Letzte Ausstellung in der Galerie Dieter Fischer: angekündigt im Rahmen der Reihe „Depot stellt vor“ hat sich Ari Plikat, Cartoonist, Karikaturist, Illustrator. Ob Alltägliches, politische Phrasen, gewisse Charaktere, eigenes Erleben oder liebgewonnene Konventionen – vor seinen kleinformatigen Bildern mit Wortwitz und Charme ist wenig sicher. Die Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, gibt es in den nächsten zehn Tagen bei „Kunst macht Rücken“ an Ort und Stelle.
In Bild und Sprache: Pointiertes aus Alltäglichem und unterirdischen Strömungen
Für seine künstlerische Leidenschaft muss Ari Plikat ein scharfer Beobachter sein: ob es sich um den Zeitgeist handelt oder es die zahlreichen kleinen Begebenheiten im Alltäglichen sind, über die wir alle einmal stolpern. Am Ende des Tages, etwaig angereichert mit prägnanten Worten, soll ein Bild stehen.
Das ist der eigentlich künstlerische Prozess, die Transformation des Erfahrenen zum metaphorischen Ausdruck, woran seine Arbeit sich ihrem Anspruch nach bemisst – und dafür braucht’s den feinen Blick.
Ari Plikats Markenzeichen wie das seiner KollegInnen aus dem Metier: Umgestaltung durch Überformung, manchmal bis zur grotesken Überspitzung. Im Ergebnis kann witzig-leichte Kost zur potentiell-tiefsinnigen Erheiterung bis zum Gau für’s Karikierte dargeboten werden, weil es sich in der bildsprachlichen Darstellung eigenständig und zielsicher selbst desavouiert.
Wo es um ein Insider-Statement zum fraglichen Genre geht, zitiert er zu seiner am Freitag, 14. September, standardmäßig mit einer Vernissage anhebenden Ausstellung den bekannten Satiriker F.W. Bernstein (Neue Frankfurter Schule/Titanic): „Das Reich der Groteske, dort wird die Sau rausgelassen, keine Pointe, kein Wortspiel verkniffen, und der Zusammenstoß mit unseren Konventionen macht die komische Wirkung, knapp vor der Empörung.“
Künstler sucht neuen Arbeitsbereich im Depot und schlägt bald seine Zelte vor Ort auf
Mit „Kunst macht Rücken“ hat der 1958 in Lüdenscheid geborene Künstler diesen Anspruch als Titel für seine jetzt im Dortmunder Depot über zehn Tage gezeigten Bilder übersetzt. Und dort, an einem der wichtigsten Kulturorte der Nordstadt, möchte er dauerhaft seine Zelte aufschlagen. Warum? Wegen des Chaos, überall, wo er werkelt, habe es dringend alternativer Räumlichkeiten bedurft, erklärt Ari Plikat sein Motiv.
Zukünftig wird er sich in der ehemaligen Straßenbahnwerkstatt einen Arbeitsbereich mit Charlotte Wagner teilen, die hier vor einiger Zeit bereits angekommen ist. Das Depot darf sich freuen, denn es mangelt nicht an Vorschusslorbeeren, und zwar seriöser Natur.
Vielfach mit Preisen ausgezeichnet, zudem Autor einer Reihe von Büchern, sind seine Cartoons bislang in Medien mit Rang und Namen erschienen, u.a. in Titanic, faz, Stern, Eulenspiegel, Berliner Tagesspiegel, Spiegel Online oder der ehrwürdigen FAZ; seine letzte große Ausstellung gab es 2017 im Caricatura Museum für komische Kunst in Frankfurt zu sehen.
Und die in seinen Dimensionen vermutlich etwas bescheidenere Vorstellung vom Œuvre in der Galerie Dieter Fischer des Depots? Was hat es denn nun auf sich, mit dem Hat-Rücken, das wird mit Kunst?
Sprachlich Griffiges: nicht nur ulkig, sondern Metapher für Wahrheiten des Alltags
Da spricht der Künstler, dem Ulk nicht fern sein kann und zudem nach pragmatischen Lösungen sucht: „Kunst macht Rücken“ – da habe es ein Klischee gebraucht, einen griffigen Titel, noch dazu mit Assoziationsqualität: Kunst ist eben auch Arbeit, „nicht einfach mal die Leinwand aufbauen und dann mit dem Pinsel tungtungtung“, später dafür abkassieren, ne: da ist der Lastcharakter, das Tüfteln, Feilen, Probieren, Korrigieren.
Worum geht es? Zuallererst um Bilder natürlich. Die erschafft er mit allem, was ihm so in die Finger käme, sagt er – und womit er irgendwie Farbe auf Fläche übertragen kann: von Pocket-Brush (mit Aquarellfarben füllbarer Pinselstift), Feder, Füller, über Filzstift und Bleistift bis zum normalen Pinsel.
