Von Simone Melenk
Das neue Baukunstarchiv NRW am Ostwall ist noch nicht eröffnet, da ist das erste Kapitel einer Erfolgsgeschichte schon geschrieben: Nur das Wir, eine Gemeinschaftsleistung von vielen Beteiligten und vor allem engagierten BürgerInnen hat das Denkmal als Kulturort gerettet und lässt es wieder strahlen. Und endlich gibt es im Land einen Ort der Baukultur, der mit einem überregional bedeutsamen Archiv und neuer Bibliothek wichtige Forschungsstelle und lebendiger Ort der Kommunikation über Architektur, Bauwesen und Stadtplanung sein will. Allein elf Ausstellungen füllen bereits das Jahresprogramm 2019.
Ein Baukunstarchiv für Nordrhein Westfalen war lange überfällig
Kaum ein Dortmunder Gebäude in der City erzählt eine so wechselvolle Geschichte wie das Haus Ostwall 7: Vor 143 Jahren als Landesoberbergamt gebaut, dann Museum, im Krieg zerstört, auferstanden aus Ruinen und mehr als 50 Jahre lang eine der ersten Adressen für moderne Kunst in Westfalen. Es folgten der (politische) Kampf gegen den Abriss und ein langer, auch schwieriger „Zwischenraum“. Jetzt also die nächste Verwandlung und eine große Vorfreude.
Für Nordrhein-Westfalen, größtes und bauintensivstes Bundesland, erhält die Stadt Dortmund das Baukunstarchiv NRW. „Überfällig“ sei das gewesen, betont Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer, die immer wieder von Erben angesprochen wurde. Wohin mit den Werken von Baumeistern?
Vor- und Nachlässe der Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur, des Städtebaus und des Bauingenieurwesens werden künftig in Dortmund verwahrt und wissenschaftlich bearbeitet. Studien vor Ort, öffentliche Veranstaltungen, Fachtagungen und Ausstellungen sind geplant. Eine gemeinnützige Gesellschaft, bestehend aus der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, der Stiftung Deutscher Architekten, der Ingenieurkammer- Bau NRW und dem Förderverein Baukunstarchiv übernimmt den Betrieb.
3,5 Millionen Euro wurden in den Umbau des denkmalgeschützten Gebäudes investiert
Jeder Gesellschafter bringt Personal und nach wie vor Ideen ein, die Stadt Dortmund stellt das „grandiose Gebäude, die Baukultur hätte keinen besseren Ort finden können“, sagt Oberbürgermeister Ullrich Sierau nicht ohne Stolz.
Das Baukunstarchiv NRW fängt natürlich nicht bei Null an: Seit 1995 pflegt die Technische Universität Dortmund das Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW. Gesammelt wurden bereits 80 Vor- und Nachlässe, darunter so bekannte wie die des Architekten Harald Deilmann oder des Bauingenieurs Stefan Polónyi.
Auch das gestalterische Erbe des Architekten Josef Paul Kleihues, einer der bedeutendsten deutschen Architekten der Bundesrepublik, wanderte nicht nach Berlin, sondern kam nach Dortmund. Die TU als Kooperationspartner übernimmt die wissenschaftliche Leitung, in persona vor Ort Regina Wittmann.
Knapp zwei Jahre dauerten Planung und behutsame Ertüchtigung mit Blick auf historische Details (Architekten Spital-Frenking + Schwarz), mit veranschlagten 3,5 Millionen Invest schaffte das Kollektiv eine Punktlandung, betont Geschäftsführer Markus Lehrmann. Viele Spender halfen bei der Einrichtung, stifteten Küchen, Fliesen oder auch Türklinken, richteten die Architekten-Lounge oder eine Co-Working-Area ein.
Ab Sonntag ist das Baukunstarchiv NRW für BesucherInnen geöffnet
Ab Sonntag ist das Haus mit seinen 3000 Quadratmetern Nutzfläche für BesucherInnen offen. Die erste Ausstellung präsentiert die bestehende Sammlung: 80 Objekte – jeweils ein Werk aus einem Bestand. Da wird die oft verschmähte „Flachware“ plötzlich plastisch. Ausstellungsmacher Christos Stremmenos hat zusammen mit Studierenden der TU die Ausstellungs-Architektur erdacht.
Plexiglaskästen auf schlicht-schönen weißen und grauen Podesten setzen die Exponate wirkungsvoll in Szene: seien es kunstvolle Tusche-Zeichnungen von Kapitellen, Original-Entwürfe von Yves Klein und Walter Ruhnau für das Musiktheater im Revier, eine spacige Tankstelle aus den 1930-er Jahren für Shell, Tapetenentwürfe oder das mannshohe Modell des Reinolditurms als Großfoto.
Im Gartenzimmer haben Modelle ihren großen Auftritt oder auch die Sitzschale fürs Düsseldorfer Rheinstadion. Besucher sollten viel Zeit mitbringen, das Haus, seine Geschichte und seine Schätze neu zu entdecken. Oder einfach immer wiederkommen.
Weitere Informationen:
- Ausstellung: „Eins Zwei Drei…Baukunstarchiv, Ausgesuchte Werke aus der Sammlung“
- Zu sehen vom 5. November 2018 bis 10. Februar 2019.
- Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So jeweils 14-17 Uhr, Do 14-20 Uhr.
- Ausstellungseröffnung am Sonntag, 4. November um 14 Uhr.
