Eine Bezahlkarte, mit der Geflüchtete nur einen bestimmten Betrag im Monat abheben können und nur für Transaktionen im Inland gedacht ist – Der Landtag NRW beschloss im Dezember letzten Jahres die Einführung eines solchen Bezahlsystems. Der Rat der Stadt Dortmund lehnte bislang die Einführung dieser Bezahlkarte ab. Nun stellen die Fraktionen SPD und Grünen einen gemeinsamen Antrag, in dem sie die Stadt Dortmund auffordern, von der soegannten „Opt-Out-Regelung“ Gebrauch zu machen und die bisherige Methode der Zahlungsabwicklung beizubehalten. Die Regelung erlaubt es den Kommunen, selbst zu entscheiden, ob sie die Bezahlkarte für Geflüchtete einführen. Andere Fraktionen fordern jedoch, dass Dortmund die Bezahlkarte einführt. Der Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit hat nun über den Antrag abgestimmt.
Bereits vor der Antragstellung machten die Fraktionen ihren Standpunkt deutlich
Noch bevor die Grünen und die SPD den Antrag eingereicht haben, hatten sich die Parteien in Dortmund klar positioniert. So argumentieren die Grünen von Beginn an, dass die Bezahlkarte keinen tatsächlichen Nutzen bringe und vor allem integrationshemmend wirke. Sie machten schon vor der Antragstellung deutlich, dass die Maßnahme aus ihrer Perspektive nicht nur überflüssig, sondern auch stigmatisierend sei. Auch „Die Linke+“ stellte sich von Beginn an klar gegen das Konzept. Sie kritisierte die Bezahlkarte als Instrument, das in erster Linie dazu diene, Geflüchtete auszugrenzen.
Auf der anderen Seite hatten CDU und FDP/Bürgerliste frühzeitig für die Einführung plädiert. Das Bezahlsystem solle aus ihrer Sicht die Transparenz verbessern. Auch die FDP/Bürgerliste vertrat diese Ansicht und argumentierte, dass keine zwei Klassen von Geflüchteten entstehen dürften:
„Unser Ziel bleibt klar: Die Bezahlkarte muss auch in den kommunalen Unterkünften in Dortmund eingeführt werden. Es darf nicht bei einer Umsetzung in Landeseinrichtungen wie in Oespel bleiben” so Dr. Jendrik Suck, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Dortmund. Da das Land die Landeseinrichtungen verwaltet und nicht die Kommunen, betrifft der Beschluss zur Einführung der Bezahlkarte diese Einrichtungen direkt.
Vermeidung des Geldtransfers ins Ausland und Bezahlung von Schleppern
Des weiteren diene laut CDU und FDP/Bürgerliste die Bezahlkarte dazu, Geldtransfers ins Ausland zu verhindern und die Zahlung an Schlepper einzudämmen. So soll laut FDP-Fraktionsvorsitzender Michael Kauch der Anreiz beendet werden, „ohne Asylgrund nach Deutschland zu kommen, um Geld nach Hause zu schicken”. Auch die CDU betont, dass problematische Geldtransfers so eingeschränkt und gleichzeitig die Transparenz in der Sozialverwaltung erhöht würden.
Die Fraktionen von SPD, SPD und „Die Linke+“ stellen diese Annahmen jedoch infrage. So verweisen die Grünen darauf, dass dem Bundesfinanzministerium keinerlei belastbare Daten zu Überweisungen von Asylsuchenden ins Ausland vorliegen.
„Die Linke+“ ergänzt, dass die hohen Kosten für Schleusernetzwerke – teils mehrere Tausend Euro – durch die geringen monatlichen Sozialleistungen überhaupt nicht gedeckt werden könnten. Laut Angaben der Fraktion koste eine illegale Überführung eines Flüchtlings aus Afghanistan nach Deutschland um die 30.000 Dollar. Schlepper nehmen für eine illegale Überführung von Flüchtlingen aus der Türkei nach Griechenland dabei rund 9000 Euro.
„Für uns steht weiterhin fest, dass die Bezahlkarte ein Problem lösen soll, welches es so nicht gibt. Bis zum heutigen Tag konnten die Leistungsbehörden keine signifikanten Hinweise auf flächendeckenden Missbrauch bei der Verwendung von Leistungen nachweisen, der einen so tiefgreifenden Eingriff in die Rechte der Leistungsberechtigten rechtfertigen würde.“, betont Daniela Worth, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion. „Wir betrachten die Einführung einer Bezahlkarte daher als eine völlig unnötige finanzielle und personelle Mehrbelastung der Verwaltung und lehnen sie auch aus diesem Grunde ab.“
SPD, Grüne und „Linke+“: Schädigung der Integration durch Bezahlkarte
Besonders die Auswirkungen auf die Integrationseffizient spielen für die Fraktionen SPD, Grünen und „Die Linke+“ eine große Rolle. So seien sie der Auffassung, dass die Bezahlkarte die gesellschaftliche teilhabe massiv erschwere. Da in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens weiterhin Bargeld die gängige Zahlungsmethode ist, sehen sie so erhebliche Nachteile für Geflüchtete im Alltag. „Die Bezahlkarte ist integrationsschädlich, verhindert Teilhabe und Integration, ist teuer und erfordert einen hohen Verwaltungsaufwand“ so Katrin Lögering, Fraktionssprecherin der Grünen.
