Von Sascha Fijneman und Alexander Völkel
„2018 hat gezeigt, dass die Entwicklungen, die in der Nordstadt auf den Weg gebracht wurden durchweg positiv ausfallen. Ich spreche hier aber ausdrücklich von Entwicklungen und nicht von letztendlichen Ergebnissen“, so der 72-jährige SPD-Politiker. Die konzeptionelle Entscheidung für den Umbau des nördlichen Bahnhofsumfeldes ist gefallen und wird im kommenden Jahr weiter verfeinert. Hierbei wird es auch um verkehrstechnische Fragen gehen. In Punkto Sicherheit und Kriminalität wird eventuell doch die geplante Videobeobachtung der Münsterstraße umgesetzt und Polizei und Ordnungsamt halten ihren hohen Kontroll- und Präsenzdruck bei. Der kinderreichste Stadtteil soll außerdem mehr Schulen und Kitas bekommen.
Positive Entwicklung im Hafenquartier; Projekt „nordwärts“ fördert gezielt Potentiale
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Wirtschaftlich ist die Entwicklung des Hafengebietes rund um die Speicherstraße ein großes Zukunftsprojekt für den Stadtteil, dass dazu beitragen kann und soll, das zu Unrecht auf die Nordstadt bezogene Schmuddel-Image einer No-Go-Area zwischen Blau- und Rotlicht zu korrigieren und den Stadtteil sowohl als Wirtschaftsstandort als auch als Wohnquartier zu profilieren.
Ludwig Jörder lebt seit Anfang der 70er Jahre in der Nordstadt und hat sich auch schon in den 70er und 80er Jahren, unter anderem als Ratsmitglied, in der Dortmunder Kommunalpolitik engagiert. „Ich freue mich sehr über die positive Entwicklung des Hafenquartiers, in dessen direkter Nachbarschaft ich lebe. Nachdem die Hoffnung fast gestorben war, kann man nun positiv in die Zukunft blicken. Hier wird ein modernes Wirtschaftsquartier entstehen“, so der promovierte Jurist. Die Stadt habe hier ihre Chance genutzt und die Grundstücke bei Pachtablauf vermarktet.
Jörder lobt die Stadtspitze für ihr Engagement in der Nordstadt
Jörder begrüßt auch die Umsetzung des geplanten Lensing-Mediaports. „Hier liegt schon ein komplettes Nutzungskonzept für ein altes Gebäude vor, was absolut vorteilhaft ist. Außerdem zieht der Mediaport verwandte Gewerbe an.“
In diesem Zusammenhang lobt Jörder die gute Zusammenarbeit der Nordstadt-Akteure mit der Dortmunder Stadtspitze, welche über ein immenses Nordstadt-Wissen verfüge. „So manches mal denke ich, Oberbürgermeister Ullrich Sierau kennt sich in der Nordstadt besser aus als ich selbst“, lacht Jörder. Besonderes Potential sieht er im Dekadenprojekt „nordwärts“.
Verkehrssituation beim Umbau der Nordseite des Bahnhofs noch nicht konkret genug
Ein weiteres Vorhaben, das den Stadtteil wirtschaftlich nach vorne bringen soll und das Erscheinungsbild der Nordstadt entscheidend prägen wird, ist das Konzept für die Umgestaltung des nördlichen Bahnhofsumfeldes.
Bei der letzten Sitzung der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord wurde den Mitgliedern der Entwurf des Frankfurter Planungsbüros „raumwerk“ für den Umbau präsentiert. Während die architektonische Umsetzung voll und ganz überzeugen konnte, wünscht sich die Mehrheit der Bezirksvertretung, dass eine neue Verkehrsführung beim Abfluss des Verkehrs vom Zentralen Omnibusbahnhof erarbeitet wird.
„Für uns ist es seit jeher ein Anliegen, dass der ZOB nicht auf der Nordseite des Bahnhofs platziert wird, denn die Verkehrslage im nördlichen Bahnhofsbereich ist schon immer kritisch,“ erklärt Jörder. Da dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehe, sei eine optimierte Verkehrsführung Richtung Westen umso wichtiger.
Bahnhof als Nadelöhr zwischen Nordstadt und Zentrum: Mehr Durchlässigkeit gewünscht
Die Befürchtung der Bezirksvertretung ist, dass die Brinkhoffstraße weiter nördlich über die Schützenstraße zur Hauptverkehrsader für den abfließenden Busbetrieb Richtung Norden werden könnte. Die Schützenstraße ist jedoch eine Wohn- und Einkaufsstraße.
„Wir würden uns eine Abführung des Busverkehrs über die Westfaliastraße und den Sunderweg wünschen“, so Jörder. Auch unabhängig vom Busbahnhof sei der Vollanschluss der Westfaliastraße an die OWIIIa zur Entlastung der Wohngebiete notwendig.
Außerdem setze man an anderer Stelle zur Entlastung der Nordstadt auf das Projekt „Nordspange“, die geplante Umgehungsstraße, die das Gebiet der Westfalenhütte erschließen soll und durch die eine Ost-West-Verbindung von der L 609 (Emscherallee) im Westen bis zur Brackeler Straße (K17/L 663) im Osten entstehen soll.
