„Aloha 103 – Jahresschau“: das Projekt vom Borsigplatz lädt Freitag in die Do-Bo-Villa zur großen interkulturellen Party ein

Malkurs von aloha103_malkurs-Sultan Khairandish. Fotos () Borsig11.
Malkurs von Sultan Khairandish im interkulturellen „Café 103“ des Borsigplatzquartiers. Foto (7): Borsig11.

Im interkulturellen „Café 103“ der „Machbarschaft Borsig11“ in der Oesterholzstr. ist eigentlich immer was los: neben Meditations- und Theaterworkshops, Trommel-, Näh- und Malkursen, Beratungs- und Unterstützungsangeboten wird unter anderem regelmäßig gemeinsam gekocht und gegessen, miteinander geplaudert, und selbstverständlich auch schon mal gestritten. Hier treffen sich AnwohnerInnen, KünstlerInnen, Gäste – alle sind willkommen, die Potentiale der Nordstadt sichtbar zu machen. In diesem Jahr liefen die vielfältigen Aktivitäten unter dem Projektmotto „Aloha 103“. Was dabei herumgekommen ist? Wer’s wissen will, sollte am Freitag, den 21. November, ab 16 Uhr einen Blick auf die Do-Bo-Villa im Hoeschpark werfen. Und wer sich dazu hinein traut: der Eintritt ist selbstverständlich frei.

„Machbarschaft Borsig11“: in der Theorie Transkulturalität als Programm – aber, was zählt, is auf’m Platz

Was Menschen verbindet, über Kulturen hinweg, jenseits von Sprach- und anderen Barrieren – das versucht die „Machbarschaft Borsig11“ seit 2011, dem Ende des Europäischen Kulturhauptstadtjahres rund um den Borsigplatz anzustoßen. Formell hört sich der Zweck des gemeinnützigen Vereins entsprechend deutscher Gepflogenheiten natürlich ziemlich steif-geschliffen an, dahinter tobt in der Praxis freilich das bunte Leben.

Das Chancencafé 103. Foto: Guido Meincke
Das „Chancen-Café“ in der Oesterholzstr. 103

Zuerst in einem Satz die „Theorie“: Als übergeordnetes Ziel hinter der Vereinstätigkeit wird in der Satzung angegeben, in dem Quartier multikulturelle Strukturen – auf der Grundlage einer „internationalen Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens“ – zu etablieren und mit den BewohnerInnen partizipatorisch fortentwickeln zu wollen.

Solche rhetorischen Figuren sichern den AktivistInnen ihren rechtlichen Status; der ist nicht unwichtig. Doch, wie in der ganzen Stadt traditionell üblich, kommt es entscheidend auf etwas anderes an: was zählt, is auf’m Platz. Den stellt Borsig11 quasi zur Verfügung und die Nachbarschaft erschafft sich beständig selbst – wird zu einer „Machbarschaft“ mit aus Interaktivität erwachsenden Befähigungsstrukturen.

Ein Raum zum gemeinsamen Wachsen – die „103“ in der Oesterholzstraße als Ort für soziale Kreativität

Was da in den letzten Jahren unter den vielen Nationalitäten und in vielen Projekten an Potentialen freigelegt wurde: mittlerweile hat es eigendynamische Wirkungen entfaltet, die sich sehen lassen können. Besonders deshalb, weil Menschen, die zuvor daran teilgenommen hatten, nun selbst in eigenen Gruppen initiativ seien, wie Guido Meincke aus dem Vorstand des Vereins nicht ohne Stolz im hauseigenen „Chancen-Café“ verrät.

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AktivistInnen im „Aloha 103“-Projekt
AktivistInnen im „Aloha 103“-Projekt. Foto (10): Thomas Engel

Das gibt es seit 2015 in der „Machbarschaft“ als Ort sozialer Kreativität – wegen seiner Hausnummer in der Oesterholzstr. auch kurz nur „103“ genannt: ein gefühlt etwa 60 Quadratmeter großer Raum an der Ecke zur Robertstr., ebenerdig gelegen, im Inneren barrierefrei nutzbar – wie ein Café für nette Begegnungen eben. Aber es ist viel mehr.

Kulturen sollen hier gerade nicht zum Friede-Freude-Eierkuchen-Multi-Kulti-Event öffentlichkeitswirksam, daher nur notdürftig miteinander verkittet werden.

Sondern da ist ein authentischer Raum zum miteinander Wachsen: über geteilte Erfahrungen in den verschiedensten Projekten. Und jede/r ist willkommen.

