir erneut Ansgar Schocke gewinnen. Heute spricht Imam Ahmed Aweimer zu allen Dortmunder*innen.

 

Gastbeitrag von Imam Ahmed Aweimer

Ja, es ist mehr als fünf Wochen her, dass wir keine Freitaggebete und keine der anderen Gebete mehr in unseren Gotteshäusern veranstalten konnten. Die Menschen vermissen nicht nur ihre gewohnten gemeinsamen gottesdienstlichen Handlungen in der Moschee, sondern auch ihre sozialen Kontakte. Das sind schwere Zeiten für alle und besonders für Ältere und alleinstehende Menschen – die Traurigkeit und Resignation hervorbringen.

Der gläubige Mensch jedoch lässt sich in eine solche Stimmung nicht hineinfallen. Pandemien haben Menschen immer und wieder heimgesucht. Einer solchen Situation sollen wir mit Geduld und Verstand begegnen. Das Gebet haben wir trotzdem nicht verloren. Gebetet wird immer, wo er sich befindet, denn Gott hat die ganze Erde zu einer „hygienisch reinen Moschee“ gemacht. Wo immer Gläubige sich aufhalten, beten sie. Und die Kraft des Gebetes kann sich entfalten.

Religion und Pandemie: die Worte des Propheten sind fundierte Ratschläge (Gebote)

In den besonderen, im Islam bedeutenden religiösen Vorgaben und Handlungen finden wir uns wieder, um dieser Pandemie entgegenzuwirken. Bereits vor fast 1400 Jahren gab der Prophet Muḥammad  fundierte Ratschläge, um die Entwicklung einer Pandemie wie COVID-19 zu verhindern und zu bekämpfen. Gute Hygiene und Quarantäne während einer Pandemie sind Pflicht.

Islam-Seminar und Fastenbrechen in Abu-Bakr-Moschee
Imam Ahmed Aweimer. Archivbild (2): Klaus Hartmann

Muḥammad sagte: „Wenn ihr von einem Ausbruch der Pest (Synonym für Pandemie) in einem Land hört, betretet es nicht; aber wenn die Pest an einem Ort ausbricht, während ihr euch dort befindet, verlasst diesen Ort nicht.“

Der Prophet Muḥammad sagte auch eindeutig : „Menschen mit (ansteckenden) Krankheiten sollten zu Menschen, die gesund sind, nicht kommen.“

Ebenso soll Hygiene eingehalten werden. Muḥammad ermutigte Menschen nachdrücklich, sich an Hygienepraktiken zu halten, die andere vor Infektionen schützen. Betrachten Sie die folgenden Hadithe oder Sprüche des Propheten:

„Sauberkeit ist Teil des Glaubens.“ – „Wäscht eure Hände, nachdem ihr aufgewacht seid; du weißt nicht, wo sich deine Hände bewegt haben, während du schläfst.“ – Hier sei auch erinnert an die täglichen Gebetswaschungen (ca. 5 Mal am Tag): „Der Segen des Essens liegt im Händewaschen vor und nach dem Essen.“

Der Prophet ermutigt Menschen, immer medizinische Behandlung und Medikamente zu suchen: „Sucht Medizin“, sagte er, „denn Gott hat keine Krankheit gemacht, ohne ein Heilmittel dafür herabzusenden, mit Ausnahme einer Krankheit – dem Alter.“

„Am Zusammenhalt der Gesellschaft halten wir fest und tun etwas dafür.“

Die Einschränkungen, die wir seit Tagen und Wochen erleben, werden sich noch für weitere Wochen und vielleicht Monate erstrecken. Geduld ist hier nicht nur angebracht, sondern auch eine religiöse Maxime.

Am Zusammenhalt der Gesellschaft halten wir fest und tun etwas dafür. Viele unsere Gemeinden bieten bereits Nachbarschaftshilfen an. Für viele ältere Menschen und andere Personen aus Risikogruppen ist es eine Erleuchtung, zu wissen, dass sie sich an uns wenden können und sich hier jemand um sie kümmert.

Als Beispiel möchte ich den Besuch der Vorstandsmitglieder, des Imams und Jugendlicher der Selimye Moschee in Dortmund-Eving zu älteren und allein lebenden Gemeindemitgliedern nennen. Dabei schenkten sie ihnen ein Paket mit Grundnahrungsmitteln und Pflegeartikeln. Die Freude und Dankbarkeit der Menschen war sichtbar.

