In unserer Serie Nordstadt-Geschichte(n) richten wir den Fokus häufig auf fast vergessene Ereignisse und Jubiläen. Im neusten Teil erinnern wir an das stadtbildprägende CEAG-Haus an der Kreuzung Münsterstraße und Eberstraße in der Nordstadt – es wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Die namengebende Concordia-Elektrizitäts-AG in Dortmund ist sogar noch älter – und selbst längst Geschichte….
Von Klaus Winter
Die Concordia-Elektrizitäts-AG, kurz CEAG genannt, wurde 1906 in Berlin von den Bergmann Elektrizitätswerken und den Inhabern mehrerer Ingenieurbüros ins Leben gerufen. Zweck des neuen Unternehmens sollte die Lieferung von Maschinen und Installationsmaterial zur Elektrifizierung von Zechen und Hüttenwerken sein. Die Wahl des Unternehmenssitzes fiel auf Köln, doch schon nach kurzer Zeit wurde er nach Düsseldorf verlegt.
Der CEAG gelang mit einer sicheren, robusten und langlebigen Grubenlampe
Die CEAG richtete Büros in verschiedenen Städten ein, u. a. auch in Dortmund, wo das Vorstandsmitglied Ingenieur Fritz Färber an der Entwicklung einer elektrischen Grubenlampe arbeitete. Er erzielte dabei bereits 1907 einen bemerkenswerten Erfolg, doch wurde seine Lampe nur für Rettungsmannschaften, also einem kleinen Abnehmerkreis bestellt.
Bis 1909 entwickelte er eine schlagwettersichere Lampe, deren Lebensdauer wegen der schwachen Leistungsfähigkeit der Akkumulatoren allerdings auf 20 bis 30 Schichten beschränkt war. Das machte sie für den tagtäglichen Einsatz unter Tage zu teuer. Aber auch das Akkumulatoren-Problem konnte gelöst werden. Ab 1910 wurden dann die leistungsfähigeren Lampen der R-Serie produziert. Die erste Fertigungsserie umfasste gleich 3.000 Stück.
Die R 1911 sollte der CEAG den Durchbruch bringen. Der entscheidende Schritt dazu gelang 1912 in London. Dort war vor dem Hintergrund schwerer Bergbau-Unglücke ein hoch dotierter Wettbewerb ausgeschrieben worden. Hersteller aus aller Welt schickten ihre Grubenlampen ins Rennen. Geprüft wurden Lichtstärke, Schlagwettersicherheit und Stoßfestigkeit. In die engere Wahl kam auch die CEAG-Lampe R 1911.
Während viele Konkurrenzprodukte bereits an einfachen Prüfungen scheiterten, überzeugte die R 1911: Um ihre Stabilität zu beweisen, warf Fritz Färber sie mit Schwung aus einem Fenster des im zweiten Stockwerk liegenden Prüfungssaals. Die Lampe schlug auf dem Basaltpflaster des Hofes auf, sprang noch einmal hoch und rollte aus. Die R 1911 hatte durch diese Prozedur zwar einige Beulen davon getragen, aber sie brannte auch noch, als sie ausgerollt war. Die CEAG-Lampe ging nicht nur als Sieger aus dem Londoner Wettbewerb hervor, sie erhielt auch in den Folgejahren noch bedeutende Auszeichnungen.
Internationale Nachfrage war so hoch, dass CEAG in England und den USA Niederlassungen gründete
In Folge des gewonnenen Wettbewerbs entstand eine große Nachfrage nach Grubensicherheitslampen der CEAG. Die Zeche Radbod bei Hamm, die wenige Jahre zuvor mehr als 340 Tote bei einer Schlagwetterexplosion zu beklagen hatte, rüstete 1913 ihre ganze Belegschaft mit CEAG-Lampen aus. Nachfrage kam auch aus dem Ausland. Die Zahl der Lampen-Bestellungen aus England war so hoch, dass die CEAG dort eine Niederlassung gründete. Weitere Töchterunternehmen entstanden für den Bereich der Donau-Monarchie und in den USA.