Große Party „Aloha 103!“ steigt als „Jahresschau“ am kommenden Freitag in der Do-Bo-Villa

In diesem Jahr heißt es für alle, die hier mitmachen wollen: „Aloha“ – ein Kunstwort, danach ausgedacht, wie sich Menschen weltweit begrüßen könnten, weil jede/r es versteht. Marlene Paul aus Jamaika, seit 43 Jahren in der Bundesrepublik, korrigiert aus ihrem ursprünglichen Kulturwissen: so ganz künstlich sei das nicht – im Hawaiianischen fungiere „Aloha“ wirklich als Gruß.

Das gleichnamige Programm „Aloha 103!“ – ermöglicht mit finanzieller Unterstützung des Förderfonds Interkultur Ruhr, von KOMM-AN NRW und dem Kulturbüro Dortmund – wurde von Borsig11 gemeinsam mit AktivistInnen aus der Nachbarschaft von nah und fern erstellt und ist erwartungsgemäß ziemlich bunt gemischt. Die Koordination der vielen verschiedenen Aktivitäten hat 2018 Zhanna Yakhnis übernommen.

Trommelworkshop mit AladjiTouré
Trommelworkshop mit Aladji Touré

Angeboten und weitgehend selbstorganisiert wurden/werden 2018 von der „Machbarschaft“ unter anderem das gemeinsame Kochen nebst Essen, Meditations- und Theaterworkshops, Trommel-, Näh- und Malkurse; schließlich die bekannten Nordstadt-Sessions mit ihrem Platz für Synergismen verschiedenster Musikkulturen.

Präsentiert und gefeiert werden sollen die nach den Monaten gemeinsamen Säens auf so manchem Feld gesammelten Erträge mit einer großen „Jahresschau“ am kommenden Freitag, den 21. Dezember, in der DO-BO Villa im benachbarten Hoeschpark.

Die Vorfreude ist riesig, die Aufregung groß und die Planung Richtung Wochenende läuft: es gibt einiges zu besprechen in der „103“.

Ferey von der Mobilen Beratung: die Leute sollen „auf eigenen Beinen stehen“ können

Fereydun Kohestani unterstützt Flüchtlinge und MigrantInnen seit langem ehrenamtlich.
Fereydun Kohestani unterstützt Flüchtlinge und MigrantInnen seit langem ehrenamtlich.

Heute ist auch Fereydun Kohestani in der „103“ anzutreffen, zuständig für die „Mobile Beratung“ bei „Aloha 103!“ und für manches mehr. Der seit 27 Jahren in der Bundesrepublik lebende Afghane engagiert sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe, begleitet Geflüchtete zum Beispiel aus dem Iran oder Afghanistan bei Ämtergängen, zu Anwälten oder Ärzten. Auch für Übersetzungen kann er helfen.

Er erkläre den Menschen die deutsche Kultur, sagte er, wie wichtig es sei, die Sprache zu lernen. Und, wo rote Linien sind: das sei nicht immer leicht bei Leuten, die den Krieg erlebt hätten, traumatisiert wären – Stichwort: Kleinkriminalität wie wiederholtes Schwarzfahren oder Drogen. Wirklich enttäuscht? Nein, das habe er noch nicht erlebt.

„Ich kriege ein gutes Gefühl, wenn ich jemandem helfe“, erklärt Ferey, wie ihn Freunde nennen. Sein schönstes Erlebnis? – Wenn die Leute zufrieden, glücklich seien, und präzisiert: wenn er einen Anruf bekäme und er merkt – da kann jemand nun „auf eigenen Beinen stehen“. Das fügt sich nahtlos in die „Machbarschaft“-Konzeption: Hilfe zur Selbsthilfe, Räume für eigene Initiativen und Kreativität schaffen.

Miteinander Kochen, gemeinsam Essen oder Plaudern: alle sind bei „Aloha 103“ herzlich willkommen

Daneben ist heute unter anderem, wie eigentlich jeden Tag, Kochen angesagt – und nicht, wie ursprünglich geplant, nur dreimal die Woche von 14-16 Uhr. Es läuft hier eben etwas anders.

Unter dem Motto „Soulfood – Essen für die Seele“ und als Teil des Food-Sharing-Netzwerkes ist kreative Küche, bewusstes Kochen und Essen mit Zutaten angesagt, die unter anderem von der Tafel stammen. Ein Projekt, das ohne die Eigeninitiative und das Engagement der Beteiligten nicht realisierbar wäre.

Durch Ferey, seine liebevolle Art, mit Menschen umzugehen, haben auch andere den Weg in die Gemeinschaft gefunden und beteiligen sich regelmäßig am interkulturellen „Soulfood“.

