Die Debatte im Stadtrat war relativ kurz, die hervorgebrachten Argumente der einzelnen Fraktionen weitgehend bekannt, das Abstimmungsergebnis recht gut vorhersehbar: trotz eines „Njet“ der CDU und aus den Reihen der Linken beschließt das Gremium den Umbau. Der Platz von Rostow am südlichen Wallring soll zukünftig mit einer Mischung aus Wohnraum, Dienstleistung, Gewerbe und Gastronomie umgenutzt werden – situiert in einem großzügig geplanten Hochhauskomplex, den ein Investor dort errichten lassen soll.
Zustimmung oder Ablehnung des Vorhabens jenseits Links-Rechts-Schema und teils uneinheitlich in Parteien
Auf ihrer letzten Sitzung waren die Fraktionen im Dortmunder Stadtrat nicht nur in der Sache quer zum üblichen Links-Rechts-Schema uneins, sondern im Fall Linke & Piraten auch untereinander: für die GegnerInnen ist der geplante, dreiteilige Gebäudekomplex auf dem Platz von Rostow unter anderem städtebaulich unangemessen (CDU, Die Linke); oder sie sehen darin zusätzlich das Risiko unerwünschter sozialen Folgewirkungen (CDU).
Die BefürworterInnen betonen dagegen Faktoren wie Nachhaltigkeit und ökologische Ausgewogenheit des Planvorhabens; zudem und vor allem durch das darin vorgesehene Wohnraumangebot einen Schritt Richtung Realisierung des Konzepts „Wohnen in der City“, ohne die damit verbundenen Befürchtungen der CDU zu teilen.
Schon bei den vorangegangenen Beratungen der Bezirksvertretungen (BV) Innenstadt-West und -Ost war teilweise ein Abstimmungsverhalten über Fraktionsgrenzen hinweg zu beobachten; im Endeffekt hatte die BV-West schließlich das Projekt empfohlen, während die VertreterInnen der Innenstadt-Ost mehrheitlich mit Ablehnung votierten.
Stadtrat beschließt Hochhaus mehrheitlich – OB Sierau: Qualität Städtebau in Dortmund wurde ausgezeichnet
Jetzt aber haben die kommunalen Umgestaltungspläne am südlichen Innenstadtring die wohl entscheidende Hürde genommen. Mit der mehrheitlichen Zustimmung des Dortmunder Stadtrats kann das Mega-Planungsvorhaben auf dem Platz vor dem ehemaligen Neutor nun an die zuständigen Verwaltungsstellen mit einem klaren Auftrag überwiesen werden.
Aufgabe der kommunalen Spezialisten für Städtebau und Planung wird sein, die Ausgestaltung der öffentlichen Fläche und des Hochhauses, das an Ort und Stelle errichtet werden soll, mit den entsprechenden Qualitätsanforderungen vertraglich zu vereinbaren. Dass dies quasi „nicht mal eben so geschieht“, bedeutet OB Ullrich Sierau während der Debatte mit dem Hinweis auf jene Stadt, die vor nicht allzu langer Zeit immerhin den Städtebaupreis erhalten habe.
Zuvor hatten die Fraktionen noch einmal Stellung bezogen. Monika Lührs (SPD) macht klar: leicht sei ihrer Fraktion die Entscheidung nicht gefallen. Wie bei anderen BefürworterInnen müssen dem offenbar in einem erheblichen Maße Abwägungsprozesse vorausgegangen sein, die schlussendlich die Vorteile einer Realisierung des vom Bochumer Architekturbüros „Archwerk Generalplaner KG“ erstellten Entwurfs im Übergewicht sahen.
Pro Hochhaus: die Umgebung ist gefüllt mit Leben – Möglichkeiten fürs Wohnen in der City werden erweitert
Natürlich, „Architektur ist immer Geschmackssache“, so das SPD-Ratsmitglied. Aber es kommen gute Gründe hinzu: das Hotel etwa, in der geplanten Form, habe ebenso überzeugt wie die Gestaltung des Umfeldes mit seinen Wegebeziehungen. Sehr wichtig sei den GenossInnen gewesen: der Nutzungsmix des Gebäudeensembles. Durch das dortige Wohnangebot könne ausgeschlossen werden, was im Umfeld eines reinen Bürogebäudes zu erwarten sei: ab 16 Uhr alles menschenleer.
Dies entspräche einerseits der Nachfrage nach Wohnen in der City, andererseits: auf Betreiben ihrer Partei habe sich der Investor verpflichtet, längerfristig einen 27-Prozent-Anteil für Sozialwohnungen zu garantieren – auch, so wie es jetzt aussähe, ohne öffentliche Unterstützung seitens des Landes NRW.
Wo nach Abwägung sich die Waage zur anderen Seite gesenkt hat: Die Linke. „Wir werden uns heute uneinheitlich bei diesem Tagesordnungspunkt verhalten“, so der Fraktionschef Linke & Piraten, Utz Kowaleswki. Der daher jetzt nur für seine Partei Gründe der Ablehnung des Entwurfs darstellen kann: die Enge an diesem kleinen Platz, mit verkehrlich schwierigen Folgeproblemen, die städtebaulich wenig ideal gelöst werden könnten. Zumindest hätten diesbezügliche Gespräche mit dem Vorhabensträger nicht überzeugen können.