In Dortmund war die CEAG 1911 von ihrem ursprünglichen Büro in der Langestraße zur Kreuzstraße gezogen. Der Raumgewinn hielt nicht lange vor. Mitten im Ersten Weltkrieg entstand an der Münsterstr. 231 ein großzügiger Neubau. Das Fabrikations- und Verwaltungsgebäude wurde 1917 in Betrieb genommen. Der repräsentative Bau konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kriegsjahre keine goldenen Jahre waren, denn das im feindlichen Ausland gelegene Firmenvermögen ging verloren, und der Export kam völlig zum Erliegen.
Neue Dortmunder Zentrale wurde mitten im 1. Weltkrieg in der Nordstadt errichtet
Die Entwicklung der Lampen der R-Serie ging allen Hindernissen der ersten Nachkriegsjahre zum Trotz weiter und erreichte mit der RMC 1921 einen neuen Höhepunkt. Da im gleichen Jahr ein Gesetz verabschiedet wurde, das nur noch die Verwendung elektrischer Grubenlampen im Kohlebergbau erlaubte, stieg die Nachfrage rasant und führte zum erneuten Aufschwung des Unternehmens.
Die CEAG hatte ihren Kunden bereits vor dem Ersten Weltkrieg die Möglichkeit eingeräumt, die Lampen zu mieten statt zu kaufen. In dem Fall richtete die CEAG bei der Zeche eine Lampenstube ein, in der die Wartung durch Fachleute der CEAG vorgenommen wurde. Die Zeche sparte dabei die hohen Anschaffungskosten und verfügte immer über ordnungsmäßig gewartete Lampen, während die CEAG von der langfristigen Kundenbindung profitierte.
Dieses Mietgeschäft blühte in der Zwischenkriegszeit. Das Auslandsgeschäft nahm ebenfalls wieder zu. Es kamen Großaufträge aus Russland, in London wurde ein neues Tochterunternehmen gegründet. Weltweit übernahmen zahlreiche Vertretungen den Vertrieb der CEAG-Produkte.
Produktpalette wurde nach einem Brand bei CEAG um Feuerlöschgeräte erweitert
Die Produktpalette war nach einem kleineren Brand bei der CEAG 1925 um Feuerlöschgeräte ausgeweitet worden, denn beim Löschen des Feuers hatte man festgestellt, dass die vorhandenen Handlöscher nicht oder nur unzureichend funktionierten. Das wollte man besser machen und entwickelte Kohlensäurelöscher, chemische Schaumlöscher, Trockenfeuerlöscher und die ersten Handfeuerlöscher mit Luftschaumerzeugung. Die Feuerlöscher-Produktion wurde zum zweiten Standbein der CEAG.
In der Weltwirtschaftskrise brach dann die neu aufgebaute Struktur in sich zusammen. Das 25jährige Jubiläum der CEAG fand nicht in rosigen Zeiten statt und wurde in aller Stille begangen.
Zu Beginn des Dritten Reichs ging es zunächst wieder wirtschaftlich aufwärts. In der Festschrift zum 50jährigen Firmenjubiläum (1956) heißt es dazu: „Die Rückgliederung des Saargebiets ergab eine weitere Ausdehnung des Geschäftes mit den Saargruben, die bis dahin deutschen Lieferanten nicht zugänglich waren, ebenso erweiterte der Anschluß Österreichs das inländische Absatzgebiet. Hingegen blieben die alten Exportmärkte verschlossen […].“ Über das Zwangsarbeiterlager an der Rückseite des Firmengebäudes sagte die Jubiläumsschrift nichts. Das Stadtarchiv ermittelte eine Barackenunterkunft für 70 Ostarbeiterinnen.
Der Firmensitz an der Münsterstraße wurde 1943 durch Bomben zerstört
Das Fabrikations- und Verwaltungsgebäude Münsterstr. 231 des kriegswichtigen Betriebs wurde 1943 durch Bomben zerstört. Man verlagerte die Produktion nach Thüringen. Später wurde diese, nun in der DDR gelegene Produktionsstätte in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt. In Dortmund verblieben nach dem Bombenangriff nur eine Verkaufsabteilung und eine kleine Reparaturwerkstatt.