Viele Gemeinden bieten bereits Bildung und religiöse Gebete über die sozialen und virtuellen Medien an, so dass Menschen über diese Wege die nötige Seelsorge erfahren können.

„Gebetsruf“ und „Lichter der Hoffnung“: gemeinsames Gebetsvideo der Abrahamsreligionen

Wir sind alle gefordert, noch enger zusammen zu rücken. Die Muslimischen Gemeinden dürfen in Abstimmung mit der Stadt Dortmund täglich zur Abendzeit den Gebetsruf öffentlich gestalten.

Wie immer gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Foto: Alex VölkelUnd im Rahmen des Dialogkreises der Abrahamsreligionen wurde auch vereinbart, die Aktion „Lichter der Hoffnung“ der Kirchen dahingehend mit dem Gebetsruf der Muslime und den Gebeten der Juden zu verbinden. Unter dem Motto: „Das Virus kennt keine Grenzen, unsere Gebete auch nicht.“

Dazu haben die Mitglieder des Dialogkreises ein gemeinsames Gebetsvideo erstellt, mit Sequenzen, die jeder in seinem jeweiligen Gotteshaus aufgenommen hat. [Link ist unter dem Beitrag.] Die Gebetsrufe und die Kirchenglocken sollen bis Wiedereröffnung der Gotteshäuser weiter laufen. Die Kontakte zur Politik und Verwaltung sowie mit den anderen Religionsgemeinschaften in Dortmund sind stets konstruktiv und hinweisend.

Ramaḍān: Monat der Begegnung ohne Begegnungen und ohne Einladung zum Fastenbrechen

Am 24. April 2020 ist der erste Tag des Monates Ramaḍān. Es ist alles anders in diesem Jahr geworden. Nun, die Freude am Kommen dieses Monats wird auch eintreten, selbst wenn die Einschränkungen weiter bestehen. Doch ist sie in diesem Jahr getrübt. Moscheen ohne Besucher, gemeinsame Gebete sind nicht möglich. Das gemeinsame gewohnte Fastenbrechen in den Moscheen und in anderen Lokalitäten wird nicht stattfinden. Gegenseitige Besuche werden ausfallen.

Islam-Seminar und Fastenbrechen in Abu-Bakr-Moschee
Betende, interkulturell zusammengesetzt, anlässlich des Fastenbrechens 2018, Abū-Bakr-Moschee, Nordstadt

Auch die Einladung zum Fastenbrechen (Ifṭār) vom Rat der muslimischen Gemeinden in Dortmund (RMGD) und des Integrationsrats in Zusammenarbeit mit dem Dietrich-Keuning-Haus (DKH) kann nicht aufrecht erhalten werden. Ebenso die Fastenbrechen-Einladung im Rahmen des Islamseminars – zum ersten Mal nach 26 Jahren ohne Unterbrechung. Das gilt für viele weitere Einladungen der verschiedenen Gemeinden.

Viele Studentinnen und Studenten, allein lebende und bedürftige Menschen werden die täglichen Ifṭār-Einladungen vieler Gemeinden vermissen. Auch die jeweiligen Spender und Helfer werden die Freude, beim Ifṭār zu spenden, nicht teilen können.

Die Muslime in Dortmund haben Sorge um ihre Verwandten und Familien, um Nachbarn in Dortmund, aber auch um jene in der angestammten Heimat. Die Pandemie spart niemanden aus. Trotz alldem dürfen wir die Hoffnung nicht verlieren. Den Kontakt zu den eigenen Mitgliedern bzw. zu den anderen Menschen sollen wir über die sozialen Medien und virtuellen Möglichkeiten aufrechterhalten. Wir glauben schließlich und suchen Hilfe und Geduld beim Barmherzigen.

Geben wir Acht aufeinander!

Die Zeit, über vieles nachzudenken, ist uns jetzt gegeben. Besinnung mit Verstand und Vernunft sind unentbehrlich. Wir müssen bereit sein, uns und unsere ganze Gesellschaft vor der Pandemie zu schützen. Zusammenhalt, Respekt, Frieden, Vertrauen, Rücksicht und Zuversicht erzeugen fruchtbare Zusammenarbeit und schließlich für alle Erfolg. Wir müssen auch bereit sein, über unseren Glauben nachzudenken, uns zu besinnen.

