Neonazi-Berufungsverfahren am Landgericht Dortmund endet mit einem Freispruch und 20 Monaten Haft

Matthias Drewer (l.) wurde wegen Körperverletzung, versuchter Nötigung und Beleidigung verurteilt. Sascha Krolzig (r.) konnten die Tatvorwürfe nicht nachgewiesen werden. In der Mitte Drewers Verteidiger André Picker. Fotos: David Peters

In einem Berufungsverfahren am Landgericht Dortmund ist der Co-Bundesvorsitzende der Neonazi Splitterpartei „Die Rechte“, Sascha Krolzig, erneut vom Vorwurf der Beihilfe zur versuchten Nötigung und Körperverletzung freigesprochen worden. Auch ausgesprochene Beleidigungen konnten ihm nicht direkt zugeordnet werden. Sein Parteikamerad, der in Dortmund stadtbekannte Rechtsextremist Matthias Drewer, bekam für gefährliche Körperverletzung, versuchte Nötigung und Beleidigung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Damit liegt die Strafe vier Monate unter dem ursprünglichen Urteil des Amtsgerichts Dortmund.

Freispruch für Sascha Krolzig, ein Jahr und acht Monate für Matthias Drewer

Die Staatsanwaltschaft hatte für Drewer insgesamt zwei Jahre und vier Monate gefordert, für Krolzig neun Monate. Sie hatte in erster Linie wegen des Freispruchs Krolzigs vom Dezember 2019, Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt. Auch die Verteidigung Drewers hatte gegen das Urteil zunächst unbenannte Rechtsmittel angemeldet. Durch die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde hieraus auch automatisch ein Berufungsantrag.

Trotz des Freispruchs befindet sich Krolzig derzeit in Haft. Weitere Urteile gegen ihn sind noch nicht rechtskräftig.

Drewer und Krolzig waren wegen eines Vorfalls vom Abend des 12.Oktober 2019 auf dem Dorstfelder Hellweg angeklagt, zwei Passanten bedrängt und verfolgt zu haben. Zunächst seien die Streitparteien an einem Kiosk aneinander geraten. Krolzig und Drewer stießen hier auf zwei ihnen bekannte Personen, die sie dem linken Spektrum zuordneten. ___STEADY_PAYWALL___

Sie sollen Sätze wie „Wisst Ihr eigentlich, wo ihr seid?“, „Ist nicht Euer Stadtteil, verpisst Euch.“ geäußert haben. Als die Geschädigten den Kiosk verließen, um der Situation zu entkommen, hätten die beiden sie verfolgt und sie weiter mit Drohungen und Beleidigungen überzogen. Von Drewer seien unter anderem Drohungen wie „…oder soll ich Dir den Kopf aufschlitzen/den Kopf abschneiden“ gefallen sein.

An einem Hauseingang, in den sich die zwei Personen zurückgezogen hatten, eskalierte die Situation dann, als einer der Zeugen einen vorbeifahrenden Streifenwagen auf die Situation aufmerksam machen wollte. Er fuhr die Neonazis laut an und hob den Arm, um zu winken. Laut Verteidigung Drewers habe dieser sich durch die plötzliche Bewegung und die Lautstärke des Zeugen angegriffen und bedroht gefühlt. Im nächsten Moment verpasste er dem Zeugen eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht.

Beide Angeklagte sind mehrfach einschlägig vorbestraft und haben gegen Bewährungsauflagen verstoßen

Matthias Drewer (l.) wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.

In ihrem Plädoyer sprach Staatsanwältin Röttger davon, dass die Neonazis die Zeugen aus „ihrem Kiosk“ und aus „ihrem Stadtteil“ hätten vertreiben wollen. Als die Zeugen sich der Situation hätten entziehen wollen und quasi fluchtartig den Kiosk verlassen hätten, hätten die Angeklagten sie vor sich her getrieben.