Da sind Hamayoon, Reza, Elham und Firozeh, die einen neuen kulinarischen Schwerpunkt in die kreative „Küche 103“ eingebracht haben. Zusammen mit Zhanna Yakhnis aus der Ukraine, Marlene Paul, Birgitt Schuster aus Unna und vielen anderen haben sie in den vergangenen Monaten täglich neue Speisen aufgetischt.

Marlenes Spezialität ist die Jamaikanische Küche. Das Essen heute ist einfach und es schmeckt; alle am Tisch sind zufrieden. Guido sei ein „vernünftiger Mann“, „hervorragender Kollege“, lobt Ferey: geduldig und könne Probleme mit einem Lachen und guter Laune lösen. Einziges Haar in der Suppe: mit seinen afghanischen Sprachkenntnissen hapere es noch ein wenig, schmunzelt Ferey.

Das „Café 103“ – ein Ort der Begegnung für alle, die gern in einer Gemeinschaft zusammen sind

Nicht alle sitzen am Tisch. Manche kommen vermutlich nur hierher, um nicht allein, sondern unter Menschen zu sein. Sich angenommen fühlen, eine warme Stimme hören.

Da sind vielleicht ein Lächeln und die Begegnung mit FreundInnen, Bekannten. Um Bedürfnisse nach sozialer Nähe zu leben, wie es den meisten aus ihrer Heimat bekannt ist.

Am Abend soll es dann zur interkulturellen „Nordstadt-Session“ in die nahegelegene Do-Bo-Villa gehen, die mittlerweile jeden zweiten Freitag stattfindet.

Während es in der Pfanne brutzelt: allerorten Leben in dem Café. Völlig unklar, wie sich hier Menschen untereinander so gut verständigen können, von denen Du hypothetisch annehmen kannst, dass sie in der Regel keine gemeinsame Sprache außer ein gebrochenes Deutsch miteinander sprechen können. Doch sie verstehen sich offenbar bestens.

Damit wird auch deutlich, dass es mit dem traditionell „gemütlichen Beisammensein“, wie es früher hierzulande euphemistisch auch hieß, wenn es um fragwürdige Zusammenkünfte ging, vorbei ist. Deutschland durchmischt sich gerade glücklicherweise mit erfrischender Menschlichkeit durch Vielfalt, so dass es mit jenem bornierten „Wesen“, an dem die Welt genesen sollte, hoffentlich endlich und auf Nimmerwiedersehen zu Ende geht – Globalisierung macht’s möglich.

Kreatives Miteinander verschiedener Kulturen statt Kneipenstimmung mit dumpfen Stammtischparolen

Da ist nur noch wenig Platz für Kneipenstimmung mit Stammtischstumpfsinn. Überall stehen oder sitzen Leute herum, hantieren geschäftig, Kinder spielen, Erwachsene lesen oder plaudern miteinander. Es gibt auch schon Mal einen kleinen Streit, ja – hier kommen Menschen zusammen, keine Maschinen. Während eines kurzen Wortgefechtes über Geschlechterrollen wird es kurz etwas lauter. An starken Frauen fehlt es nicht in der 103. Später essen alle friedlich zusammen, was einige zuvor zubereitet hatten.

Solche Auseinandersetzungen seien wichtig, kommentiert Guido Meincke: gerade bei Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen. Nur so könnten sie Verständnis füreinander entwickeln und voneinander lernen. Interkulturelle Kommunikation ermögliche neue Erfahrungen, sei aber eben auch ein potenzielles Konfliktfeld.

„Ohne Bewegung keine Horizonterweiterung. Wenn man die Unterschiede gekennzeichnet hat, merkt man bald, dass die Gemeinsamkeiten überwiegen. Aloha 103 stellt hierfür eine Plattform bereit, auf der man sich trotz und auch gerade wegen aller Diversität mit gegenseitigem Respekt begegnet“, so der Mitbegründer der „Machbarschaft“.

Wer dieses friedlich-kreative Miteinander zwischen den Kulturen und über sie hinweg miterlebt – da wird sofort klar, was die Dortmunder Nordstadt – sind da nur geeignete Räume – entgegen diffuser Warnungen vor der No-Go-Area alles zu bieten hat. Das soll jetzt am Freitag in der Do-Bo-Villa noch einmal deutlich gemacht werden.

