
Der Ortsteil Lindenhorst hat auf dem Dortmunder Stadtgebiet ein Alleinstellungsmerkmal: Hier steht der älteste Kirchturm der Stadt. Sein genaues Alter lässt sich nicht mehr bestimmen. Vielleicht wurde der trutzig wirkende romanische Turm der ehemaligen St. Johannes Baptista-Kirche am Ende des 12. Jahrhunderts, vielleicht zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichtet.
Maroder Kirchturm musste eingerüstet werden
Unzweifelhaft ist, dass der Kirchturm schon während der sogenannten Dortmunder Großen Fehde 1388/89 stand, während der die Reichsstadt Dortmund von dem Grafen von der Mark und dem Erzbischof von Köln belagert wurde. Im Kriegsverlauf wurden in Lindenhorst sowohl ein Adelssitz als auch die dazugehörige Kapelle, die spätere Lindenhorster Kirche zerstört. Der Kirchturm, der zu einem Wehrturm ausgebaut worden war, blieb erhalten. Die Kirche wurde später größer wieder aufgebaut.
Vor mehr als zwanzig Jahren wurde der Turm der kleinen evangelischen Kirche von Lindenhorst den Blicken der Passanten entzogen. Denn im Jahre 2003 umgab man ihn mit einem Baugerüst und verkleidete dieses mit Planen. So sollte der Turm vor Witterungseinflüssen geschützt werden.
Der Grund für die Sicherungsmaßnahme war nicht allein das hohe Alter des Kirchturms. Er war auch in der jüngeren Vergangenheit schlicht falsch behandelt worden. So hatte eine Restaurierung mit damals modernen Materialien 1968 tatsächlich große Schäden zur Folge. Seitdem droht der Einsturz des alten Bauwerks.
In Lindenhorst soll eine neue Kita gebaut werden

Die evangelische Kirche von Lindenhorst dient schon seit Jahren nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck. Die Kirche mit ihrem historischen Turm, das Gemeindehaus und angrenzendes Gelände sind 2021 in das Eigentum der Stadt Dortmund übergegangen. Und die hat beschlossen, hier eine neue Kita zu bauen.
Im Kirchenschiff und einem zweistöckigen Neubau werden künftig vier Kita-Gruppen betreut werden können. Der Neubau wird zwei Geschosse umfassen, die zum Teil unterkellert sein werden, und die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude einbeziehen. Bis Mitte 2027 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
Kampfmittelräumdienst und Archäologen arbeiten Hand in Hand

Da von vornherein klar war, dass das neu zu bebauende Gelände aus historischer Sicht wertvoller Grund sein könnte, wurde die Stadtarchäologie eingeschaltet. Die konnte aber nicht gleich aktiv werden. Der Grund dafür ist ebenfalls historisch begründet.
Während des Zweiten Weltkriegs befand sich das Gebiet um die Lindenhorster Kirche in einem Bombenabwurfgebiet. Deshalb war eine Suche nach Bomben-Blindgängern notwendig. Kampfmittelräumdienst und Stadtarchäologie arbeiteten Hand in Hand, um ihren Zielen gerecht zu werden.
Die Untersuchungen der Archäologen haben im November 2024 begonnen und werden bis in den Sommer dauern. Schon jetzt kann resümiert werden, dass es überraschende neue Erkenntnisse gab – sowohl innerhalb der Kirche als auch auf dem Außengelände.
Reste des ältesten Kirchenschiffs wurden gefunden

Aus der Kirche wurden Parkett und Bodenplatte entfernt. Zu Tage kamen dadurch zunächst Keller- und Mauerreste aus dem 20. Jahrhundert. So weisen einige Treppenstufen auf einen ehemaligen Keller hin.

Spannender aber war die Entdeckung gut erhaltener Überreste der während der Großen Fehde 1388/89 zerstörten Kirche. Denn von ihr, der ehemaligen Kapelle des Adelssitzes, gibt es keinerlei bildliche Darstellung. Die neuen Funde helfen jetzt, Wissenslücken zu schließen.
Wohl nicht mehr klären lassen wird sich allerdings die Frage, wessen Gebeine bei den Ausgrabungen in der Kirche gefunden wurden. Sicher ist nur, dass es sich um höher gestellte Persönlichkeiten der damaligen Zeit gehandelt haben muss, erklärte Wolfram Essling-Wintzer vom Referat Mittelalter- und Neuzeitarchäologie des LWL. Die einfachen Leute wurden außerhalb der Kirche bestattet.
LQ-Archäologen fanden Gräber, Brunnen und Öfen
Über das von der Firma LQ-Archäologie untersuchte Außengelände führte Stadtarchäologe Ingmar Luther. Die Funde stellten Zeugnisse unterschiedlicher Epochen dar. Auch hier gibt es Mauern und Fundamente aus der jüngeren Vergangenheit. Jedoch wurden weniger Gräber als erwartet entdeckt.

Für die Archäologen besonders spannend sind mehrere Brunnen. Unter ihnen einer mit einem runden Querschnitt, der Keramikreste enthielt. Die erlauben Rückschlüsse auf die mittelalterliche Besiedlung Lindenhorsts.
Ein weiteres Highlight besteht in den Überresten zweier Buntmetallöfen. Ihre Nähe zu der Kirche überrascht. Kann man nun schließen, dass sie in Betrieb genommen wurden, um den Kirchturm am Ende des 14. Jahrhunderts in einen Wehrturm umzubauen?
Die Sanierung des Turms beginnt noch im März
In Kürze beginnen die Sanierungsarbeiten an dem nun seit mehr als zwanzig Jahren hinter Baugerüst und Planen verstecktem Kirchturm. Auf den Abschluss dieser Arbeiten darf sich jeder freuen, der an der Stadtgeschichte interessiert ist. Einer Gruppe wird aber ein dicker Brocken vom Herzen fallen.
Denn 2009/10 war von Mitgliedern des Heimatvereins Holthausen und des Evinger Geschichtsvereins der Förderverein Lindenhorster Kirchturm ins Leben gerufen worden. Der Verein hat in vielfältiger Weise für den Erhalt des mittelalterlichen Turms geworben, Führungen und Konzerte veranstaltet und auch Spenden gesammelt. Jetzt werden seine langjährigen Bemühungen belohnt.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!