Hinter dem Werkstor der Kokerei Hansa geht es derzeit äußerst geschäftig zu. Rohbauarbeiter*innen, Dachdecker*innen, Stahlbauer*innen und Handwerker*innen verschiedenster Gewerke arbeiten emsig auf dem Denkmalgelände: Denn mehrere Gebäudekomplexe der historischen Großkokerei werden momentan gleichzeitig und im großen Stil aufwändig und denkmalgerecht saniert. Die Kokerei gleicht einer eingepackten Stadt. Die Eigentümerin der Kokerei, die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, steckt bereits mitten in den Vorbereitungen für die Internationale Gartenausstellung (IGA) Metropole Ruhr 2027.
Teilsanierte Gebäudekomplexe können nun weiterentwickelt werden
Der Sortenturm, die Sieberei und die Salzfabrik mit Abtreiberbühne sind mit Planen eingerüstet. Auch die Sanierung der Ofendecken der Koksofenbatterien 0 und I und der ehemaligen Kohlenbandbrücke stehen an. ___STEADY_PAYWALL___
„Wir haben unsere gesamten Planungen ausdrücklich auf die Zeitachse bis zur IGA ausgerichtet“, sagt Ursula Mehrfeld, Geschäftsführerin der Stiftung. Die Stiftung begreife die IGA mit ihrem Augenmerk auf die Industriekultur des Ruhrgebiets als große Chance.
„Wir haben die Möglichkeit, bis heute nur teilsanierte Bauten und Anlagen zusammen mit unseren Kooperationspartnern – vorne weg die Stadt Dortmund – weiterzuentwickeln und so eine wirtschaftliche und nachhaltige Grundlage für den künftigen Betrieb der Kokerei Hansa zu schaffen.“
Das IGA-Projekt „Zukunftsgarten Emscher Nordwärts“, in das die Kokerei Hansa integriert ist, biete langfristig die Aussicht, über das Ausstellungsjahr hinaus das Denkmal als „Vitales Areal“ für Green Economy, Tourismus, Kultur und Freizeit aufzuwerten und auch in das Quartier Huckarde und darüber hinaus weiter zu öffnen.
Viel Handarbeit für einen Koloss – Der Sortenturm wird umfangreich saniert
Der Sortenturm der Kokerei Hansa prägt markant die Silhouette des Industriedenkmals. Wenn man sich ihm über die Schwarze Seite nähert, scheint er jedoch kleiner als er wirklich ist. Tatsächlich aber stellt er auf dem Kokereigelände mit seinen fast 40 Metern Höhe, 75 Metern Länge und 15 Metern Tiefe das vom Volumen her größte Gebäude im Kreis des Ensembles dar.
Komplett eingerüstet und teilweise mit einer Plane versehen, wirkt er momentan geradezu gewaltig in seinen Ausmaßen. Ein echter Koloss. „Der Sortenturm samt Becherwerk ist zusammen mit der Bandbrücke und dem Kohlenturm ein kokereitypisches Denkmalensemble. Durch den Erhalt dieser Bauten als Bestandteile des Besucher-Erlebnispfades `Natur und Technik` wird der Produktionsweg von Kohle zu Koks nachvollziehbar und verständlich“, betont Geschäftsführerin Ursula Mehrfeld.
Gleich von mehreren Aussichtpunkten ergeben sich aufschlussreiche Perspektiven auf die ehemalige Großkokerei, die 1927/28 errichtet, zu einer der größten im Ruhrgebiet zählte. Ursula Mehrfeld freut sich sehr, dass die Sanierungsmaßnahme durch Mittel der Städtebauförderung des Bundes und des Landes NRW ermöglicht wurde und ist überzeugt davon, dass das Geld gut verwendet ist. „Den Besuchern der IGA aus der nahen Umgebung und aus aller Welt bieten wir hier ein unvergleichliches Erlebnis.“
Instandsetzung entpuppte sich aufwendiger als zunächst vermutet
Insgesamt 7200 Quadratmeter Sanierungsfläche und 6500 Quadratmeter Gerüstfläche: Die Baustelle am Sortenturm, die bereits seit drei Jahren läuft, ist nicht zu übersehen.