Aufgrund der von ihr so bezeichneten körperlichen Unterlegenheit Drewers im Gegensatz zu einem der Zeugen, warf sie Krolzig eine moralische Beihilfe und Unterstützung Drewers vor. 

Krolzig habe Drewer die Sicherheit gegeben, aktiv zu werden, alleine hätte der derzeit in Untersuchungshaft in der JVA Dortmund einsitzende Drewer sich womöglich gar nicht getraut, die Geschädigten anzugehen. Krolzig und Drewer hätten eine Drohkulisse aufgebaut und Angst und Schrecken erzeugt. Die Drohungen und Beleidigungen seien von beiden Neonazis getragen worden.

Die von der Verteidigung konstruierte Notwehrbehauptung sei weder objektiv noch subjektiv nachzuvollziehen. Sie begründete ihre Forderung der Haftstrafen auch mit der Tatsache, dass beide Angeklagten teils einschlägig vorbestraft sind und wiederholt gegen Bewährungsauflagen verstoßen hatten. Krolzig selbst merkte an dieser Stelle an, dass er zum Zeitpunkt der Tatvorwürfe im Oktober 2019 nicht unter Bewährung gestanden habe.

Krolzigs Rolle beim Tathergang konnte nicht klar rekonstruiert werden

Auch sonst würde nicht viel für die beiden Rechtsextremisten sprechen. Beide sitzen derzeit ein. Drewer in Untersuchungshaft und Krolzig aufgrund einer Verurteilung in einem anderen Fall. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Landwehr begründete den Freispruch Krolzigs damit, dass ihm keine konkreten Bedrohungs- und Beleidigungsäußerungen zugewiesen werden konnten.

Hierfür seien die Aussagen der beiden Zeugen zu vage gewesen. Außerdem habe auf dem Weg vom Kiosk zu erwähntem Hauseingang ein Personenwechsel stattgefunden. Anscheinend wurde Krolzig durch eine andere Person ersetzt. Klarheit hierüber lieferten die Zeugenaussagen nicht. Somit sei Krolzig auch bei der Körperverletzung mit dem Pfefferspray im Hauseingang aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht vor Ort gewesen, und somit von den Tatvorwürfen freizusprechen.

Auch Landwehr machte klar, dass die Notwehrstrategie der Verteidigung das Gericht nicht überzeugt habe. Auch wenn Drewer angab an besagtem Abend Alkohol konsumiert zu haben und dadurch enthemmt gewesen zu sein, könne man nicht von verminderter Schuldfähigkeit ausgehen. Zu seinen Gunsten führte sie an, dass das Opfer glücklicherweise nicht ernsthaft verletzt wurde, die Verletzungen letztlich für das Opfer folgenlos blieben. In zweiter Instanz hatte er den Angriff mit dem Pfefferspray auch eingeräumt, allerdings mit dem Zusatz, dass er in Notwehr gehandelt habe.

Krolzig sitzt derzeit wegen eines anderen Urteils ein – weitere sind noch nicht rechtskräftig

Die Vorstrafen und Bewährungsverstöße würden jedoch schwer wiegen. Das Gericht hielt in diesem Fall eine Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten für angemessen. Es schlüsselte die Strafe auf und verhängte vier Monate für versuchte Nötigung und 16 Monate für die Körperverletzung. Hinzu kommt im Fall Drewer eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen a zwei Euro, da er sich derzeit in Untersuchungshaft befindet und kein Einkommen bezieht, wegen Beleidigung in einem anderen Fall. Die Untersuchungshaft bleibt aufrecht erhalten, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Er trägt die Kosten des Verfahrens anteilig während die Kosten im Fall Krolzig von der Staatskasse getragen werden.

Auch wenn Krolzig in diesem Fall freigesprochen wurde, sitzt er derzeit eine sechsmonatige Haftstrafe wegen Volksverhetzung und Beleidigung ab. Ein weiteres Urteil von 14 Monaten Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung ist noch nicht rechtskräftig.

 

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