Ein Gastbeitrag von Rainer Roeser
Vor der konstituierenden Sitzung der AfD-Fraktion geht’s zum Gruppenbild auf eine Treppe im Bundestag. Ganz vorne haben sich – freundlich dreinblickend – die Wichtigen aufgebaut, wie der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland und das Spitzenduo Alice Weidel/Tino Chrupalla, dazu einige, die sich zumindest wichtig fühlen. Ganz hinten in der letzten Reihe steht mit todernstem Blick einer, der wohl ahnt, dass es an diesem Tag für ihn nichts mehr zu lachen geben wird. Stunden später wird der Dortmunder MdB Matthias Helferich den Reichstag allein verlassen. Seine Parteifreunde beraten ohne ihn weiter.
Über den Gast-Status wurde noch nicht entschieden
Es kommt nicht oft vor, dass einem Parlamentsneuling gleich ein eigener Tagesordnungspunkt gewidmet wird. Diesmal ist es so. Ein anonymer E-Mail-Verfasser hat die Abgeordneten der Partei noch einmal daran erinnert, mit wem sie künftig in einer Fraktion zusammensitzen, wenn sie nicht aufpassen. ___STEADY_PAYWALL___
Der unbekannte Autor erinnert an das Foto Helferichs und an dessen Notiz darunter: „das freundliche gesicht des ns“. Und auch Helferichs Formulierung, er wolle bei einem Kongress den „demokratischen Freisler“ geben, wird ihnen noch einmal ins Gedächtnis gerufen.
Die Mail hat die gewünschte Wirkung. Die meisten Abgeordneten lassen Helferich spüren, dass sie ihn nicht in ihren Reihen haben wollen. Die einen mögen partout nicht neben Gesichtern des NS sitzen, egal ob freundlich oder nicht.
Helferich verzichtet von sich aus auf eine Fraktionsmitgliedschaft
Die anderen fürchten die verheerende Außenwirkung, wenn künftig bei jedem Helferich-Auftritt im Bundestag die AfD gefragt würde, warum sie „das freundliche gesicht des ns“ ans Redepult oder vor die Mikros schickt. So oder so: Helferichs Erklärungsversuch, seine inkriminierten Chat-Aussagen seien der Versuch gewesen, linke Aussagen über ihn bloß zu „persiflieren“, verfängt nicht.
Für die einen ist Helferich wegen mangelnder Distanz zum NS untauglich für eine Mitgliedschaft in der Fraktion, für die anderen, weil er wahlweise so ungeschickt, so unbedarft oder so blöde war, seine Äußerungen schwarz auf weiß zu hinterlassen – wo er doch hätte wissen müssen, dass das Internet nicht vergisst.
Am Ende geht Helferich. Von sich aus verzichtet er auf eine Fraktionsmitgliedschaft, kündigt an, einen Antrag stellen zu wollen, als Gast an den Sitzungen der Fraktion teilnehmen zu dürfen. Anderntags beraten die AfD-Abgeordneten über Helferichs Wunsch und beschließen: „Nichtbefassung“.
Der Dortmunder Parlamentsnovize hat Freunde in der Partei
Der Dortmunder Parlamentsnovize hat auch Freunde in der Partei. Vor allem gehört der AfD-Landeschef und Verteidigungspolitiker Rüdiger Lucassen dazu. Doch der dürfte gerade andere Sorgen haben: Bei der Verteilung der elf Spitzenposten in der Fraktion ist sein Landesverband – immerhin der größte in der Republik – gänzlich leer ausgegangen.
Andere äußern sich vernehmbarer: „Selbstverständlich“ müsse Helferich der Fraktion angehören, meint Carlo Clemens, der Bundeschef der „Jungen Alternative“. „Ich werde mich dafür einsetzen, damit Matthias Helferich in die AfD-Fraktion aufgenommen wird“, verspricht der Hürther Neu-Abgeordnete Eugen Schmidt.
Sein Kollege aus dem Rhein-Sieg-Kreis, Roger Beckamp, befindet: „Das ist mehr als bedauerlich, es ist völlig falsch und darf kein dauerhafter Zustand sein. Ich werde alles in meiner Kraft stehende tun, dass Matthias Helferich Mitglied unserer AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag wird.“
Dass gerade Beckamp sich für seinen Kollegen einsetzt, überrascht wenig – verfolgen beide doch eine ganz ähnliche Agenda: für eine weitere Radikalisierung der AfD, bei gleichzeitiger Distanz zu den „Flügel“-Kräften in NRW.
Hoffen aufs Schiedsgericht – Mitgliedschaft in Fraktion könnte noch folgen
Und Helferich selbst? „Ich wünsche mir, dass anonyme Mails und Verleumdungen zukünftig kritischer in unserer Partei bewertet werden. Sonst werden wir zur leichten Beute für das Establishment“, meint er. Der Fraktion wünsche er „von Herzen Erfolg und politische Schlagkraft“. Da ihm deren Gedeihen am Herzen liege, werde er sich nun auf eine Tätigkeit als Einzelabgeordneter einstellen.
Die Hoffnung, am Ende doch mit vollen Rechten in die Runde der über 80 AfD-Parlamentarier aufgenommen zu werden, dürfte er aber noch nicht aufgegeben haben. In ein paar Monaten wird das Landesschiedsgericht über die vom Bundesvorstand gegen Helferich beantragte Ämtersperre entschieden haben.
Geht das Verfahren gut für ihn aus, würde sich die Frage der Fraktionsmitgliedschaft auch ganz neu stellen, hoffen seine Anhänger. Und da sind noch seine härtesten Gegner rund um AfD-Sprecher Jörg Meuthen im Bundesvorstand? Die müssten beim Parteitag im Dezember erst einmal wiedergewählt werden – was keinesfalls sicher oder auch nur wahrscheinlich ist.