Der Wiederaufbau begann zügig nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Auch die Produktion konnte bald wieder aufgenommen werden. Neben den Lampen und den Feuerlöschgeräten setzte man nun zusätzlich auf Luftreinigungsanlagen. Bereits Mitte der 1930er Jahre hatte sich die CEAG mit der Herstellung von Luftfiltern beschäftigt, aber nur in geringem Umfang produziert.
Ab Mitte der 1950er Jahre wurde dieser Fabrikationszweig kräftig vorangetrieben. Durch Kooperation mit US-amerikanischen Firmen profitierte die CEAG von deren Wissensvorsprung. Die immer größer werdenden Anforderungen der Industrie führten zu erfolgreichen Lösungen bei der Entwicklung von Entstaubungsanlagen.
Als ein für eine positive Geschäftsentwicklung wichtiger Schritt erwies sich die Entscheidung, den seit Ende des Ersten Weltkrieges kaum noch berücksichtigten Elektro-Großhandel wieder zu aktivieren. Die blauen Lieferwagen mit dem CEAG-Schriftzug gehörten bald für viele Jahre zum Bild des Straßenverkehrs in NRW.
Nach einer Fusion mit den Dominit-Werken unter dem Dach von VARTA kam das Ende
1970 schlossen sich die Concordia Elektrizitäts-AG Dortmund und die DOMINIT-Werke GmbH Brilon zusammen und firmierten nun gemeinsam unter dem Namen CEAG-DOMINIT AG. Beide Unternehmen gehörten zu dem Zeitpunkt zur VARTA-Gruppe und waren auf gleichen Produktionsgebieten tätig. Durch die Fusion sollten die Kräfte gebündelt werden. Die Arbeitsplätze – 1.700 in Dortmund und 2.500 in Brilon – sollten nicht gefährdet sein.
Tatsächlich geriet das neue Unternehmen jedoch innerhalb weniger Jahre in Schieflage. 1974 wurde die Licht- und Stromversorgungstechnik an den Elektro-Konzern BBC verkauft. So blieb die Luftreinigung von nun an das einzige Geschäftsfeld des Unternehmens. Die einseitige Ausrichtung führte zum Niedergang, als es im deutschen Kraftwerksbereich quasi zu einem Baustopp kam und damit wichtige Abnehmer für Luftfilter ausfielen.
Das Geschäftsjahr 1976 schloss die CEAG mit einem Verlust von 9,6 Millionen DM ab, und 1977 wurden mehr als 120 Mitarbeiter entlassen. Bei einer Betriebsversammlung im November 1979 wurde die Schließung des Werks in Dortmund für das kommende Jahr angekündigt. Nach Aussagen des Betriebsrates verloren so 335 Angestellte und 289 Arbeiter ihren Arbeitsplatz, unter ihnen 54 Schwerbehinderte und 56 Auszubildende, von denen 18 erst im vorangegangenen Herbst ihre Ausbildung begonnen hatten.
Ende Juni 1980, im 74. Geschäftsjahr wurde der Betrieb des CEAG-Werkes in Dortmund eingestellt. Bis Ende des Jahres sollten die Aufräumarbeiten abgeschlossen werden. In Dortmund blieb nur noch ein Büro mit 30 Mitarbeitern an der Alten Straße.
In den sich zunächst selbst überlassenen Räumen und Hallen der CEAG zogen MusikerInnen und KünstlerInnen ein. Sie müssten später weichen. Die Produktionshallen wurden abgerissen und die Libellen-Siedlung (auch CEAG-Siedlung genannt) errichtet. Auch das Verwaltungsgebäude wurde umgebaut – 30 Sozialwohnungen wurden hier geschaffen. Doch das ist eine ganze andere Nordstadt-Geschichte….
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