Auch die Linke+ kritisiert, dass die Maßnahme vor allem ein Symbol politischer Stimmungsmache sei. Sie sieht in der Einführung der Karte einen Versuch, Geflüchtete öffentlich als Belastung darzustellen, ohne dass es dafür eine sachliche Grundlage gebe.
„Wir halten das Modell der Bezahlkarte für eine gezielte Maßnahme zur Stigmatisierung und Ausgrenzung“, erklärt Utz Kowalewski, Fraktionsvorsitzender von „Die Linke+“.
Dem entgegen stehen CDU und FDP/Bürgerliste, die diese Bedenken nicht teilen. Sie argumentieren, dass die Bezahlkarte keine Einschränkung, sondern vielmehr eine effizientere Verwaltungsmethode sei. „Die Bezahlkarte ist kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt für eine gerechte, transparente und zukunftsorientierte Flüchtlingspolitik“ so Dr. Jendrik Suck. Integration werde nicht durch Bargeld ermöglicht, sondern durch Sprachkurse, Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe, so die Fraktionen.
Bürokratie: Diskurs der Entlastung oder Hürde?
Während die FDP/Bürgerliste und CDU finden, dass Bezahlkarten die Organisation von Sozialleistungen effizienter und transparenter mache, widersprechen die Grüne und SPD dieser Einschätzung. Die Grünen und die SPD sehen in der Bezahlkarte keinen bürokratischen Fortschritt, eher im Gegenteil: Sie sehen darin eine zusätzliche Belastung für die kommunalen Verwaltungen. Die Einführung der Bezahlkarte werde Doppelstrukturen schaffen, Verwaltungsprozesse verkomplizieren und zeitliche sowie personelle Ressourcen binden, heißt es gemäß der beiden Fraktionen.
„Dass die Einführung der Karte das Land ca. 13 Millionen Euro kosten wird, während in vielen Bereichen im Landeshaushalt Kürzungen vorgenommen wurden, erschließt sich uns nicht – das Geld würde an anderen Stellen mehr gebraucht“, kommentiert Christoph Neumann, Fraktionssprecher der Grünen.
Auch „Die Linke+“ teilt diese Einschätzung und betont, dass das bisherige System mit regulären Bankkonten bisher gut funktioniere. Die Stadt Dortmund habe bislang keine Anzeichen für Probleme mit der bisherigen Leistungsverwaltung gemeldet. Die Einführung der Bezahlkarte sei daher nicht nur unnötig, sondern mit zusätzlichen Kosten und erhöhtem Verwaltungsaufwand verbunden, so die Auffassung von „Die Linke+“.
Positionen zeichnen sich erneut in einer Abstimmung ab
Obwohl die Fraktionen im vergangenen Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit (29. Januar 2025) keinen großen Diskussionsbedarf zeigten, vertraten sie dennoch die gleichen Positionen. So betonte die sozialpolitische Sprecherin von „Die Linke+“ Fatma Karacakurtoglu nochmal mit Nachdruck: „Im Grunde genommen wird hier niemandem geholfen – stattdessen werden Vorurteile von Leuten verstärkt, die keine Ahnung davon haben, wie die Lebensrealität von Geflüchteten aussieht“
„Letztlich dient das nur dazu, Feindbilder zu schaffen und Vorurteile zu schüren. In der Tat bringt das niemandem etwas, und genau deshalb stimmen wir dem Antrag zu, entgegnet Karacakurtoglu.
Susanne Bartholomé, Ratsmitglied der Fraktion FDP/Bürgerliste widersprach dem: „Wir sehen keine Benachteiligung für Geflüchtete und auch keine Diskriminierung. Wer soll erkennen, ob jemand mit einer regulären EC-Karte oder einer Bezahlkarte zahlt? Falls es hierbei um eine besondere Kennzeichnung gehen sollte, ist diese nicht erkennbar – und genau das haben wir deutlich gemacht.“
Gegen den Antrag der SPD und Grünen stimmten letztlich die FDP/Bürgerliste, AfD und CDU, während die antragstellenden Fraktionen sowie die Linke+ dafür stimmten. Ob der Antrag schlussendlich durchgesetzt wird, ist noch abzuwarten. Das letzte Wort hat der Stadtrat am 13. Februar.
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