Tränen für die Opfer, Lob für die Stadt Dortmund, Kritik für die Ermittlungsbehörden in Deutschland – so lässt sich der Besuch der Angehörigen der NSU-Opfer am Montag in der Nordstadt zusammenfassen.
Besuch am Tatort des Mordes an Mehmet Kubasik in der Nordstadt
Gemeinsam besuchten sie den Tatort des Mordes an dem türkisch-stämmigen Kiosk-Betreiber Mehmet Kubasik in der Mallinckrodtstraße in der Nordstadt und anschließend das zentrale NSU-Mahnmal für alle Opfer des Rechtsterrorismus an der Auslandsgesellschaft.
Dabei lobte Prof. Barbara John, Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und Opferangehörigen der sogenannten Zwickauer Zelle, die offensive Herangehensweise der Stadt Dortmund.
Diese tue alles, um ein öffentliches Gedenken zu ermöglichen: „Das ist herausragend und in keiner anderen Stadt so“, lobte John mit Blick auf die beiden augenfälligen Mahnmale und die zentrale Platzierung der Gedenkstätte am Hauptbahnhof.
Scharfe Kritik am fehlenden Aufklärungswillen vieler Behörden in Deutschland
Gleichzeitig übte John im Namen der Angehörigen der Opfer des rechtsextremen Terrors scharfe Kritik am Umstand, dass ein Aufklärungswillen der Behörden nicht zu erkennen sei.
Auch die Arbeit der NSU-Untersuchungsausschüsse sehen die Hinterbliebenen der Opfer mit gemischten Gefühlen: „Hier wird wieder nicht mit offenen Karten gespielt.“
Es gehe den Behörden offenbar mehr darum, die eigene Rolle herunterzuspielen. Akten würden geschreddert, Aufklärung be- oder sogar verhindert.
„Von den Worten von Bundeskanzlerin Merkel, dass man alles tun werde, um das aufzuklären, davon sind wir weit entfernt“, beklagte John.
Die Familien wollten endlich Antworten. Antworten auf die Fragen, warum es ihren Mann, ihren Vater getroffen habe. Dabei geht es um die Frage der Netzwerke und lokalen Helfer des Trios.
Viel Ernüchterung bei den Angehörigen der türkischen und griechischen Opfer
Denn die Angehörigen können und wollen nicht glauben, dass die Opfer zufällig ausgesucht wurden. Doch Antworten gab es bisher keine. Im Gegenteil: Die Behörden hätten gemauert und vertuscht.
Disziplinar- oder strafrechtliche Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt gebe es nicht. Bis in höchste Kreise der Verfassungsschutzbehörden und der Justiz ziehe sich der mangelnde Aufklärungswillen.
Das sei die ernüchternde Erkenntnis bei vielen Angehörigen der Opfer der Zwickauer Terrorzelle, zieht die Obfrau Bilanz.
„Das waren Menschen, die unser Land früher in den höchsten Tönen gelobt haben und das sie jetzt viel realistischer sehen.“ Sie erinnerte an die schwierige Lage der Familien, die über Jahre vom Staat und auch vom Umfeld ausgegrenzt und isoliert – ja teilweise sogar kriminalisiert – worden seien.
Dortmund will weiter offensiv rechtsextremistische Umtriebe bekämpfen
Dortmund ist – nach Rostock und München – die dritte Station der Gedenkreise für die Familien. Möglich wird sie durch eine finanzielle Unterstützung Thüringens.
OB Ullrich Sierau bekräftigte vor dem ehemaligen Kiosk, dass die Stadt Dortmund alles tun werde, die Erinnerung und das Gedenken an einen aufrichtigen Bürger, einen guten Ehemann und Vater aufrecht zu halten.
Außerdem machte er eindrücklich deutlich, dass Mehmet Kubasik, seine Familie, aber auch die anderen Opfer und ihre Familien, zu Deutschland gehören.
„Mehmet Kubasik war einer von uns“, so Sierau. Der Umgang der Behörden und die Kriminalisierung der Familien hätten uns alle tief beschämt. Umso entschlossener müssten rechtsextreme Umtriebe bekämpft werden. Er versprach den Opfern, dass dies in Dortmund weiter gemeinsam passiere.
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