Eine Auswahl der bisherigen Resultate des Tuns, „mit Rücken“ im Handgepäck, hängt schon an den Wänden, bereit, den ab Freitag erwarteten BesucherInnen in die Sinne zu springen. Entstanden in einem Zeitraum von ca. zwei Jahren, die meisten in den letzten sechs, sieben Monaten.
Die Idee vom Kleinformatigen an zwei Beispielen: Frage nach den Folgen einer Entscheidung
Ari Plikat arbeitet mit und in kleinen Formaten, dafür ist er bekannt. Da sind die bemalten Bierdeckel, Bilder in lebensnah; 850 hätte er davon, ein Teil hier an den Wänden befestigt, 1.000 sollen es werden: „Fragen Sie mich nicht warum, ich will das einfach so.“ – Das wäre die Abteilung Freiheit und Privileg der Kunst gewesen.
Andernorts im Raum, Postkarten, nicht wirklich größer, darauf Motive in Halbtönen; Aquarelltöne, dem Original sehr ähnlich, wie er betont. Hintergrund: Er ist Mitglied eines Postkartenkollektivs – da werden diese Karten entworfen, gezeichnet, schließlich schicken sie sich die pastellfarbenähnlichen Dinger gegenseitig hin und her. Jeder verkauft sozusagen an allen Orten alles von allen – wenn das kein Netzwerk ist.
Doch dann wird es langsam ernst. Das mit dem Kleinformatigen verlangt nach Klärungsbedarf; ist schließlich für den Laien am augenfälligsten. Weniger das Warum, sondern was/wie es verändert, wenn’s zum Schwur im Schaffensprozess und mit Blick auf das Ergebnis kommt?
Kleine Bilder: Bedingungen und Prozesse des Kunstschaffens verändern sich durch Größenvorgaben
„Nicht unbedingt inhaltlich“, macht Ari Plikat klar; aber es sei dann eben zu überlegen, wie auf einer kleinen Fläche das Intendierte – skizzenhaft fixiert in einer Kladde („mein Gedächtnis“) oder schematisch als Idee im Kopf – dargestellt, darauf untergebracht werden könne. Wie im Prozess des Übersetzens vielleicht von ursprünglichen Konzepten abgewichen werden muss. „Wenn ich da was rein haben will, muss ich überlegen: wie krieg ich das hin?“
Dazu arbeitet er schnell; manchmal ist ein kleines Bild in fünf, sechs Minuten fertig. Außer, er lässt es nach dem Malen trocknen, geht danach mit anderer Farbe drüber, „damit so ein bestimmtes Flirren entsteht“; frei-assoziativ, sofern es nicht um Cartoons mit den geforderten Gags geht.
Bei größeren Flächen ist für ihn der Arbeitsprozess, das Denken komplett verschieden: angefangen vom Strich mit einem dickeren Pinsel bis zu Proportionierungsproblemen. Doch die Grundkonstruktion bliebe fast immer erhalten. Bei den kleinen Bildern, bei Zeichnungen, Text wie der Kombination ginge es dagegen eher ums Weglassen, ums Streichen, „damit ein Fluss entsteht“, es nicht hakt, rund wird, die Elemente zueinander passen, jeder Bildbereich seine Richtung hat.
Im Hintergrund das Geheimnis präsent halten: Intuition statt Erklärungsversuche, die Träume schließen
Wie in einer Komposition? Ja, das sieht er so. Und, dass ebenfalls viel über Intuition geschehe. Nicht immer von Vorteil, denn dadurch gibt es im Prozess des Schaffens leicht Eigendynamiken – und plötzlich merkst Du: vergessen auf die Bremse zu treten, das Konzept funktioniert nicht mehr.
Für Ari Plikat ist dieses Risiko offenbar alternativlos: „Ich versuche, im Hintergrund etwas beizubehalten, was ich nicht analysieren muss, bevor ich etwas mache. Ich mache es einfach und schaue, ob es schiefgeht.“ Alles verstehen zu wollen, zerstöre manche Illusionen, Vorlieben. Kurz Träume, die sich beharrlich weigern, auf dem harten Boden der Tatsachen zu landen.
Gegenüber einer zweckrational ausgerichteten Ästhetik mit einem Begriff von Kunst, die ohne Erkenntnis- und Handlungsfunktion leer wäre, geht es hier – „in mehreren Eckchen der Ausstellung“ – spielerisch, gewollt-naiv manchmal, auf alle Fälle komisch zu. Und dabei würde immer wieder, als roter Faden, die Frage nach der Kunst gestellt, worin sie sich ausdrücken kann.
