Arbeiten von Nelly-Sachs-Preisträgerin Marie N’Diaye erzählen „von Menschsein und überwinden Grenzen“

Schriftstellerin Marie N’Diaye hat sich in das goldene Buch der Stadt Dortmund eingetragen.
Schriftstellerin Marie N’Diaye hat sich in das goldene Buch der Stadt Dortmund eingetragen.

 Von Joachim vom Brocke

Mit dem auf 15 000 Euro dotierten Literaturpreis der Stadt, den Nelly-Sachs-Preis, wurde im Rathaus die französische Schriftstellerin Marie N’Diaye geehrt. Die 48-jährige Autorin gilt als eine der erfolgreichsten französischen Gegenwartsschriftstellerinnen und -dramatikerinnen.

OB Ullrich Sierau bescheinigte Jury „hervorragende Wahl“

Alle zwei Jahre wird diese Auszeichnung vergeben. Zahlreiche Gäste nahmen in der Bürgerhalle an der Feierstunde teil. Marie N’Diaye trug sich nach der Preisübergabe ins Goldene Buch der Stadt ein.

Marie N’Diaye sei eine „hervorragende Wahl“ und stehe in guter Tradition mit Nelly Sachs, Elias Canetti und Nadine Gordimer, sagte OB Ullrich Sierau – drei Preisträger, die später mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurden.

Sierau bescheinigte den Verantwortlichen der Preisverleihung, von Beginn an „ein gutes Gespür für herausragende schöpferische Leistungen“ bewiesen zu haben.

Die Schriftstellerin lade in ihren Büchern zum Nachdenken über andere Lebensweisen, Ansichten und Kulturen ein, gerade weil sie nicht um Verständnis und Toleranz werbe, sondern aufzeige, „wie elend eine Zivilisation ohne diese Eigenschaften ist“.

Arbeiten sind in mehr als 30 Sprachen übersetzt

Das schriftstellerische Schaffen von Marie N’Diaye würdigte die Berliner Literaturwissenschaftlerin und Jurymitglied Dr. Sabine Berking. „Ihr Werk beweist in all seinen Facetten große künstlerische Meisterschaft.

Es entwickelt eine eigene Choreographie, einen Sog der Bilder und der Worte. Es erzählt von Menschsein und überwindet damit Grenzen – zwischen Nationen, Kontinenten, Sprachen und Kulturen“, sagte sie. In mehr als 30 Sprachen seien ihre Arbeiten inzwischen übersetzt worden.

Nachdenkliche Dankesrede der Preisträgerin

In ihrer nachdenklichen Dankesrede beschäftigte sich Marie N’Diaye mit den Themen Exil und den jüngsten Terrorangriffen in Paris.

Schriftstellerin Marie N’Diaye  hat den Nelly-Sachs-Preis bekommen. Fotos: Dortmund Agentur/Anja Kador
Schriftstellerin Marie N’Diaye hat den Nelly-Sachs-Preis bekommen. Fotos: Dortmund Agentur/Anja Kador

„Wenn ich an Nelly Sachs denke, denke ich natürlich an Exil, an die Zuflucht, die sie vor so langer Zeit in Schweden gefunden hat“, sagte sie.

„Aber was soll man heute zu diesen jungen Leuten sagen, deren Eltern den Maghreb verlassen haben, um in Frankreich zu arbeiten, deren Eltern unfreiwillig ins Exil gegangen seien, denen es doch aber überwiegend gelungen ist, sich in Frankreich zu integrieren“, fragt Marie N’Diaye.

„Was soll man zu diesen jungen Leuten sagen, die in Frankreich geboren sind, aber denen eben das Exil ihrer Eltern als ein Unsegen, eine Ungerechtigkeit erscheinen, nur wiedergutzumachen durch Rache und blinde, grenzenlose Gewalt“, so die Preisträgerin.

„Diese jungen Leute, diese verirrten, verlorenen, grausamen Männer – auch sie sind, traurig aber wahr, eine Folge des Exils (…) Tragen wir auch immer einen Teil der Verantwortung für den Hass, den wir uns zuziehen? (…) Aber selbst wenn es eine Schuld gibt, wie lange, wie viele Jahrzehnte noch, muss der Preis dafür bezahlt werden“, betont die Marie N’Diaye.

Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde vom Duo Gemelli mit den Cellistinnen Astrid Nägele und Lilian Mann.

Mehr Informationen:

  • Den Nelly-Sachs-Preis gibt es seit 1961 in Dortmund. Nelly Sachs war eine jüdische deutsch-schwedische Schriftstellerin und Lyrikerin, geboren 1891 in Berlin-Schöneberg, gestorben 1970 in Stockholm. 1966 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur.
  • Der Fachjury des Nelly-Sachs-Preises gehörten unter Vorsitz von Stadtdirektor und Kulturdezernent Jörg Stüdemann in diesem Jahr Dr. Sabine Berking (Literaturkritikerin), Felicitas von Löwenberg (Literaturkritikerin FAZ), Thomas Rothschild (Journalist und Autor) sowie Dr. Johannes Borbach-Jaene (Direktor der Stadt- und Landesbibliothek) an. Als Sachpreisrichter waren vom Rat Bürgermeisterin Birgit Jörder, Barbara Brunsing, Brigitte Thiele und Joachim Pohlmann beteiligt.
  • Wer mehr über den Nelly-Sachs-Preis, seine Namensgebern und die Preisträgerinnen und Preisträger wissen möchte, wird im Nelly-Sachs-Archiv der Dortmunder Stadt- und Landesbibliothek fündig.
  • Die Sammlung enthält neben Dokumenten über das Leben und Wirken von Nelly Sachs eine Reihe von Gedichten und Autographen (Handschriften) der Schriftstellerin.

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