Ausstellung der Arbeiten von Sultan und Amir Khairandish mit Pyro-Live-Painting und Modeschau

Landschaftsmalerei eines afghanischen Künstlers: deutsches Motiv

Dort verspricht das Bühnenprogramm einen Nachmittag/Abend voller Überraschungen. Alle sind freundlich eingeladen, die Lust haben, Erfahrungen in und mit einer interkulturellen Experimentierstube zu machen, Herzlichkeit und offene Ohren erleben möchten.

Entspannung und Improvisation in einer leicht, aber wunderbar chaotischen Grundatmosphäre sind garantiert – Vorweihnachten mal anders.

Simin und Sultan Khairandish kamen vor zwei Jahren aus Afghanistan in die Nordstadt; in der „Galerie 103“ konnte er 2017 erstmalig in der Bundesrepublik ausstellen, ist mittlerweile fester Bestandteil der „Machbarschaft Borsig11“ und ihrer Aktivitäten geworden. Dieses Jahr hat Sultan beispielsweise einen Malkurs für interessierte AnwohnerInnen und Gäste gegeben.

Zur Jahresschau werden Gemälde von ihm, Ergebnisse des Workshops sowie Pyrografien seines Bruders Amir Khairandish ausgestellt. Letzterer möchte sich auch, wenn irgend möglich, Live vor Ort mit einigen Arbeiten versuchen.

Die Expertise von Simin Khairandish als Näherin konnte in der „Schneiderei 103“ bereits bestaunt werden. Nachdem der Schwerpunkt 2017 unter Leitung von Elisabeth Sala auf afrikanischen Motiven lag, hat sie nun in einem mehrmonatigen Nähkurs die interkulturelle Kollektion 2018 durch orientalische Elemente erweitert – als Entwürfe zu sehen bei der Modeschau in der Do-Bo-Villa.

Vom „katastrophalen Weihnachtsessen“ über Percussion zur bekannten Nordstadt-Session für alle

Cynthia Scholz und Chino Monagas in „Ojo de Hamlet“
Cynthia Scholz und Chino Monagas in „Ojo de Hamlet“

Wer sie schont kennt, darf sich auf ein Wiedersehen freuen: mit Cynthia Scholz und Chino Monagas aus Venezuela, die bereits durch mehrere Produktionen, jüngst mit dem Stück „Ojo de Hamlet“ in Dortmund und im Netz für Aufmerksamkeit sorgten.

Im Chancen-Café haben sie in diesem Jahr einen Theaterworkshop veranstaltet. Dessen Ergebnisse wollen nun ebenfalls bestaunt werden.

Zur „Aloha 103“-Jahresschau wird unter ihrer Anleitung „Ein katastrophales Weihnachtsessen“ performt werden. Wie der Titel schon sagt, soll dort zwar einiges und auf mehreren Ebenen schief laufen, aber, wie Cynthia gegenüber der Redaktion versicherte: am Ende seien alle wieder zusammen.

Die Percussion-Gruppe unter Leitung von Aladji Touré aus dem Senegal, dessen Djembe-Workshop jeden Montag im „Studio 103“ stattfindet, zeigt, was sie in den letzten Monaten gelernt hat.

Typische Jam-Session
Typische Jam-Session

Es folgt natürlich die Nordstadt-Session, 2017 von Sebastiao Sala initiiert und in diesem Jahr von Hendrik Jost im Rahmen von „Aloha 103“ mit Unterstützung des Kulturbüros Dortmund auf eigene Füße gestellt.

Als „Opener“ der Session treten zur „Aloha 103“ Jahresschau zwei sehr unterschiedliche Formationen auf. Mit akustischen Instrumenten machen Tobias Bülow (Percussion, Flöte) und Tarik Thabit (Kanun) aus Witten den Anfang, gefolgt von Ey moh & Friends (Ethnic Deep Electro) aus Dortmund mit elektronischen Klängen.

Pyrografie von Amir Khairandish, in kleinteiliger Handarbeit mit einem Lötkolben in eine Holzplatte gebrannt
Pyrografie von Amir Khairandish, in kleinteiliger Handarbeit mit einem Lötkolben in eine Holzplatte gebrannt

Wie üblich, vermischen sich später die Genres und die Bühne ist offen für alle, die ihren eigenen Sound der Dortmunder Nordstadt mit musikalischen Beiträgen kreativ ausdrücken wollen.

Weitere Informationen:

  • „Aloha 103 Jahresschau“: 21.12.2018, ab 16 Uhr, DO-BO Villa, Kirchderner Str. 41, 44145 Dortmund (im Hoeschpark); der Eintritt ist frei.
  • Programm „Aloha 103 Jahresschau“, hier:
  • Homepage Borsig11, hier:
  • Satzung „Machbarschaft Borsig11“, hier:

 

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