- Führungen und Sonderöffnungen auf Anfrage, www.baukunstarchiv.nrw
Reader Comments
Uta Rotermund
Es wäre erfreulich gewesen zu lesen, welche Anstrengungen es die Bevölkerung gekostet hat ,einen Abriss des Gebäudes zu verhindern.Sowohl die CDU-Fraktion ,um nur einige Namen zu nennen Hans -Joachim Pohlmann,der heute Vorsitzender des Kulturausschusses ist,als auch der so kulturell versierte Bürgermeister Manfred Sauer, als auch die SPD-Fraktion ,ich denke an die stets kompetente Bürgermeisterin Birgit Jörder, haben für den Abriss plädiert Die Grünen planten einen Stadtbauernhof und nur die Linke unterstützte die Bürgerinnen und Bürger.Weitere auch schriftliche Unterstützung zum Erhalt des Hauses kam von international tätigen Architekten,dem Cityring Dortmund,der Handwerkskammer,der IHK ,dem Presbyterium der Marienkirche und vielen anderen Institutionen und Privatpersonen ,wie zum Beispiel ,um nur stellvertretend einen für alle zu nennen ,dem Juwelier Gerd Rüschenbeck. Ulrich Sierau ,der heute von der „Strahlkraft des Hauses für ganz NRW“ spricht ,hätte das Haus niederreissen lassen und die gesamte Liegenschaft nebst Park und altem Baumbestand, eine „Filetstück“ Immobilie in der Innenstadt,für 2,1 Mill.an einen Investor zur Errichtung eines Seniorenheims verkauft.Da ich massgeblich und federführend an dem „Pöbelaufstand“ ,so CDU-Bürgermeister Manfred Sauer ,beteiligt war ,kann ich Ihnen gerne einige Informationen zur Geschichte und Chronologie der Aktionen zum Erhalt des Hauses zur Verfügung stellen.
Ohne den Widerstand zahlreicher Menschen gegen die Politik dieser Stadt stünde dieses Haus nicht mehr.
Auswärtsspiel
Danke, Uta Rotermund! Was in Dortmund noch steht, verdankt das engagierten und couragierten Bürgerinnen und Bürgern wie Ihnen.
Wolfgang Richter
Ein Blick in die Vergangenheit ist nützlich – im Jahr 2010 waren die Ruhrgebietsstädte „Kulturhauptstadt“ – da stand auch das MaO (Museum am Ostwall) zum Abriss, neben anderen Kulturgütern. Damals sollten 350 große gelbe Ballons – „Schachtzeichen“ – über den Oten anzeigen, an denen überall Zechen bestanden hatten und untertage gearbeitet worden war. Als Antwort gab es eine revierweite Aktion der DKP mit schwarzen Luftballons – „Schlachtzeichen“ – die auf das damalige Vernichten von Sozialräumen und Kulturstätten im Revier hinwiesen. Das MaO gehörte zu ihnen – sein damals beabsichtigtes Schleifen wurde von den Dortmunder Gruppen Attac, Arbeitslosenzentrum, Sozialforum, Linkes Bündnis, Die Linke, ’solid, SDAJ und DKP in einer Demo und Kundgebung am Rathaus beklagt:
Am Ostwall
wurde eine wunderbare Architektur der Nachkriegs-Moderne, ein berühmtes Museum mit kluger Sammlungs- und Ausstellungspolitik in einem Kleinod von grünem Skulpturenpark
von der Dortmunder Politik jahrelang
baulich und technisch bis zur Unbenutzbarkeit vernachlässigt,
kultur- und personalpolitisch systematisch ins Aus manövriert,
sammlungspolitisch fahrlässig ausgetrocknet und ausgehungert,
schließlich in allen Belangen schlachtreif heruntergewirtschaftet.
Damit wurden zwei „Ideen“ verfolgt:
1. Die wertvolle öffentliche Immobilie – das historische Bauwerk und der als grüne Lunge wichtige Park – sollte so für eine Privatisierung hergerichtet werden. Im neoliberalen Planerjargon: Ein städtebauliches „Filetstück“ mit marode gemachter Bausubstanz sollte privaten Investoren signalisieren: Hier haben wir ein tolles Grundstück für Dich!
2. Das neue spektakuläre Bau-, Ausstellungs- und „Kreativ-Mix“-Projekt unter dem goldenen „U“ sollte den wichtigen Ankermieter erhalten, damit das umstrittene Luxus-Vorzeigeprojekt der Langemeyer-Sierau-Gerber-Assmann-Ära in der City überhaupt verwirklicht werden könnte.
MO – das Museum am Ostwall wurde vor fast einem Jahr geschlossen.
Zunächst und ziemlich zynisch wurde das Gebäude – das doch eben noch zu kaputt für ein Museum war – der jüdischen Gemeinde als Synagoge angeboten. Die lehnte ab. Bisher scheiterten alle öffentlich bekannt gewordenen und alle geheimen Versuche, Museum und Grundstück meistbietend zu verhökern. Eines Tages wird der Abriss als unabweisbar dargestellt werden und Dortmund wieder um eine Kulturstätte ärmer gemacht sein – noch lebt die Erinnerung an die Sprengung der Stadt- und Landesbibliothek im Herzen der Stadt.
Genau in diesen Tagen sollte das Museum vom Ostwall neue Ausstellungsflächen erhalten – im „Dortmunder U“ anlässlich der „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“. Es gehört zum Selbstverständnis der mafiösen Ära, dass das so nicht klappt – aber irgendetwas wird irgendwann schon kommen und ganz groß gefeiert werden. Das kleine Museum am Ostwall hatte fast 60 Jahre die Kultur in Dortmund mitgeprägt. Am Ende wurde es von dem großen neoliberalen Klotz unter dem goldenen „U“ plattgemacht, „geschlachtet“ und geschluckt.
Daran erinnern wir anlässlich der Aktion „Schachtzeichen“ in der Kulturhauptstadt Ruhr 2010
Eine Aktion der DKP Dortmund Ost im Rahmen der Aktion „Schlachtzeichen“