Die SERIE „Nordstadt-Geschichte(n)“ führt in die Jahre 1943 bis 1946

Bunker, Wein und Erich Grisar: Der Roman „Caesar 9“ inspirierte zu einer Spurensuche

Firmenfahrzeuge der Weingroßkellereien Carl Hasenbring, um 1930
Firmenfahrzeuge der Weingroßkellereien Carl Hasenbring, um 1930 Sammlung Klaus Winter

Von Klaus Winter

In seinem Roman Cäsar 9, der im Dortmund der Jahre 1943 bis 1946 spielt, verknüpfte Erich Grisar eigene Erlebnisse und solche, die ihm zugetragen worden waren, zu einem lebhaften Bild der damaligen Verhältnisse und Ereignisse. In einem Abschnitt, der unmittelbar vor der Eroberung der Stadt durch US-amerikanische Truppen spielt, schilderte er die Plünderung eines im Hafen-Viertel gelegenen bombengeschädigten gewerblichen Weinkellers durch Dortmunder Bürger:innen.

Kellerei lag nahe einem großen Bunker

Energetisch und brandschutztechnisch saniert - mit baulichem zweiten Rettungsweg - präsentiert sich der Blücherbunker.
Energetisch und brandschutztechnisch saniert – mit baulichem zweiten Rettungsweg – präsentiert sich der Blücherbunker. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die Lage des Weinlagers beschrieb Grisar mit dem Satz: In der Nähe des großen Bunkers […] lag eine Kellerei, deren Existenz in den Jahren der Entsagung vergessen schien. Weder die Firma der Kellerei wird genannt, noch ein Straßenname.

Immerhin geht aus der Beschreibung, dass die Hauptperson zuvor an den Gleisanlagen vorüber [gegangen war], die zu den Lagerhäusern am Hafen gehörten, hervor, dass sich der Ort der Handlung im Hafenquartier befunden haben muss.

Im Hafengebiet gab es mehrere kleinere Bunker

Wo gab es Bunker im Hafenquartier? Zunächst einmal waren einige Hochbunker im engeren Hafenbezirk vorhanden. Einer stand an der Franziusstraße, zwei an der Kanalstraße.

Diese verfügten nur über wenig Raum. Ihre Aufnahme-Kapazität lag zwischen 40 und 80 Personen. Keiner von ihnen konnte als großer Bunker bezeichnet werden.

Der größte Bunker steht an der Blücherstraße

Anders sah es mit dem Hochbunker an der Überwasserstraße 18 aus. Der soll 600 Personen gefasst haben und könnte deshalb derjenige sein, den Erich Grisar erwähnte.

Zwei andere Bunker können aber ebenfalls in Frage kommen, denn sie liegen bzw. lagen noch in Hafennähe: der inzwischen abgerissene Bunker Erwinstraße 51 mit 400 Plätzen und der neuen Zwecken zugeführte Bunker Blücherstraße 27 mit 800 Plätzen.

Lebensmittel lagerten in den Speichergebäuden

Nach der Eröffnung des Hafens 1899 siedelten sich unterschiedliche Unternehmen dort an. Darunter waren auch (Groß-)Handelsunternehmen der Lebensmittelbranche.

Speichergebäude am Stadt- und Schmiedinghafen
Speichergebäude am Stadt- und Schmiedinghafen. Sammlung Klaus Winter

Sie nutzten hier Lagerräume, in denen die per Schiff angelieferten Waren untergebracht wurden, bis sie an Zwischenhändler oder Endabnehmer verkauft wurden. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass darunter auch Wein war.

Bomben trafen das Hafengebiet

Die Lagerhäuser am Hafen besaßen aber keine Weinkeller, wie Grisar ihn schilderte. Die Bomben zerstörten die Betriebsanlagen des Hafens und mehrstöckige Lagerhäuser ohne besondere Kellerräume, sie legten aber keine Keller offen.

Aber wo gab es damals Wein-Kellereien im heutigen Hafenquartier? Dortmund hatte doch einen starken Ruf als Bierstadt erworben!

Es gab mehr als 60 Weinhändler vor dem Ersten Weltkrieg

Ein Blick in den Branchenteil des Dortmunder Adressbuchs von 1915 zeigt, dass es in der Stadt zu Beginn des Ersten Weltkrieges rund 60 Weinhandlungen gab.

