Es waren – wahrscheinlich – Parteitage für die Geschichtsbücher. Zumindest, was die äußeren Umstände anging. Denn die Corona-Krise brachte die Wahl der OB-Kandidaten und die Ausstellung der Listen für Rat und Bezirksvertretungen gehörig durcheinander. SPD und CDU mussten unter schwierigen Auflagen wegen Corona ihre Parteitage bzw. Vertreterversammlungen abhalten. Die SPD hatte sich daher sogar dazu durchgerungen, den Parteitag im Autokino (!) durchzuführen, weil so am leichtesten Infektionsschutz und Mindestabstände eingehalten werden konnten. Die CDU tagte in der Gesamtschule in Scharnhorst und schickt nun – mit dreimonatiger Verzögerung – auch offiziell Dr. Andreas Hollstein (57) in das Rennen um das Oberbürgermeisteramt.
Hollstein will der erste Nicht-SPD-OB seit 74 Jahren in Dortmund werden
Vor allem vom aussichtsreichen CDU-OB-Bewerber war der Parteitag herbeigesehnt worden. Denn im März musste die feierliche Veranstaltung corona-bedingt abgesagt werden. Daher fehlte dem bisherigen Bürgermeister von Altena eigentlich noch die Legitimation, als Bewerber durch die Lande zu ziehen und in Podiumsdiskussionen als CDU-Kandidat Rede und Antwort zu stehen. ___STEADY_PAYWALL___
Nun stellte er sich – unter umfangreichen Hygiene- und Abstandsvorkehrungen in der Aula der Gesamtschule Scharnhorst – offiziell der Parteibasis vor. Der fernseherfahrene Politiker, „in zweiter Ehe glücklich verheiratet und Vater von vier erwachsenen Kindern“, kam dort ausgesprochen gut an. Nach seiner Vorstellungsrede gab es stehende und lang anhaltende Ovationen. Die CDU wittert Morgenluft und sieht – nicht zuletzt nach den letzten Umfragen – eine Chance.
Hollstein erlaubte sich daher auch einen kleinen geschichtlichen Exkurs und erinnerte an Herbert Scholtissek. Dieser war vom 16. April 1946 bis zum 28. Oktober 1946 Oberbürgermeister der Stadt Dortmund – der letzte mit einem Nicht- SPD-Parteibuch in Dortmund. Seit 74 Jahren stellt die SPD hier den Bürgermeister. Und der Bewerber aus dem Sauerland möchte das nun ändern, nachdem Corona offenbar die Grünen und die Klimapolitik etwas ausgebremst hat.
Gemeinsamer Einsatz gegen Hass und Hetze und zur Gestaltung der Zukunft
Der Kritik – er sei zwar ein erfolgreicher Kreisliga-Trainer, aber Dortmund spiele in der Bundesliga und habe immer Ambitionen auf die Champions-League – konterte er souverän und selbstbewusst: „Klopp kam aus einem Provinzclub, ich aus Altena. Dort habe ich vier Wahlen immer deutlich entscheiden können, zuletzt mit 70 Prozent“, machte der CDU-Bürgermeister deutlich.
Hollstein war während der Flüchtlingsbewegung nach einer Messerattacke gegen seine Person bundesweit bekannt geworden. Er verkörpere das Bild einer solidarischen und toleranten Gesellschaft. Was dann geschah, habe er in einer demokratischen Gesellschaft nie für möglich gehalten, machte er den Delegierten deutlich.
„Hetzern und Zerstörern werde ich unsere Gesellschaft nicht widerstandslos überlassen. Ich möchte unsere Gesellschaft zum Positiven verändern, das treibt mich an“, sagte er unter dem Applaus der CDU-Delegierten. „Ich stehe immer wieder auf. Das verbindet mich mit Dortmund. Dort steht man auch auf, Umbrüche werden gemeistert. Die Stadt hat Charakter, Potenzial, und viele ehrlichen Menschen. Mit ihnen will ich gemeinsam anpacken. Daher bitte ich sie um ihr Vertrauen“, so Hollstein.
98,5 Prozent Zustimmung und stehende Ovationen für den Kandidaten aus Altena
Dieses Vertrauen und viele Vorschusslorbeeren gab ihm die Dortmunder CDU – 126 Delegierte stimmten mit ja, nur zwei mit nein. Das sind 98,5 Prozent Zustimmung. Dabei hatte der bürgernahe Politiker zuvor deutlich gemacht, dass er in allen politischen Lagern um Unterstützung werben will – zumindest in den demokratischen Lagern.