„Die Welt danach wird eine andere sein“, sagte unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor einigen Tagen. Er empfahl am Ende seine Rede: „Geben wir Acht auf einander.“

Eine friedliche und freundliche Zukunft für alle: ob krank, in Dortmund oder auf der Flucht

Wir alle gemeinsam müssen über vieles nachdenken und eine bessere, friedliche und freundliche Zukunft anstreben.

Selbst wenn eine allgemeine Verunsicherung herrscht, dürfen wir dabei unseren Zusammenhalt nicht verlieren. Unser Zusammenhalt war, ist und bleibt in Dortmund ein Rückhalt. Dadurch sind wir gemeinsam in einer solchen Situation auch stark. „Wir alle sind Dortmund!“

Wir denken an alle, die ihr Leben verloren haben. An alle, die gerade schwerkrank sind und mit dem Tod ringen. An alle, die von Angst gekennzeichnet sind und wenig Möglichkeiten haben. Z.B. an die zig Millionen Flüchtlinge weltweit.

Wir denken an alle, die in der medizinischen Versorgung und Forschung stehen. Wir denken an alle, die sich einsetzen in der Politik, Verwaltung, Versorgung und Sicherheit, und sicherlich an viele andere auch.

Ein menschliches Wesen am Leben zu erhalten, ist, als ob alle Menschen am Leben erhalten werden

Die Lage ist immer noch sehr ernst. Es geht um Lebensrettung. Für Muslime ruft bei uns ein Vers aus dem Qurʾān (Koran):

„Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (dass es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält.“ (Qurʾān 5:32)

O Allāh, gib der Menschheit Dein Licht und die Kraft, um diese Corona-Pandemie zu bewältigen, indem sie ein wirkungsvolles Medikament herstellen können und Du dieses Virus aufhältst.

O Allāh, behüte uns, unsere Familien, unsere Stadt, unser Land und alle Menschen in der Welt.

Amen, o Gnädiger, o Barmherziger. [آمين يا رحمن يا رحيم]

 

Gebetsvideo der Abrahamsreligionen:

 

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  1. Koordinationsrat der Muslime: Schrittweise Öffnung der Moscheen ab 9. Mai (Pressemitteilung)

    Koordinationsrat der Muslime: Schrittweise Öffnung der Moscheen ab 9. Mai

    Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) begrüßt die Beschlüsse der Bund- Länder-Konferenz. Die Ermöglichung von Gottesdiensten wird dem Stellenwert der Religionsfreiheit gerecht und ein wichtiges Signal für die Gesellschaft. Der KRM hat im Lichte dieser Entscheidung beraten und eine schrittweise Öffnung der Moscheen für Gottesdienste unter Auflagen beschlossen. Die Mitglieder des KRM und ihre Moscheegemeinden werden die ersten Gottesdienste ab dem 9. Mai durchführen.

    „Wir haben diese Entscheidung mit bestem Wissen und Gewissen sowie aus religiöser und bürgerlicher Verantwortung zum Schutz von Gesundheit und Menschenleben getroffen. Möge Allah unser Land, unsere Gesellschaft sowie die gesamte Menschheit vom Übel dieser Pandemie befreien“, erklärt KRM- Sprecher Burhan Kesici.

    Zunächst werden nur drei der fünf täglichen Gebetszeiten (Morgen, Mittag, Nachmittag) durchgeführt unter strikter Einhaltung der vom KRM erarbeiteten und von Behörden sowie dem Robert Koch Institut begutachteten Vorgaben.

    Diese sind unter anderem: Begrenzung der Besucherzahl, Abstands- und Maskenpflicht, der Situation angepasste Hygienemaßnahmen, Erfassung von Besuchernamen. Außerdem bringen die Besucher ihre eigenen Gebetsteppiche mit. Besonders stark frequentierte Gebete (Nachtgebete im Ramadan (Terawih), Freitags- und Festtagsgebete) bleiben weiter ausgesetzt.

    Die Vorgaben werden fortlaufend überwacht und gegebenenfalls ergänzt. „Wir werden diesen Beschluss nach der nächsten Bund- Länderkonferenz am 6. Mai im Lichte der dann aktuellen Erkenntnisse und Empfehlungen einer erneuten Prüfung unterziehen und bei Bedarf anpassen“, erklärt Burhan Kesici abschließend.

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