Brennender Hafen bei Nacht
Brennender Hafen bei Nacht. Sammlung Klaus Winter

Dazu gehörten auch einige bekannte gastronomische Betriebe, die ihren Gästen offensichtlich nicht nur Wein einschenkten, sondern auch außer Haus verkauften wie das Gildenhaus und das Hotel Römischer Kaiser.

Einige der Weinhandlungen lagen im Dortmunder Norden. Gleich mehrere waren an der Münsterstraße angesiedelt, eine an der Steinstraße, eine an der Leopoldstraße. Und es gab noch weitere.

Fa. Carl Hasenbring wurde 1874 gegründet

Zu den Firmen, die ihren Eintrag im Branchenteil des Adressbuches optisch besser präsentierten gehörten die Likörfabrik, Weinhandlung und Schenkwirtschaft von K. H. Kipper, Heiligegartenstraße 31 und die Firma Carl Hasenbring.

Um 1900 gab es auch eine Restauration Hasenbring in Hafennähe.
Um 1900 gab es auch eine Restauration Hasenbring in Hafennähe. Sammlung Klaus Winter

Letztere hatte ihren Sitz an der Schützenstraße 75-77 und wurde als Weingroßhandlung mit Kellerei geführt. Nach dem Eintrag im Adressbuch bestand die Handlung schon mehr als vierzig Jahre, nämlich seit 1874.

Zahl der Weinhändler fiel in kurzer Zeit dramatisch

Rund 15 Jahre später war die Zahl der Weinhandlungen in Dortmund auf 19 gesunken. Möglicherweise hatte die Weltwirtschaftskrise an dem Rückgang einen Anteil.

Die Firma Carl Hasenbring gab es noch, auch an dem bekannten Standort an der Schützenstraße und zusätzlich im Haus Schillerstraße 48. Der Eintrag der Firma im Adressbuch 1932 ist nur noch im einfachen Standardformat ohne jeglichen Zusatz.

Die Fa. Hasenbring stand 1942 noch im Telefonbuch

Als Weingroßkellerei und Likörfabrik findet man die Fa. Carl Hasenbring auch im Örtlichen Fernsprechverzeichnis für Groß-Dortmund, Ausgabe Oktober 1942. Der Standort Schillerstraße 48 war demnach inzwischen wieder aufgegeben worden. An der Schützenstraße 75/77 scheint der Betrieb aber noch im Gange gewesen zu sein.

Firmeneintrag im Fernsprechverzeichnis 1942
Firmeneintrag im Fernsprechverzeichnis 1942 Sammlung Klaus Winter

Ob das bis zum Kriegsende und darüber hinaus galt? Oder gehörte Hasenbring die Kellerei, von der in Grisars Roman die Rede ist? Durchschlug hier eine Bombe die Kellerdecke und ermöglichte den Plünderern so den Zugang den Weinfässern?

Die Firma hatte nach dem Krieg einen neuen Standort

Das Branchenadressbuch für den Bezirk der Industrie- und Handelskammer Dortmund, Teil 1: Groß-Dortmund, 1947, belegt, dass die Fa. Hasenbring, Weingroßkellereien und den Krieg überstanden hatte. Allerdings befand sich die Handlung nicht mehr an der Schützenstraße, sondern an der Harnackstraße 43. Das könnte bedeuten, dass die Kellerei an der Schützenstraße den Krieg nicht überstanden hat – so wie in Grisars Roman.

Eintrag im Branchenadressbuch 1947
Eintrag im Branchenadressbuch 1947 Sammlung Klaus Winter

Der Hafen und die Gebäude Schützenstraße 75/77 und Blücherstraße 27 liegen recht nah bei einander. Der Weg zwischen der Weinkellerei Hasenbring und dem großen Hochbunker beträgt für Fußgänger nur 500 Meter. Es könnte sich also bei dem geplünderten Weinkeller in Grisars Roman um den der Fa. Carl Hasenbring gehandelt haben.

Ob das tatsächlich der Fall war, ist letztendlich nicht mehr wichtig. Erich Grisars Roman Caesar 9 wird dennoch zur Lektüre empfohlen.

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