„Sie kennen meine Brandwand nach rechts und links außen“, so der 57-Jährige. Dabei versteht der CDU-Mann die Partei „Die Linke“ nicht als „links außen“ – auch mit den Kommunalpolitiker*innen dieser Partei könne man in Dortmund zusammenarbeiten.
Ideologischen Grabenkämpfen, politischen Erbhöfen und der entsprechenden Besetzung von Führungspositionen in städtischen Unternehmen erteilte er eine Absage. „Wir brauchen dort die klügsten Köpfe – unabhängig vom Parteibuch.“
Hollstein will als Generalist und Netzwerker Dortmund nach vorne bringen
Der Bewerber aus Altena machte dabei deutlich, dass er sich als Generalist versteht, der in den meisten Themen unterwegs und erfahren sei. „Ich kenne den gesamten Querschnitt. bringe ein gutes Netzwerk nach Arnsberg, zu Oberbürgermeistern nicht nur in NRW und auch in die Ministerien in Düsseldorf und Berlin mit, so der Jurist.
„Dortmund muss der Ankerpunkt für ganz Westfalen werden und seine bedeutende Rolle im Ruhrgebiet spielen. Dortmund ist für mich das Herz Westfalens. Ich möchte Dortmund zur Mitmachtstadt weiterentwickeln, in denen die Menschen aus allen zwölf Stadtbezirken an der Gestaltung der Zukunft beteiligt sind“, warb Hollstein für seine Agenda.
Dies bedeute, dass man die Bürger*innen nicht erst beteilige, wenn Pläne auf dem Tisch lägen, sondern bevor diese entwickelt würden. Er möchte die Ideen der Menschen vor Ort aufgreifen und in die Planungen möglichst frühzeitig einbeziehen. Dabei hat er alle Altersgruppen im Blick – auch die Intensivierung der Jugendforen und die Schaffung von digitalen Formaten.
„Ich möchte das bürgerschaftliche Engagement noch stärker fördern. Sie sind für mich das Fundament jeder, aber insbesondere der Dortmunder Stadtgesellschaft. Dabei will ich die alten Zentren respektieren und stärken. Wer sich in den Stadtteilen und Bezirken zu Hause fühlt, identifiziert sich auch mit Dortmund. Das sind die besten Botschafter.“
Schwerpunkt auf Wohnungsbau: 2500 Wohneinheiten pro Jahr – 1000 für junge Familien
Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit, ein Beleuchtungskonzept für die Stadtteile, schnellere Bürgerdienste, mehr Engagement gegen das „wilde Parken“ in den Stadtteilen und für eine bessere Baustellensteuerung sind Themen – wenig überraschend für einen CDU-Politiker. Doch auch das Engagement gegen jedweden Extremismus – aber auch entschlossen gegen Rassismus – sei wichtig für eine solidarische Gesellschaft.
Daher misst er den Themen Arbeit und Wohnen extrem hohe Bedeutung zu. Dabei steckt er noch ehrgeizigere Ziele als die SPD. Nicht 2000, sondern 2500 neue Wohneinheiten pro Jahr in jedem Preissegment strebt er an – davon 1000 alleine für junge Familien. Dortmund müsse wieder attraktiver für junge Familien werden. Dazu gehöre aber auch der verstärkte Einsatz für den Bau von Einfamilien- und Reihenhäusern.
Zuletzt hatte die Stadtspitze verstärkt auf Geschosswohnungsbau gesetzt, um mehr Wohnungen zu bekommen, weil der Druck auf dem Wohnungsmarkt deutlich zugenommen hat. Dies sei richtig – aber es brauche mehr Engagement, auch im Bereich des Aufstockens und Nachverdichtens, um dem Bedarf gerecht zu werden. Dort müsse die Verwaltung – insbesondere die Bauverwaltung – schneller werden.
