Gellende Schreie hallten in der Nacht von Freitag auf Samstag (20. Mai 2023) durch die Dortmunder Brückstraße. Eine Gruppe junger Männer griff dort mehrere Personen willkürlich tätlich an. Die Täter werden der organisierten rechtsextremen Szene zugeordnet. Staatsschutz und Polizei ermitteln nun wegen gefährlicher Körperverletzung und der Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen. Von mehreren Angreifern wurden die Personalien festgestellt.
Den Hitlergrüßen vor der „Hirsch-Q“ folgten Körperverletzungen
Gegen kurz vor drei Uhr nachts passierte die Gruppe junger Männer, allesamt dunkel gekleidet, den Bereich der linken Szenekneipe „Hirsch-Q“ auf der Dortmunder Brückstraße. Dort zeigten sie den Hitlergruß, bedrohten einzelne – vermeintlich linke – Personen, die sich im Außenbereich der Kneipe aufhielten und zerstörten Gläser.
Anschließend zog die Gruppe Männer weiter und traf erstmals im Bereich der Brückstraße Ecke Ludwigstraße auf eine hilflose Person, die sie gleich zu Boden schubsten. Die Person blieb am Boden liegen und die Neonazis zogen weiter.
Als sich die Gewalttäter dem Platz von Leeds näherten, fanden sie an der Brückstraße Ecke Hohe Luft ihr nächstes Opfer: eine wohnungslose Frau. Sie schmissen die Frau nach einer vorangegangenen verbalen Auseinandersetzung gegen ein Schaufenster und traten auf sie ein. Die wohnungslose Frau schrie während des gesamten Angriffs gellend auf vor Schmerzen.
Die sozialdarwinistischen Einstellungen der Täter endeten in willkürlicher Gewalt
Immer mehr Personen im Bereich der Brückstraße wurden durch die Schreie der Frau auf die Situation aufmerksam. Einzelpersonen, die versuchten, den Tätern etwas entgegenzusetzen, wurden aggressiv angepöbelt. Die Nazis wichen jedoch immer mehr zurück und schlenderten langsam in Richtung des neuen „Rewe Basecamps“. Dabei drehten sie sich jedoch immer wieder um und schrien in Richtung der Passant:innen und des Opfers. „Das war doch eh nur ein scheiß Junkie“, rief einer der Täter, bevor die Gruppe in Richtung des „Peek & Cloppenburg“ flüchteten.
Nachdem die Polizei eintraf, Zeug:innen vernahm und wieder fuhr, versammelten sich die Täter erneut am Platz von Leeds. Diesmal jedoch am östlichen Teil des Platzes und gemeinsam mit einer zehn- bis fünfzehnköpfigen Gruppe. Als ein wohnungsloser Mann nichtsahnend an der Gruppe vorbeiging, pöbelten ihn Personen aus der Gruppe an. Anschließend schubsten sie ihn, der wehrlose Wohnungslose fiel zu Boden. Aus der Gruppe heraus wurden zudem mehrfach Parolen wie „white power“ und „Heil Hitler!“ skandiert.
Die rechtsextremen Täter sind keine Unbekannten. Zuletzt traten Teile der Tätergruppe am 1. Mai 2023 in der Dortmunder Öffentlichkeit auf. Dabei waren sie Teil der „Kundgebungstour durch’s Ruhrgebiet“, organisiert durch die Dorstfelder rechtsextreme Szene. Bei einem der Täter handelt es sich zudem um einen bereits mehrfach verurteilten Gewalttäter aus der rechtsextremen Szene. Die Dortmunder Polizei und der polizeiliche Staatsschutz ermitteln nun wegen gefährlicher Körperverletzung und der Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen.
Die aktuellen Vorfälle werfen erneut Fragen an die Polizei auf
Die Vorfälle werfen erneut mehrere Fragen auf: Zum einen, warum die Polizei – so der Eindruck der Augenzeug:innen – erst nach Hilferufen von Zeug:innen kamen, obwohl sich alle Vorfälle im Bereich der Videobeobachtung der Brückstraße ereignet haben. Im Polizeipräsidium sitzen Einsatzkräfte vor Bildschirmen und verfolgen via Kamera live das Geschehen in der Brückstraße, um zeitnah und teils präventiv einzugreifen, bevor Straftaten stattfinden bzw. diese weiter eskalieren.
Nach erster Rückmeldung der Polizei fand mindestens einer der Vorfälle außerhalb des überwachten Bereichs statt. Daraus ergeben sich mehrere Fragen: Entweder ist die Videobeobachtung so lückenhaft, dass die sie ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen. Mit Blick auf die Neonazis stellt sich die Frage, ob es ihnen egal ist, ob sie gefilmt werden. Oder die Neonazis wissen sehr genau, wo die „blinden Flecken“ der Polizei sind. Nordstadtblogger hat einen Fragenkatalog an die Polizei geschickt. Eine Beantwortung ist für die kommende Woche angekündigt worden.
Außerdem stellen sich erneut prägende Fragen zur Gefährlichkeit der Neonazi-Szene und damit verbundener Parallelstrukturen in der Kampfsportszene und dem kriminellen Milieu. Zudem wird der Raumkampf im Bereich der City, des Unionviertels und im Westpark immer offensichtlicher geführt.
Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:
Dortmunder Neonazis: Zwischen YouTube-Interviews und illegalen Untergrund-Fights
„BackUp NRW“ und die „Opferberatungsstelle Rheinland“ stellen die Jahresbilanz 2022 vor
Polizeipräsident Lange zu Rechtsextremismus: „Wachsamkeit bleibt weiterhin das oberste Gebot“
Bekannte Neonazis griffen wohnungslose Menschen im Bereich der Brückstraße tätlich an
Reaktionen
Gefährliche Körperverletzung in der Innenstadt – Polizei leitet mehrere Strafverfahren ein – ein Tatverdächtigter identifiziert (PM)
In der Nacht von Freitag auf Samstag (20.5.) haben mehrere Personen zwei Frauen in der Dortmunder Innenstadt angegriffen. Gegen 2.50 Uhr erhielten die Beamten einen Einsatz zur Brückstraße. Zeugen hatten sich gemeldet und machten Angaben über eine gefährliche Körperverletzung.
Nach ersten Ermittlungen hatte eine Gruppe von mindestens vier Männern zwei Frauen auf der Brückstraße angegriffen. Die Frauen, 55 und 39 Jahre alt aus Dortmund, saßen zum Tatzeitpunkt auf der Brückstraße in Höhe Hausnummer 11. Ein Täter trat der 55-Jährigen mit dem Fuß in das Gesicht. Kurz darauf flüchteten sie. Aus der Gruppe kamen vor der Tat zudem ein oder mehrere „Heil Hitler“-Rufe.
Die 55-Jährige wurde bei der Tat leicht verletzt. Sie konnte nach ambulanter Behandlung durch eine alarmierte Rettungswagenbesatzung entlassen werden.
Durch einen weiteren Zeugenhinweis gegen 3.25 Uhr konnten die Beamten einen Tatverdächtigen identifizieren und die Personalien feststellen. Der 19-jährige Mann aus Niedersachen erhielt einen Platzverweis für die Dortmunder Innenstadt. Der genaue Tatort in der Brückstraße befand sich nach einer allerersten Überprüfung nicht in dem Bereich der dort durchgeführten Videoüberwachung.
Die Ermittlungen, auch zu weiteren Zeugenaussagen und Tatverdächtigen, durch die Soko Rechts dauern an. Die Beamten fertigten Strafanzeigen wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.