Zehn Angeklagte: Landgericht Dortmund tagt aus Platzgründen im FZW

„Antisemit“-Verfahren: Der erste Verhandlungstag endet schon nach wenigen Minuten

Volles Haus - zumindest auf der Anklagebank: Zehn Angeklagte und zehn Verteidiger:innen nahmen im FZW Platz.
Volles Haus – zumindest auf der Anklagebank: Zehn Angeklagte und zehn Verteidiger:innen sind am Verfahren beteiligt. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Eine Neonazidemonstration im Herbst 2018 im Dortmunder Stadtteil Marten sorgte über Deutschland hinaus für Schlagzeilen. In den Abendstunden des 21. September zogen die Rechten mit Pyrotechnik durch den Vorort. Dabei skandierten sie die Parole „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!“.

„Die Betroffenen wünschen sich ein klares Signal, dass Antisemitismus strafrechtlich verfolgt wird“

Für die Besucher:innen blieben sehe viele Plätze frei.
Für die Besucher:innen blieben viele Plätze frei. Karsten Wickern | Nordstadtblogger

Drei Jahre später stehen nun zehn Teilnehmer der Nazi-Demonstration vor Gericht. „Den zehn Angeklagten wird Volksverhetzung zur Last gelegt“, erklärt Nesrin Öcal, Pressesprecherin des Landgerichts Dortmund. Micha Neumann von der Beratungsstelle ADIRA beobachtet den Prozess. ADIRA ist eine Beratungstelle für Betroffene von Antisemitismus. „Die Szenen haben damals große Verunsicherung bei Jüdinnen und Juden ausgelöst, deswegen ist es gut, dass das jetzt zur Anklage kommt“, berichtet Neumann.

Die Dortmunder Neonaziszene greift immer wieder auf antisemitische Parolen oder Wahlplakate zurück, überschreitet dabei aber selten die tatsächliche Grenze der Strafbarkeit. Ob das bei der besagten Parole auch so ist, wird der Prozess zeigen: „Die Betroffenen wünschen sich ein klares Signal, dass Antisemitismus strafrechtlich verfolgt wird“, berichtet Neumann.

Das Dortmunder Landgericht muss aus Platzgründen ins FZW ausweichen

Großes Medieninteresse: Gerichtssprecherin Nesrin Öcal war gefragte Gesprächspartnerin.
Großes Medieninteresse: Gerichtssprecherin Nesrin Öcal war gefragte Gesprächspartnerin. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Das Gericht musste bei diesem Prozess aufgrund der hohen Anzahl der Angeklagten und Verteidiger:innen – es gibt zehn Angeklagte und jeder hat einen eigenen Rechtsbeistand – auf das FZW ausweichen. Dazu sei ein hohes mediales Interesse zu erwarten gewesen, so Nesrin Öcal. „Das Landgericht hätte nicht über ausreichende Kapazitäten verfügt.“

Die Angeklagten selbst sind keine führenden Figuren der Dortmunder Neonaziszene. Nur einzelne sind häufiger auf rechten Demonstrationen anzutreffen. Entsprechend gering ist auch das Interesse ihrer „Kameraden“ an dem Prozess. Nur drei fanden den Weg in den recht leeren Bereich für Zuschauer:innen. Die anderen fünf warteten lieber vor dem Gebäude. Lange warten mussten sie nicht: Bereits nach wenigen Minuten endete der erste der sieben angesetzten Prozesstage.

Der Grund: Das Gericht hatte es versäumt, den Verteidigern das vollständige Videomaterial, das von der Demonstration vorliegt, zu übermitteln. Dieses sollte nun zum Ende des Verhandlungstages auf USB-Sticks überreicht werden. Den Verteidiger:innen bleiben jetzt zwei Wochen Zeit, um dieses Material in Augenschein zu nehmen – dann steht der nächste Verhandlungstag an. Dann erfolgt auch die Anklageerhebung.

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KOMMENTAR: Über Neonazis, provozierte Schlagzeilen, fragwürdige Einsätze und gesellschaftliche Verantwortung

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Die Zeiten, in denen die „Autonomen Nationalisten“ aus Dortmund noch bundesweit Trends setzten, scheinen vorbei

 

Reader Comments

  1. Ulrich Sander

    Diese Meldung schrieb ich am 21. 9. 2018. Ich hoffe, der Innenminister wird ebenfalls angeklagt: Mitschuld durch Unterlassung. Hier die Meldung: 21. September 2018: Dortmund wird zum Experimentierfeld der Nazis. Sie dürfen hier ungehindert ausprobieren, was man sich bieten lässt. Völlig ungehindert durften Nazis mit antisemitischen Parolen durch Dortmund ziehen. Mitten hinein in die Chemnitz- und Maaßen-Skandale platzte für alle sichtbar der Polizeiskandal der CDU-NRW. Der Innenminister des Landes Herbert Reul (CDU) war an jenem Freitag, 21. September, in Dortmund, um alle Polizeiaktivitäten zu leiten und um sich selbst an die Spitze der „wichtigsten“ Aktion zu stellen: das Vorgehen gegen die Ausländerkriminalität, völlig ohne speziellen Anlass und nur als Manöver. Da blieb kaum Polizeikraft übrig für die Bekämpfung der Nazis, die in zwei Marschblöcken je 100 Mann durch die Stadtteile Dorstfeld und Marten zogen, zwei Arbeiterviertel mit großer Tradition – hier wurde einst die Bergarbeitergewerkschaft des Reiches gegründet. Und hier wird im Jahr des endgültigen Endes des deutschen Untertage-Bergbaus nun der neue Aufstieg des Faschismus quasi „im Laboratorium“ getestet. Es wurde gerufen: „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“ oder „Israel ist unser Unglück“ und „Euer Grundgesetz schützt auch Antisemiten“.
    Ulrich Sander, Dortmund (VVN-BdA)

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