Doch am Bahnhof gibt es noch ein weiteres Problem, dass durch die „raumwerk“-Planungen noch nicht final gelöst, sondern bisher nur angedacht wurde: Die Verbindung der Nordstadt mit dem Süden über die Bahngleise hinweg. „Ein grundlegendes Problem der Nordstadt ist die Barrierefunktion der Bahn. Es muss jede Möglichkeit genutzt werden, die Durchlässigkeit zu verbessern“, fordert der Bezirksbürgermeister. Die Bauvorhaben finden in Absprache mit der Deutschen Bahn statt. Bei eigenen Wünschen muss die Stadt Dortmund selbst finanzieren.
Verzerrte Wahrnehmung des Stadtteils durch festgesetzte Mechanismen
„Egal ob Nordmarkt, Hafen oder Borsigplatz. In der überregionalen Berichterstattung und der Außenwahrnehmung wird da nicht differenziert. Die Nordstadt mit ihren über 60 000 EinwohnerInnen wird auf zwei bis drei Straßen reduziert“, ärgert sich der Bezirksbürgermeister. Natürlich gebe es Probleme, aber manche davon auch in anderen Stadtteilen.
So zum Beispiel beim Thema örtlicher Vermüllung. Dabei sei das Engagement der EDG hervorzuheben. Aber man müsse auch feststellen, dass es die BewohnerInnen und BürgerInnen des Quartiers selbst seien, die ihren Abfall nicht korrekt entsorgen würden. Hier müsse mehr Eigenverantwortung übernommen werden. Aber Jörder weiss auch, dass der Stadtteil sein Image nur schwer loswerden wird. Das Image der Nordstadt sei schon immer nicht nur von Fakten sondern vor allem auch von Klischees geprägt worden.
„Da funktionieren leider festgesetzte Mechanismen in der Wahrnehmung“, konstatiert Jörder. Vorurteile und mediale Schwarzmalerei haben ein ganz bestimmtes Bild des Stadtteils beschworen, welches bei manchen Menschen, die den Stadtteil gar nicht kennen, Angst und Abneigung auslöst.
Jörder begrüßt die anstehende Videobeobachtung der Münsterstraße
Und Jörder bleibt auch realistisch, wenn er sagt: „Auch wenn die Kriminalität in der Nordstadt in den letzten Jahren stark abgenommen hat, ist das Problem ja nicht aus der Welt verschwunden. Sie ist ja immer noch da. Wir müssen diesbezüglich kontinuierlich am Ball bleiben.“
Daher spricht sich Jörder beim Thema Sicherheit für die geplante Videoüberwachung der Münsterstraße aus (wir berichteten bereits). Für ihn spielt der von KritikerInnen bemängelte Aspekt der Kriminalitätsverdrängung nur eine untergeordnete Rolle. In der Bezirksvertretung der Innenstadt Nord sei schon seit längerer Zeit die Forderung zur technischen Überwachung mehrheitlich beschlossen worden.
„Die Videoinstallation soll für die klassische Münsterstraßenszenerie gelten und sich nicht auf das gesamte Quartier erstrecken. Egal was unternommen wird, es kommt bei vielen Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung zum Nebeneffekt der Verdrängung“, erläutert Jörder seine Position. So würde verstärkte Polizeipräsenz oder das Absichern der eigenen Haustür ebenfalls dazu führen, dass potentielle Täter sich andere Objekte und Opfer aussuchen würden.
Mehr Personal für die Sicherheitsbehörden gewünscht
Es ginge darum, gewisse etablierte Strukturen durch Störmomente aufzubrechen und zu zerschlagen. Das verstärkte Auftreten von Polizei und Ordnungsamt im Stadtteil sei absolut notwendig, nachvollziehbar und zeige Wirkung. Die Behörden verfügten mittlerweile über detaillierte Milieukenntnisse und es gelte vordringlich, Gesamtzusammenhänge zu erkennen und zu verstehen, um kriminelle Strukturen und Netzwerke zu verfolgen.
„Wir finden es gut, wenn hier tatsächlich eine Strategie der 1000 Nadelstiche verfolgt wird. Um dieses Ziel weiter effizient verfolgen zu können, wünschen wir uns natürlich eine Aufstockung des Personalbestandes bei den Sicherheitsbehörden“, so Jörder. Auch die Justiz sei sensibilisiert und es komme vermehrt zu Verurteilungen, wodurch die polizeiliche Arbeit nicht mehr so oft ihrer Effizienz beraubt würde.
„Für mich ist und bleibt die Nordstadt der spannendste Stadtteil Dortmunds. In den nächsten Jahren werden die jetzt angestoßenen Projekte immer sichtbarer werden. Am längsten wird uns wohl das Thema Hauptbahnhof begleiten. Aber auch auf der Westfalenhütte, im Hoesch-Park, am Hafen und anderenorts wird sich einiges zum Positiven verändern“, blickt Jörder in die Zukunft.
Er legt Wert darauf zu betonen, dass bei allen ambitionierten Vorhaben und Planungen soziale Bedarfe wie Kitas und Schulen berücksichtigt werden müssten.
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