Contra: städtebauliche Bedenken und Negativerfahrungen mit öffentlich gefördertem Hochhauswohnraum
Das sieht Uwe Waßmann (CDU) ähnlich: seine Partei bliebe bei ihrer ablehnenden Haltung, nicht zuletzt aus Gründen erheblicher städtebaulicher Bedenken wegen des Baukörpers; denn hier gäbe es Platzprobleme. Doch die Christdemokraten sehen durchaus Alternativen: „Wir waren immer offen, das bleiben wir auch, von der Idee her, dass wir an dem Standort, wie das City-Konzept 2013 es vorsieht, grundsätzlich ein Hochhaus uns vorstellen können“, so Waßmann: allerdings nur für Büro und Dienstleistungen.
Handlungsbedarf in dieser Hinsicht sieht die CDU auch deshalb, weil es einen Mangel an Büroflächen in der Innenstadt gäbe, betont der Planungsspezialist. Das Argument, ein Bürohochhaus sei „nach 16 Uhr ein toter Fleck“, verwirft er und verweist: siehe etwa das Ellipson oder beim RWE-Tower, wo es diese Problematik in keinster Weise gäbe.
Wegen der Sorgen seiner Partei, weil dort öffentlich geförderter Wohnraum vorgesehen ist, möchte er „gerne die Umkehrfrage stellen“: Warum aus den Erfahrungen mit solchen Gebäuden aus den 70er und 80er Jahren jetzt keine öffentliche Förderung von Wohnraum in Hochhäusern vorgesehen sei? Das hätte wohl Gründe.
Konzept: Wohnen in der Innenstadt stärken! – Geht das auch mit einem Anteil an sozialem Wohnungsbau?
Auch Ingrid Reuter, stellv. Fraktionsvorsitzende der Bündnis 90/Die Grünen, stellt ihrem Statement voran: die Fraktion hätte sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Da habe es schon einiges zu bedenken gegeben: was mit den dortigen Platanen geschehe, wie es um die Frischluftzufuhr für die Innenstadt bestellt sei; dazu die Frage, wie energieeffizient so ein Hochhaus gebaut werden könne.
Mehrfach habe es Gespräche mit Investor wie Architekten gegeben: die seien zufriedenstellend verlaufen. Wichtig sei ihrer Fraktion bei der Nutzung des Gebäudes an dieser zentral gelegenen Stelle die Einhaltung der 25-Prozent-Regelung für öffentlich geförderten Wohnungsbau oder etwas vergleichbares gewesen. Denn das Wohnen in der Innenstadt solle gestärkt werden.
Als unverständlich empfindet sie die Position der CDU, wenn die sich an dem Platz Büros vorstellen könne, aber eine Mischung mit Wohnraum nicht: weshalb der anvisierte 27-Prozent-Förderanteil das Ensemble zu einem Risikohochhaus machen solle.
CDU möchte das Wohnen in der Innenstadt ebenfalls stärken – Gelingensbedingung sollen hohe Mieten sein
Was die Stärkung des Wohnens in der Innenstadt betrifft, hat die CDU im Grundsatz keine Probleme: „Wir sind nicht die Partei, die das Wohnen in der City aufhält“, entgegnet Uwe Waßmann. Doch es gehe hier um ein bestimmtes Projekt – und da sei es legitim, und seine Partei ließe es sich nicht nehmen, die damit verbundenen Risiken zu bezeichnen. Denn es sei zu fragen, wie die Stadt in 40, 50 Jahren aussähe, dafür würde Städtebau schließlich gemacht.
Immerhin habe eine Debatte begonnen; dabei bekäme man auch Hinweise: viele mit Erfahrung sagten, beim Wohnen im Hochhaus, wenn es kein Risikohaus über die Jahre werden solle, müsse es so eingerichtet werden, dass 12, 13, 14, 15 Euro aufwärts verlangt würden: „das können wir uns auch vorstellen“.
Heißt, mit anderen Worten: Wenn Wohnen in der Innenstadt, dann nur für Reiche, weil Menschen, die in Armut leben, das Risiko für – wofür erhöhen? Unerwünschte Phänomene, Verwahrlosung, Desintegration, gar Ghettoisierung? Carla Neumann-Lieven (SPD) beschließt die Debatte: die Fehler in den 60er Jahren beim Hochhausbau rührten aus einer fehlenden Durchmischung; die aber sei durch die Planung an diesem Ort gewährleistet.
Ullrich Sierau zieht aus der Auseinandersetzung eine positive Bilanz, siehe Städtebaupreis, damit implizierte Sorgfalt im Umgang mit solchen Vorhaben: es könne daher davon ausgegangen werden, auch vor dem Hintergrund der jetzt geführten Debatte, dass es von Verwaltungsseite intensive Gesprächssituationen mit dem Investor geben würde, oder wer immer da an den Start ginge.
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