Dabei waren der Stiftung und dem beauftragten Architekturbüro Zetcon Ingenieure aus Bochum zu Beginn nicht klar, dass die Maßnahmen wesentlich komplexer ausfallen würden als geplant, berichtet Kim Troldner, der als Architekt der Stiftung das Projekt für die Bauherrenseite leitet.
Waren die Expert*innen zunächst von einer Schädigung von 25 bis 75 Prozent ausgegangen, zeigte sich nun während der Baumaßnahme eine höhere Schädigung, nämlich von 50 bis 75 Prozent. Dabei lässt sich die Fassade in zwei grobe Bereiche aufteilen. Das untere Drittel ist allseitig mit einem Betonsockel versehen, in dem großflächige, liegende Fenster und Toranlagen eingelassen sind. Die zwei oberen Drittel der Außenwandfläche sind mit einem Ziegelmauerwerk verblendet.
Der Architekt der Zentralkokerei Hansa, Hellmuth von Stegmann und Stein, hatte die Anlage von Beginn an so konzipiert, dass Erweiterungen zu späteren Zeiten möglich waren.
Vor allem bis in die 1930er Jahre wuchs die Kokerei und auch der Sortenturm wurde erweitert. Merkmale des Ausbaus: Unter anderem variiert die Güte des Betons genauso wie die Färbung der Klinker.
In der Vergangenheit wurde zudem unterschiedlicher Fugenmörtel verwendet, mancher stammte sogar noch aus der Entstehungszeit, ist gut 90 Jahre alt. Porös und rissig hatte er Feuchtigkeit aufgenommen, die wiederum in den darunter befindlichen Beton eindrang und die stählernen Bewehrungen rosten ließ. Ausbeulungen und Abplatzungen waren die Folge. Auch die im Betontragwerk liegende Bewehrung musste saniert und teilweise erneuert werden.
Zeitintensive Handarbeit, die viel Augenmaß erfordert
Aufgrund der großflächigen Schädigung des Betons hinter dem Außenputz wurde in Abstimmung mit der Denkmalbehörde entschieden, die Betonsanierung mittels Spritzbeton durchzuführen. Im großen Maßstab klopften die Arbeiter den Putz komplett vom Betonsockel, dann mussten die freigelegten Bewehrungseisen von Rost befreit und mit Korrosionsschutz behandelt werden. In einem weiteren Schritt wurde der Spritzbeton fast auf dem gesamten Sockel aufgebracht und, bevor er ganz abgebunden war, mit Brettern per Hand abgerieben.
So wurde durch die Körnung des Betons der Eindruck des ursprünglichen Putzes nachempfunden. Im Bereich des Ziegelmauerwerks arbeiteten sich die Handwerker Fuge für Fuge zunächst mit maschinell betriebenen Fräsen Stück für Stück über die immens große Fläche.
„Das ist eine sehr anstrengende und zeitintensive Handarbeit“, weiß Kim Troldner. „Und es ist jede Menge Augenmaß dafür nötig.“ Neue Steine, die extra für die Kokerei Hansa gebrannt werden, mussten zudem so gemischt werden, dass sie sich gut in die Fassade einfügen.
Bis auf wenige Wochen, die zu tiefe Nachttemperaturen zeigten, um mit Spritzbeton zu arbeiten, waren die Männer über Monate mit der Außenfassade des Sortenturms beschäftigt. Wenn sie Betonsockel und Mauerwerk saniert haben, waren sie zwei Jahre lang damit beschäftigt.
„Der Sortenturm ist auch für uns eine interessante Aufgabe“, bestätigt Sevin Gök, Architektin und stellvertretende Projektleiterin bei der Firma Zetcon Ingenieure. Sie bezeichnet den Turm als derzeitiges „Lieblingsprojekt“. „Hier konnten wir zum Beispiel erkennen, wie unterschiedlich in der Vergangenheit gebaut wurde. Denn wir stießen auf vier verschiedene Bauabschnitte aus unterschiedlichen Zeiten und ihren Baumaterialien.“
Sortenturm ist derzeitiges Lieblingsprojekt für die Projektleiterin
Aber nicht nur die Außenfassade wird saniert, auch im Inneren des Turms bereitet der Beton Sorgen: Die Überdeckung ist großflächig gelockert oder schon abgesprengt. An zahlreichen Stellen zeigt sich korrodierter Stahl. Auch hier wird Spritzbeton zum Einsatz kommen, nachdem der Bewehrungsstahl fachmännisch behandelt wurde.
