Auf dem Gelände der Dortmunder Kokerei Hansa ist am 16. Juni ein aus zwei Gewächshäusern bestehendes Aquaponiksystem in Betrieb gegangen. Aquaponik ist ein nachhaltiges und besonders wasserschonendes System zur Lebensmittelproduktion, das hier im EU-Forschungsprojekt proGIreg zur produktiven grünen Infrastruktur etabliert wurde und in den kommenden Jahren technisch und organisatorisch weiterentwickelt werden soll.
Aquaponikanlagen kombinieren Fisch- und Pflanzenproduktion
Aquaponikanlagen kombinieren Fisch- und Pflanzenproduktion, indem die Ausscheidungen von Fischen zur Düngung von Pflanzen in Hydrokultur verwendet werden. Diese naturbasierte Lösung stellt den Schwerpunkt des Reallabors in Dortmund-Huckarde dar.
Zwei identisch ausgestattete 200 Quadratmeter große Gewächshäuser wurden dazu auf einer 1.200 Quadratmeter großen Fläche der ehemaligen Kokerei Hansa errichtet. Die technische Konzeption haben die aquaponik manufaktur GmbH in Kooperation mit der Fachhochschule Südwestfalen und dem Dortmunder Verein Urbanisten erarbeitet.
Als alternatives ökonomisches Konzept sollen die Produkte dieser Anlage nicht verkauft werden. Stattdessen ist die Idee, die Hydrokulturbeete in Parzellen zu vermieten, inspiriert vom etablierten Mietgartenkonzept. Durch die Trennung der Einnahmenseite von Produktionsmenge und Qualität und durch die Entkoppelung der Vermarktung über den klassischen Lebensmitteleinzelhandel erhoffen sich die Forscher*innen eine finanziell stabile und tragfähige Betriebsführung. Das System kann von einem Verein, einer Genossenschaft oder auch einer konventionellen Firma betrieben werden.
Im Aquaponiksystem sind Pflanzen immer optimal bewässert und gedüngt
„Potentielle Nutzer sollen Menschen sein, die gerne selbst nachhaltig gesunde Nahrungsmittel produzieren möchten, denen aber zum Beispiel ein klassischer Schrebergarten zu viel Pflegeaufwand bedeutet“, erklärt Prof. Dr. Wolf Lorleberg von der Fachhochschule Südwestfalen.
Die Pflanzen des Aquaponiksystems sind immer optimal bewässert und gedüngt und Unkraut zu jäten gibt es auf den Beeten nicht. „Um den Pflanzenschutz mit Nützlingen kümmert sich der Betreiber, chemische Pflanzenschutzmittel können und sollen dabei wegen der Fische generell nicht verwendet werden“, so Lorleberg.
Zusätzlich zu den Beeten in Tiefwasserkultur sind im System Subtratbeete errichtet, auf denen Kräuter kultiviert werden. Diese sind als Gemeinschaftbeete gedacht, von denen sich die Nutzer:innen in kleinen Mengen so viel nehmen, wie sie zum Kochen benötigen. Darüber hinaus ist angedacht, Kartoffeln in Sackkultur und Tomaten, Paprika und Chillis in unterbewässerten Töpfen zu ziehen, so dass den Nutzer*innen eine gute Bandbreite von Produkten zur Verfügung steht.
Postindustrielle Nutzung: Der Betrieb startet zunächst ohne Fischbesatz
Wegen der postindustriellen Nutzung auf der Fläche der Kokerei ist es erforderlich, die Unbedenklichkeit der produzierten Lebensmittel festzustellen. Dafür wird die erste Ernte des Systems nicht in Verkehr gebracht, sondern im Labor untersucht werden. Der Betrieb startet zudem zunächst ohne Fischbesatz. Erste Laboruntersuchungen ergaben, dass die Belastung um den Faktor zehn unterhalb des gesetzlichen Grenzwerts liegt.
Für Gewächshäuser, Innenausstattung, Planung sowie Bodenvorbereitung wurden bisher etwa 225.000 Euro aufgewandt. Vorbeugende Maßnahmen zum Ausschluss jeglicher Risiken durch mögliche Bodenkontamination hatten zu einer unvorhergesehenen Erhöhung der Baukosten geführt. Dieses Budgetdefizit konnte durch eine Finanzierungszusage der Stadt Dortmund von 44.000 Euro und eine Finanzierungszusage der Fachhochschule Südwestfalen von 15.000 Euro geschlossen werden.
„Dieser Meilenstein ist nur durch gemeinsames Wirken möglich geworden. Wir danken allen Projektbeteiligten für die gemeinsam geleistete Arbeit. Und hoffen, dass sich das Konzept im Sinne einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion etabliert und nachgeahmt wird“, so Susanne Linnebach, Leiterin des Amtes für Stadterneuerung, das das Projekt seitens der Stadt Dortmund begleitet hat.
Projekt sensibilisiert zum ökologisch sinnvollen Umgang mit Ressourcen
„Als Eigentümerin der Kokerei Hansa unterstützen wir das Projekt, weil es für einen ökologisch sinnvollen Umgang mit Ressourcen sensibilisiert und der partizipative Ansatz hervorragend zu unseren Bildungs- und Vermittlungskonzepten passt, so Ursula Mehrfeld, Geschäftsführerin der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur. Das System wird bis zum Projektende gemeinschaftlich von den Urbanisten und der Fachhochschule Südwestfalen betrieben.
Da das Projekt thematisch hervorragend zur 2027 stattfindenden Internationalen Gartenausstellung in der Metropole Ruhr passt, soll das System eine Komponente der Ausstellung werden. Die Anlage dient bereits jetzt Studierenden der Hochschule und studentischen Gästen aus dem Ausland als Studienobjekt. Derzeit wird die Erfassung von Sensormesswerten im Rahmen einer studentischen Masterarbeit erforscht.
Mehr Infos: Das ist das Projekt ProGIreg
- ProGIreg ist ein von der Europäischen Kommission im Rahmen des Horizon 2020-Programms finanziertes Projekt, das von Juni 2018 bis Ende 2023 läuft. ProGIreg steht für „Produktive grüne Infrastruktur in postindustriellen Stadterneuerungsgebieten“.
- In den Vorreiterstädten Dortmund, Turin, Zagreb und dem chinesischen Ningbo wurden im Laufe dieses Projekts sogenannte Reallabore in industriell geprägten Stadtteilen eingerichtet.
- In Huckarde setzen die Projektpartner:innen gemeinsam verschiedene innovative Projekte um. Neben der Aquaponikanlage sind dies beispielsweise der Waldgarten St. Urbanus, die Initiative Naturfelder Dortmund e.V., die Installation von Bewegungsmöglichkeiten im Gustav-Heinemann-Park und die verbesserte Wegeverbindung am Deusenberg.
- Bei allen Projekten stehen innovative Konzepte und Umsetzungsverfahren sowie die Beteiligung und Einbindung der Huckarder Bürger:innen im Fokus.