Gegen Arbeitslosigkeit und Steuererhöhungen – Schaffung von „Kümmerer-Strukturen“
Auch das Thema Arbeit und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist für Hollstein ein zentrales Thema. „Die Arbeitslosigkeit war in Dortmund mit zehn Prozent schon vor Corona hoch. Jetzt liegt sie bei 11,7 Prozent. Da müssen wir ran.“ Dazu gehöre die Qualifizierung wie auch der Einsatz für neue und auch alte Arbeitsplätze. „Wir brauchen eine Energie, die von der Verwaltung und der Politik ausgeht. Unternehmen brauchen Flächen und Kümmerer-Strukturen in der Verwaltung.“
Ziel müsse es sein, Steuererhöhungen ausschließen. „Dafür werde ich kämpfen. Die kommunale Familie ist froh, was in der Großen Koalition erreicht wurde“, sagte Hollstein mit Blick auf den angekündigten teilweisen Ausgleich der Gewerbesteuerausfälle wie auch die höhere Beteiligung der Bundes bei den Kosten der Unterkunft, die insbesondere in Dortmund sehr hoch sind.
„Das entlastet uns fortlaufend. Keine große Partei im Bund wird dieses Rad zurückdrehen“, glaubt der CDU-Politiker, der allerdings kein Wort zum Thema Altschulden verlor – hier hatte die CDU/FDP-Landesregierung auf der Bremse gestanden und war auf das Angebot des SPD-Bundesfinanzministers, der einen kommunalen Rettungsschirm für Altschulden angeboten hatte, nicht eingegangen. Dies wird von den Ruhrgebietsstädten seit Jahren gefordert.
Der CDU-Bewerber möchte die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg
Der neue Mann aus Altena, der im Fall seiner Wahl mit seiner Frau nach Dortmund ziehen will, will seine politische Zusammenarbeit breit anlegen. „Keine Partei wird an die 50 Prozent kommen. Ich glaube, da geht was in Dortmund, breit über alle Lager Mehrheiten zu organisieren. Das ist Aufgabe des Chefs in der Verwaltung – eine Kärrneraufgabe.“
Der Mensch an der Spitze müsse ein leistungsfähiges Gesundheitswesen, Schulen und Hochschulen, Nahverkehr, Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Digitales und Mobilität organisieren – das sei der Schlüssel für die Zukunft. „Was sie brauchen, ist Realitätssinn, Mut zur Lösung und zu Innovationen.“
„Die Dortmunderinnen machen ihr Kreuz und wir schaffen eine gute Zukunft. Wir nehmen dann das Umland mit, stärker als bisher, und spielen da eine Schlüsselrolle. Wir wollen Dortmund gemeinsam anpacken. Ich sehe Dortmund auf Augenhöhe mit Leipzig. Amsterdam, Hannover, Lyon oder Rotterdam“, so Hollstein ganz im Stile des bisherigen Amtsinhabers Ullrich Sierau, der auch immer große Vergleiche mit anderen europäischen Metropolen sucht.
Ratsmannschaft aufgestellt – Dr. Jendrick Suck führt die Ratsliste an
Doch dafür braucht er Mehrheiten und eine Mannschaft. Mit wem Hollstein in die Kommunalwahl zieht, ist mittlerweile ebenfalls klar. Denn auch die Kandidat*innen für Rat, Bezirksvertretungen und die anderen Gremien wurden nominiert.
Die Ratsliste führen Dr. Jendrick Suck, Ulrich Monegel, Justine Grollmann, Sascha Mader, Uwe Waßmann, Ute Mais, Thorsten Hoffmann, Uwe Wallrabe, Michael Uhlig, Reinhard Frank, Manfred Sauer und Dr. Eva-Maria Goll an. Der bisherige Fraktionschef Monegel rückt dabei ein Stück weit ins zweite Glied und überlässt seinem Stellvertreter die Spitzenposition. Aber auch Manfred Sauer möchte es noch mal wissen und erneut Bürgermeister werden.
Die Delegierten wählten auch die in die Vertreterversammlungen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und des Regionalverband Ruhr (RVR). Uwe Waßmann und Reinhard Frank sollen für die Dortmunder CDU im RVR antreten, Claudia Middendorf und Jendrik Suck im LWL.
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Reaktionen
Tim Asbrock
Mega Typ ! Dortmund braucht Dr. Andreas Hollstein ! Dortmund ist eine Stadt, die von kutureller Vielfalt und Zuwandung geprägt ist. Kein anderer Kandiat hat sich so für den Islam in Deutschland starkgemacht wie Dr. Hollstein. Er setzt sich für die Gleichheit der Religionen ein und das finde ich Spitze, denn der Islam muss endlich auch mehr gesellschaftliche Aktzeptanz in Dortmund finden.