Und auch der Becherwerkaufzug muss noch in Angriff genommen werden. Der Aufzug, der außerhalb der Fassade am Sortenturm verankert ist und die gemischte und gemahlene Kohle vom unteren Bereich des Gebäudes über die horizontale Becherwerksbrücke zum Kohlenturm transportierte, ist eine wichtige Station für die Besucher*innen, um den Produktionsablauf der Kokerei zu verstehen.
Im Zuge der Sanierung befreiten Arbeiter*innen ihn aus seiner Faserzementplatten-Verkleidung. Nun gut sichtbar wird deutlich: Sein Tragwerk muss ertüchtigt werden. Auch hier haben die Jahre ihre Spuren hinterlassen. Nietenköpfe fehlen, der Stahl ist rostbraun und Träger sind durch Korrosion teilweise in ihren Querschnitten geschwächt. Geplant ist, dass der Becherwerkaufzug künftig – zumindest partiell – für die Besucher*innen sichtbar bleiben soll.
Paul Georgi, Leiter der technischen Denkmalpflege der Stiftung, zeigt sich mit dem Verlauf der Sanierungsarbeiten zufrieden: „Ende dieses Jahres werden wir aller Voraussicht nach mit der Dach- und Fachsanierung fertig sein.“ Die Stiftung liegt damit gut in ihrem Zeitplan.
Weitere Informationen:
Was ist ein Sortenturm?
Sortenturm, Kohlenturm, Schrägband- und Becherwerksbrücke bilden auf dem Industriegelände der Kokerei Hansa zusammen mit den Koksofenbatterien und der Sieberei eine funktionale wie bauliche Einheit. In den Sortenturm, der Ende der 1920er Jahre entstand, wurde die für die Koksgewinnung benötigte Kohle über eine Schrägbandbrücke angeliefert.
Aus den unterschiedlichen Lagerstätten der benachbarten Zechen Hansa, Westhausen, Adolf von Hansemann und Gustav kommend wurde sie wegen der unterschiedlichen Qualitäten zunächst getrennt gebunkert. Zwanzig Bunker waren im Sortenturm dafür vorgesehen. Da der Verkokungsprozess eine gleichbleibende Qualität an Kohle voraussetzte, wurde die Kohle unterschiedlicher Herkunft in einem speziellen Verhältnis gemischt und gemahlen und dann als sogenannte Einsatzkohle zum Kohlenturm und weiter zu den Koksöfen transportiert.
Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur
Die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur wurde 1995 vom Land Nordrhein-Westfalen und der RAG Aktiengesellschaft gegründet, um hochrangige Zeugnisse des Industriezeitalters vor dem Abriss zu bewahren. Die Aufgaben der Stiftung bestehen darin, die ihr übertragenen Denkmale zu schützen und zu erhalten, wissenschaftlich zu erforschen, öffentlich zugänglich zu machen und sie einer neuen, denkmalgerechten Nutzung zuzuführen.
Bundesweit ist es die erste und bisher einzige Stiftung, die sich explizit für den Erhalt von bedeutenden Industriedenkmalen einsetzt. Die Stiftung gibt den Anlagen Zeit, sich zu neuen, identitätsstiftenden Orten für Handel, Gewerbe, Freizeit, Kunst und Kultur zu entwickeln. Sie führt Bausicherungs- und Instandsetzungsarbeiten an den Gebäuden durch, entwickelt Nutzungskonzepte für einzelne Baukörper oder die gesamte Anlage und trägt durch Öffentlichkeitsarbeit dazu bei, die Akzeptanz für Belange der Industriedenkmalpflege zu erhöhen.
Mittlerweile zählen Industriedenkmale an 14 Standorten in NRW zum Bestand. Es sind Relikte von Anlagen des Steinkohlenbergbaus, wie z.B. Fördergerüste, Schachthallen und Maschinenhäuser, des Weiteren die Kokerei Hansa in Dortmund als Beleg der Verbundwirtschaft im Ruhrgebiet, ein Denkmal der Energiewirtschaft in Gestalt des historischen Pumpspeicherkraftwerks Koepchenwerk in Herdecke und das Hammerwerk Ahe-Hammer in Herscheid als technikgeschichtliches Zeugnis.