Beispiel für den Künstler: das Bild von einem seiner „Lieblingsalbträume“ oder die Kaffee-Variationen. Gedanke dahinter wie Phänomen dessen, in den Worten von Ari Plikat: „Ich will nicht alles erklären. Manchmal mach ich aber auch Sachen, die muss ich mir dann selber wieder erklären.“
Kunst zwischen Spielerei und aufklärender Satire – wo bleiben die wirklich thematisierbaren Inhalte?
Gibt es Themenfelder in seinen Arbeiten? Woher stammt Inspiration? Thematisch hätten die kleinen Bilder keine besonderen Schwerpunkte, so der Cartoonist. Das sei eigentlich „alles, was mir so einfällt“. Wollte er etwas veröffentlicht haben, wie in einem Magazin: sicher, da gälte die Regel, es müsse für die Macher „funktionieren“. Dann nimmt er zu solchen Gelegenheiten sein Skizzenbuch, worin einstige Ideen gestrandet sind, die im Moment ihrer Entstehung leider nirgendwo hin passten.
„Man kann die beste Idee der Welt haben – puff, nach zehn Sekunden ist sie wieder weg.“ Also werden sie festgehalten. – Da ist er übrigens nicht mit allein: berühmt etwa, der Zettelkasten des Soziologen und Systemtheoretikers Niclas Luhmann, dessen eigenes System auf rein begrifflicher Ebene mit eilig beschriebenen Karteikarten ähnlich funktionierte.
Für die Cartoonarbeit geschieht Inspiration manchmal über die Nachrichten am Morgen. Da geht es allerdings nicht um Tagespolitik, sondern eher um die Paradigmen, Typen hinter den regelmäßig verlautbarten Phrasen. Um die „Ströme“, die Strömungen der Zeit, mit denen die Leute auch morgen noch etwas anfangen können. Dann ginge es um immerwährende Themen wie Rechtsextremismus, Altersvorsorge etc. Auch die katholische Kirche kommt auf den Bierdeckeln nicht so gut weg.
Endgültig zur Entspannung, Schmunzeln bis Brüllen erwünscht: die Cartoon-Lesung am Mittwoch
Ansonsten gruppieren sich seine Bilder um „Grundthemen, mit denen jeder irgendwann etwas zu tun hat“, wie Ari Plikat sagt: Liebe, Tod, Katzen, Hunde, Essen, Trinken – Alltägliches eben.
Die seien freilich mit Klischees besetzt, von anderen definiert. Und mit Begriffen, die niemand von uns erfunden hat, deren Einfluss auf uns hingegen unausweichlich ist.
Kein Ding, scheint sich Ari Plikat zu sagen, Möglichkeiten zur Revolte gegen diese Macht liegen in ihr selbst: Stereotype, Klischees können wie Sprache gebogen, mit ihr zusammen bildhaft zum Gegenteil verklausuliert, freier werden, ganz andere Botschaften transportieren.
Wälzt daher nach eigener Aussage Klischees hin und her, was auch immer individuell daraus dechiffriert werden mag.
Witzig ist jedenfalls wichtig, wenn die Köpfe der Konventionen rollen. Bei einer „Cartoon-Lesung“ am Mittwoch, den 19. September, besteht die Möglichkeit, live dabei zu sein.
Ari Plikat projiziert mit einem Beamer Bilder an die Wand und spricht passende Texte. Aufhänger ist sein neues Buch: „Das ist mein Hip Hop“; dazu werden Kunstbilder gezeigt, es gibt Bezüge zum Depot etc. – insgesamt eine bunte Mischung. Viel mehr wollte der Künstler allerdings nicht verraten: da sei noch was an Überraschung drin.
Weitere Informationen:
- Ari Plikat – Cartoon-Lesung & Ausstellung im Rahmen von „Depot stellt vor“; Kulturort Depot, Galerie Dieter Fischer, Immermannstr. 29, 44147 Dortmund
Cartoon-Lesung „Das ist mein Hip Hop“ im Rahmen der Ausstellung: Depot, Mittwoch, 19. September, 19:00 Uhr
Ausstellung: „Kunst macht Rücken“: Freitag, 14.9., bis Sonntag, 23.9. - Vernissage: Freitag, 14.9., 19 Uhr
- Öffnungszeiten (der Künstler ist anwesend): Do/Fr: 17 bis 20 Uhr; Sa/So: 15 bis 18 Uhr
- Finissage: Sonntag, 23.09., 15 bis 18 Uhr
- Kontakt: Ari Plikat, Tel 0231-515227; ari.plikat@t-online.de. Home: www.ariplikat.de
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