Harold Montas Perez kommt aus der Dominikanischen Republik. Er war gerade neun Jahre alt, als er mit seiner Mutter die Karibik verließ, um ein neues Leben zu beginnen. Das war 2012. Als er damals aus dem Flieger stieg sprach er kein Wort Deutsch. Wer heute mit ihm spricht, könnte denken, der junge Mann wäre in Hombruch geboren. Die Sprache hat ihm Türen geöffnet, der Ausbildungspakt Dortmund hat ihm den Weg geebnet. Durch den Ausbildungspakt soll es für jungen Menschen leichter werden, den Übergang von der Schule in einen Beruf zu meistern. Dafür arbeiten Betriebe, Schulen und verschiedene Institutionen Hand in Hand.
Entwicklung vom Chaoten zum arbeitenden Mann
Harold wird im Januar 2025 bei der Orthen GmbH die Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Heizungs-, Sanitär- und Klimatechnik abschließen. „Danach sah es anfangs eigentlich nicht aus“, sagt Ute Henkler heute. Sie ist Harolds frühere Klassenlehrerin und „Leiterin Ausbildungspakt“ an der Konrad-von-der-Mark-Hauptschule in Hörde. „In der fünften und sechsten Klasse hatte Harold noch erhebliche sprachliche Defizite und damit auch in vielen Fächern große Schwierigkeiten.“
Harold weiß das selbst: „Ich war ein Chaot, hatte schlechte Noten. Auf Nachhilfe hatte ich keinen Bock. Ich wollte lieber mit meinen Freunden abhängen.“ Immerhin: Dadurch lernte er die Sprache ziemlich schnell. „Zuhause haben wir von Anfang an nur Deutsch gesprochen“, erzählt der junge Mann.
Druck bei schlechten Noten habe es nie gegeben, stattdessen Liebe, meistens Verständnis und klare Regeln. Und noch etwas hat die Mutter ihm mitgegeben. Ein schönes Sprichwort aus der Dominikanischen Republik: „Sólo el trabajo hace al hombre“ – Nur die Arbeit macht den Mann aus.
Als Siebtklässler konnte er mit diesen Worten nicht viel anfangen. Aber nach und nach hat Harold gelernt, was sie bedeuten: „Streng‘ dich an, dann kannst du alles schaffen. Mein Deutsch war besser geworden. Mathe war auf einmal spannend, in den Nebenfächern lief es auch.“ In den Fächern Bio, Erdkunde, Physik, Chemie verbesserten sich seine Noten auf „gut“ bis „befriedigend“, für einen Jungen der gerade mal drei Jahre in Deutschland lebt eine sehr gute Leistung.
Zu Beginn der neunten Klasse entscheidet sich Harold dann für den Ausbildungspakt. „Wir schließen einen Vertrag mit den Schülerinnen und Schülern“, sagt Ute Henkler. Neben ordentlichen Noten müssen sie pünktlich und zuverlässig sein, dürfen nicht mehr unentschuldigt fehlen, sie müssen sich sozial engagieren und verschiedene Praktika machen. Im Gegenzug werden sie unter anderem von Lehrer:innen, Handelskammern und Betrieben bis zur Unterschrift auf dem Ausbildungsvertrag unterstützt.
Die Ausbildung ist voraussichtlich nicht das Ende der Zusammenarbeit
Harold wird den Anforderungen gerecht. Er ist einer von 20 Schüler:innen an seiner Hauptschule, die in der neunten Klasse den Ausbildungspakt unterschreiben. Er interessiert sich zunächst für die Arbeit als Physiotherapeut, für seine Betriebspraktika landet er aber bei der Firma Orthen, ein Unternehmen für Sanitär-, Heizung-, Klima- und Lüftungstechnik mit 47 Mitarbeiter:innen.
In den Stufen neun und zehn arbeitet Harold insgesamt fünf Wochen im Betrieb: „Vom ersten Tag an war er fleißig, wissbegierig und engagiert. Seine Herzlichkeit ist einfach einnehmend“, sagt Dennis Orthen, der das Unternehmen gemeinsam mit Geschäftspartner Markus Wolf führt.
Orthen ist vom Ausbildungspakt überzeugt: „Die Praktikantinnen und Praktikanten lernen uns kennen – und wir sie. Da kann eigentlich nichts mehr schief gehen.“ Für Dennis Orthen ist der persönliche Eindruck, die Leidenschaft für die Arbeit wichtiger als die Art des Schulabschlusses. Schließlich plane man bei Orthen auch über die Ausbildung hinaus. Wenn alles gut geht, muss die Ausbildung nicht das Ende der Zusammenarbeit sein. Orthen: „Unser Ziel ist, dass wir uns unsere Fachkräfte selbst ranziehen.“
Am 31. Januar 2025 wird Harold die dreieinhalbjährige Ausbildung hinter sich gebracht haben. Wenn er die Prüfung besteht, kann er bei Orthen auch als Geselle anheuern. Ein unterschriftsreifer Vertrag liegt schon in der Schublade.
Der Ausbildungpakt hat bisher 262 Jugendliche in die Ausbildung gebracht
Der Ausbildungspakt ist eine gemeinsame Initiative des Vereins für innovative Schulentwicklung in Dortmund, des Regionalen Bildungsbüros im Fachbereich Schule und drei Dortmunder Schulen: Anne-Frank-Gesamtschule, Martin-Luther-King-Gesamtschule und Konrad-von-der-Mark-Schule (Hauptschule).
Der Pakt wird von vielen Partner:innen wie Industrie- und Handelskammer zu Dortmund, Handwerkskammer Dortmund oder Kreishandwerkerschaft Lünen unterstützt.
Ziel ist es, Schüler:innen beim Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung zu helfen. Die Schüler:innen unterschreiben mit Beginn der neunten Klasse einen Vertrag mit der Schule und verpflichten sich darin zu Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Betriebe und die Ausbildungspakt-Lehrer:innen stehen in engem Austausch.
Im Gegenzug werden diese Schüler:innen individuell auf eine Berufsausbildung vorbereitet. Es gibt unter anderem Team-Trainings, handwerkliche Projekte oder berufliche Speeddating-Events. Außerdem werden ausbildungswillige Schüler:innen und interessierte Ausbildungsunternehmen in Kontakt gebracht.
Seit dem Schuljahr 2020/21 sind 262 Jugendliche der drei Schulen nach der zehnten Klasse in eine duale oder vollzeitschulische Berufsausbildung gegangen. 24,4 Prozent der Schüler:innen der drei Ausbildungspakt-Schulen haben so den Weg in eine duale Ausbildung gefunden. Die durchschnittliche Übergangsquote an Dortmunder Haupt- und Gesamtschulen liegt bei 17,1 Prozent. Die Förderung für den Ausbildungspakt läuft noch bis 2025. Die Akteur:innen wünschen sich eine Fortführung, so könnten in Zukunft noch mehr Schulen beteiligt werden.